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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Cap. 2. Einbiegung der äuszern Tentakeln.
sam reizen als organische Substanzen, welche lösliche Substanz her-
geben, die aufgesaugt wird. Auszerdem bin ich sehr wenigen Aus-
nahmen von der Regel begegnet, dasz die Tentakeln eine viel längere
Zeit über organischen Körpern von der eben erst angeführten Art ge-
schlossen bleiben, als über denjenigen, auf welche die Absonderung
nicht wirkt oder über unorganischen Gegenständen, und diese Ausnah-
men hiengen augenscheinlich davon ab, dasz das Blatt erst vor kurzer
Zeit in Thätigkeit gewesen war1.

Die Einbiegung der äuszeren Tentakeln durch Gegenstände, die mit ihren Drüsen
in Berührung gelassen werden, direct verursacht.

Ich machte eine ungeheure Menge Versuche, indem ich vermit-
telst einer feinen Nadel, die mit destillirtem Wasser angefeuchtet war,
und mit Hülfe einer Loupe Theilchen von verschiedenen Substanzen
auf die zähe Absonderung der Drüsen der äuszeren Tentakeln legte.

1 Wegen der auszerordentlichen, von Ziegler vorgebrachten Ansicht (Comp-
tes rendus, Mai, 1872, p. 122), dasz eiweiszhaltige Substanzen die Eigenschaft,
die Tentakeln der Drosera zur Zusammenziehung zu bringen, dadurch erlangen,
dasz sie einen Moment lang zwischen den Fingern gehalten werden, während nicht
so gehaltene Substanzen diese Fähigkeit nicht besitzen sollen, stellte ich einige
Experimente mit groszer Sorgfalt an; die Resultate bestätigten aber diese Ansicht
nicht. Rothglühende Kohlenstückchen wurden aus dem Feuer genommen, Stück-
chen von Glas, baumwollenem Garne, Löschpapier und dünne Scheibchen Kork
wurden in kochendes Wasser getaucht; dann wurden solche Theilchen (und jedes
Instrument, womit sie berührt wurden, war vorher in kochendes Wasser getaucht
worden) auf die Drüsen von mehreren Blättern gelegt und sie wirkten in genau
derselben Weise wie andere Theilchen, welche absichtlich eine Zeit lang berührt
worden waren. Stückchen eines gekochten Eies, welche mit einem in kochendem
Wasser gewaschenen Messer geschnitten waren, wirkten gleichfalls so ein, wie
irgend welche andere animale Substanzen. Ich athmete länger als eine Minute
auf einige Blätter und wiederholte dies zwei oder drei Male, wobei ich meinen
Mund dicht an ihnen hielt, brachte aber keine Wirkung hervor. Ich will hier
noch als Beweis, dasz die Blätter nicht durch den Geruch stickstoffhaltiger Sub-
stanzen beeinfluszt werden, hinzufügen, dasz Stückchen rohen Fleisches auf Nadeln
so dicht als möglich an mehreren Blättern, aber ohne wirkliche Berührung be-
festigt wurden, dasz dies aber durchaus gar keine Wirkung hervorbrachte. Andrer-
seits verursachen, wie wir später sehen werden, die Dämpfe gewisser flüchtiger Sub-
stanzen und Flüssigkeiten, so z. B. kohlensaures Ammoniak, Chloroform, gewisse
ätherische Oele, Einbiegung. Ziegler macht in Bezug auf die Wirkung animaler
Substanzen, welche dicht an, aber nicht in Berührung mit schwefelsaurem Chinin
gelassen wurden, auf diese Substanz noch auszerordentlichere Angaben. Die Wir-
kung von Chininsalzen wird in einem spätern Capitel geschildert werden. Seit
dem Erscheinen des oben erwähnten Aufsatzes hat Ziegler ein Buch über den-
selben Gegenstand veröffentlicht unter dem Titel: "Atonicite et Zoicite", 1874.

Cap. 2. Einbiegung der äuszern Tentakeln.
sam reizen als organische Substanzen, welche lösliche Substanz her-
geben, die aufgesaugt wird. Auszerdem bin ich sehr wenigen Aus-
nahmen von der Regel begegnet, dasz die Tentakeln eine viel längere
Zeit über organischen Körpern von der eben erst angeführten Art ge-
schlossen bleiben, als über denjenigen, auf welche die Absonderung
nicht wirkt oder über unorganischen Gegenständen, und diese Ausnah-
men hiengen augenscheinlich davon ab, dasz das Blatt erst vor kurzer
Zeit in Thätigkeit gewesen war1.

Die Einbiegung der äuszeren Tentakeln durch Gegenstände, die mit ihren Drüsen
in Berührung gelassen werden, direct verursacht.

Ich machte eine ungeheure Menge Versuche, indem ich vermit-
telst einer feinen Nadel, die mit destillirtem Wasser angefeuchtet war,
und mit Hülfe einer Loupe Theilchen von verschiedenen Substanzen
auf die zähe Absonderung der Drüsen der äuszeren Tentakeln legte.

1 Wegen der auszerordentlichen, von Ziegler vorgebrachten Ansicht (Comp-
tes rendus, Mai, 1872, p. 122), dasz eiweiszhaltige Substanzen die Eigenschaft,
die Tentakeln der Drosera zur Zusammenziehung zu bringen, dadurch erlangen,
dasz sie einen Moment lang zwischen den Fingern gehalten werden, während nicht
so gehaltene Substanzen diese Fähigkeit nicht besitzen sollen, stellte ich einige
Experimente mit groszer Sorgfalt an; die Resultate bestätigten aber diese Ansicht
nicht. Rothglühende Kohlenstückchen wurden aus dem Feuer genommen, Stück-
chen von Glas, baumwollenem Garne, Löschpapier und dünne Scheibchen Kork
wurden in kochendes Wasser getaucht; dann wurden solche Theilchen (und jedes
Instrument, womit sie berührt wurden, war vorher in kochendes Wasser getaucht
worden) auf die Drüsen von mehreren Blättern gelegt und sie wirkten in genau
derselben Weise wie andere Theilchen, welche absichtlich eine Zeit lang berührt
worden waren. Stückchen eines gekochten Eies, welche mit einem in kochendem
Wasser gewaschenen Messer geschnitten waren, wirkten gleichfalls so ein, wie
irgend welche andere animale Substanzen. Ich athmete länger als eine Minute
auf einige Blätter und wiederholte dies zwei oder drei Male, wobei ich meinen
Mund dicht an ihnen hielt, brachte aber keine Wirkung hervor. Ich will hier
noch als Beweis, dasz die Blätter nicht durch den Geruch stickstoffhaltiger Sub-
stanzen beeinfluszt werden, hinzufügen, dasz Stückchen rohen Fleisches auf Nadeln
so dicht als möglich an mehreren Blättern, aber ohne wirkliche Berührung be-
festigt wurden, dasz dies aber durchaus gar keine Wirkung hervorbrachte. Andrer-
seits verursachen, wie wir später sehen werden, die Dämpfe gewisser flüchtiger Sub-
stanzen und Flüssigkeiten, so z. B. kohlensaures Ammoniak, Chloroform, gewisse
ätherische Oele, Einbiegung. Ziegler macht in Bezug auf die Wirkung animaler
Substanzen, welche dicht an, aber nicht in Berührung mit schwefelsaurem Chinin
gelassen wurden, auf diese Substanz noch auszerordentlichere Angaben. Die Wir-
kung von Chininsalzen wird in einem spätern Capitel geschildert werden. Seit
dem Erscheinen des oben erwähnten Aufsatzes hat Ziegler ein Buch über den-
selben Gegenstand veröffentlicht unter dem Titel: „Atonicité et Zoicité‟, 1874.
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[21/0035] Cap. 2. Einbiegung der äuszern Tentakeln. sam reizen als organische Substanzen, welche lösliche Substanz her- geben, die aufgesaugt wird. Auszerdem bin ich sehr wenigen Aus- nahmen von der Regel begegnet, dasz die Tentakeln eine viel längere Zeit über organischen Körpern von der eben erst angeführten Art ge- schlossen bleiben, als über denjenigen, auf welche die Absonderung nicht wirkt oder über unorganischen Gegenständen, und diese Ausnah- men hiengen augenscheinlich davon ab, dasz das Blatt erst vor kurzer Zeit in Thätigkeit gewesen war 1. Die Einbiegung der äuszeren Tentakeln durch Gegenstände, die mit ihren Drüsen in Berührung gelassen werden, direct verursacht. Ich machte eine ungeheure Menge Versuche, indem ich vermit- telst einer feinen Nadel, die mit destillirtem Wasser angefeuchtet war, und mit Hülfe einer Loupe Theilchen von verschiedenen Substanzen auf die zähe Absonderung der Drüsen der äuszeren Tentakeln legte. 1 Wegen der auszerordentlichen, von Ziegler vorgebrachten Ansicht (Comp- tes rendus, Mai, 1872, p. 122), dasz eiweiszhaltige Substanzen die Eigenschaft, die Tentakeln der Drosera zur Zusammenziehung zu bringen, dadurch erlangen, dasz sie einen Moment lang zwischen den Fingern gehalten werden, während nicht so gehaltene Substanzen diese Fähigkeit nicht besitzen sollen, stellte ich einige Experimente mit groszer Sorgfalt an; die Resultate bestätigten aber diese Ansicht nicht. Rothglühende Kohlenstückchen wurden aus dem Feuer genommen, Stück- chen von Glas, baumwollenem Garne, Löschpapier und dünne Scheibchen Kork wurden in kochendes Wasser getaucht; dann wurden solche Theilchen (und jedes Instrument, womit sie berührt wurden, war vorher in kochendes Wasser getaucht worden) auf die Drüsen von mehreren Blättern gelegt und sie wirkten in genau derselben Weise wie andere Theilchen, welche absichtlich eine Zeit lang berührt worden waren. Stückchen eines gekochten Eies, welche mit einem in kochendem Wasser gewaschenen Messer geschnitten waren, wirkten gleichfalls so ein, wie irgend welche andere animale Substanzen. Ich athmete länger als eine Minute auf einige Blätter und wiederholte dies zwei oder drei Male, wobei ich meinen Mund dicht an ihnen hielt, brachte aber keine Wirkung hervor. Ich will hier noch als Beweis, dasz die Blätter nicht durch den Geruch stickstoffhaltiger Sub- stanzen beeinfluszt werden, hinzufügen, dasz Stückchen rohen Fleisches auf Nadeln so dicht als möglich an mehreren Blättern, aber ohne wirkliche Berührung be- festigt wurden, dasz dies aber durchaus gar keine Wirkung hervorbrachte. Andrer- seits verursachen, wie wir später sehen werden, die Dämpfe gewisser flüchtiger Sub- stanzen und Flüssigkeiten, so z. B. kohlensaures Ammoniak, Chloroform, gewisse ätherische Oele, Einbiegung. Ziegler macht in Bezug auf die Wirkung animaler Substanzen, welche dicht an, aber nicht in Berührung mit schwefelsaurem Chinin gelassen wurden, auf diese Substanz noch auszerordentlichere Angaben. Die Wir- kung von Chininsalzen wird in einem spätern Capitel geschildert werden. Seit dem Erscheinen des oben erwähnten Aufsatzes hat Ziegler ein Buch über den- selben Gegenstand veröffentlicht unter dem Titel: „Atonicité et Zoicité‟, 1874.

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/35>, abgerufen am 29.03.2024.