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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Drosera rotundifolia. Cap. 2.
noch gewöhnlicher Glastheilchen, Kohlenasche (aus dem Feuer genom-
men), Steine, Gold-Blättchen, getrocknetes Gras, Kork, Löschpapier,
Watte und Haar, welches in kleine Kugeln gedreht war, gebraucht,
und diese Substanzen, obgleich sie manchmal ganz gut umfaszt waren,
verursachten oft gar keine oder nur eine äuszerst unbedeutende und
langsame Bewegung in den äuszeren Tentakeln. Doch wurde nach-
gewiesen, dasz diese selben Blätter in thätigem Zustand waren, da sie
durch Substanzen, welche lösliche stickstoffhaltige Substanzen darboten,
zum Bewegen gereizt wurden, wie durch Stückchen rohen oder ge-
bratenen Fleisches, durch Dotter oder das Weisze von gekochten Eiern,
Stückchen von Insecten aller Ordnungen, Spinnen u. s. w. Ich will
blosz zwei Beispiele anführen. Auf die Scheiben von mehreren Blät-
tern wurden sehr kleine Fliegen gelegt, auf andere Papierkügelchen,
Stückchen Moos und Federkiel von ungefähr derselben Grösze wie die
Fliegen; diese Fliegen waren nun in wenigen Stunden fest umfaszt;
während nach 25 Stunden nur sehr wenige Tentakeln über die andern
Gegenstände eingebogen waren. Die Stückchen Papier, Moos und Kiel
wurden dann von diesen Blättern entfernt und Stückchen rohen Fleisches
darauf gelegt; und nun wurden bald alle Tentakeln energisch einge-
bogen.

Ferner wurden Theile von Kohlenasche (welche etwas mehr wogen
als die Fliegen, die im letzten Experiment angewandt worden waren)
auf die Mitte von drei Blättern gethan: nach Verlauf von 19 Stunden
war eines der Theilchen ziemlich fest umfaszt, das zweite von sehr
wenig Tentakeln und das dritte von gar keinem. Ich entfernte darauf
die Theilchen von den zwei letzten Blättern und that frisch getödtete
Fliegen darauf. Diese waren nach 71/2 Stunden ziemlich fest umfaszt
und nach 201/2 Stunden ganz ordentlich; die Tentakeln blieben viele
Tage lang eingebogen. Auf der andern Seite war das eine Blatt, wel-
ches in der Zeit von 19 Stunden das Stückchen Asche mäszig gut
umfaszt hatte und welchem keine Fliege gegeben worden war, nach
33 weiteren Stunden, (d. h. in 52 Stunden von der Zeit an, wo die
Asche aufgelegt worden war) vollständig wieder ausgebreitet und zu
neuer Thätigkeit bereit.

Aus diesen und zahlreichen anderen Experimenten, die des Er-
wähnens nicht werth sind, läszt sich als gewisz ableiten, dasz un-
organische Substanzen oder solche organische Substanzen, die von der
Absonderung nicht angegriffen werden, viel weniger schnell und wirk-

Drosera rotundifolia. Cap. 2.
noch gewöhnlicher Glastheilchen, Kohlenasche (aus dem Feuer genom-
men), Steine, Gold-Blättchen, getrocknetes Gras, Kork, Löschpapier,
Watte und Haar, welches in kleine Kugeln gedreht war, gebraucht,
und diese Substanzen, obgleich sie manchmal ganz gut umfaszt waren,
verursachten oft gar keine oder nur eine äuszerst unbedeutende und
langsame Bewegung in den äuszeren Tentakeln. Doch wurde nach-
gewiesen, dasz diese selben Blätter in thätigem Zustand waren, da sie
durch Substanzen, welche lösliche stickstoffhaltige Substanzen darboten,
zum Bewegen gereizt wurden, wie durch Stückchen rohen oder ge-
bratenen Fleisches, durch Dotter oder das Weisze von gekochten Eiern,
Stückchen von Insecten aller Ordnungen, Spinnen u. s. w. Ich will
blosz zwei Beispiele anführen. Auf die Scheiben von mehreren Blät-
tern wurden sehr kleine Fliegen gelegt, auf andere Papierkügelchen,
Stückchen Moos und Federkiel von ungefähr derselben Grösze wie die
Fliegen; diese Fliegen waren nun in wenigen Stunden fest umfaszt;
während nach 25 Stunden nur sehr wenige Tentakeln über die andern
Gegenstände eingebogen waren. Die Stückchen Papier, Moos und Kiel
wurden dann von diesen Blättern entfernt und Stückchen rohen Fleisches
darauf gelegt; und nun wurden bald alle Tentakeln energisch einge-
bogen.

Ferner wurden Theile von Kohlenasche (welche etwas mehr wogen
als die Fliegen, die im letzten Experiment angewandt worden waren)
auf die Mitte von drei Blättern gethan: nach Verlauf von 19 Stunden
war eines der Theilchen ziemlich fest umfaszt, das zweite von sehr
wenig Tentakeln und das dritte von gar keinem. Ich entfernte darauf
die Theilchen von den zwei letzten Blättern und that frisch getödtete
Fliegen darauf. Diese waren nach 7½ Stunden ziemlich fest umfaszt
und nach 20½ Stunden ganz ordentlich; die Tentakeln blieben viele
Tage lang eingebogen. Auf der andern Seite war das eine Blatt, wel-
ches in der Zeit von 19 Stunden das Stückchen Asche mäszig gut
umfaszt hatte und welchem keine Fliege gegeben worden war, nach
33 weiteren Stunden, (d. h. in 52 Stunden von der Zeit an, wo die
Asche aufgelegt worden war) vollständig wieder ausgebreitet und zu
neuer Thätigkeit bereit.

Aus diesen und zahlreichen anderen Experimenten, die des Er-
wähnens nicht werth sind, läszt sich als gewisz ableiten, dasz un-
organische Substanzen oder solche organische Substanzen, die von der
Absonderung nicht angegriffen werden, viel weniger schnell und wirk-

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[20/0034] Drosera rotundifolia. Cap. 2. noch gewöhnlicher Glastheilchen, Kohlenasche (aus dem Feuer genom- men), Steine, Gold-Blättchen, getrocknetes Gras, Kork, Löschpapier, Watte und Haar, welches in kleine Kugeln gedreht war, gebraucht, und diese Substanzen, obgleich sie manchmal ganz gut umfaszt waren, verursachten oft gar keine oder nur eine äuszerst unbedeutende und langsame Bewegung in den äuszeren Tentakeln. Doch wurde nach- gewiesen, dasz diese selben Blätter in thätigem Zustand waren, da sie durch Substanzen, welche lösliche stickstoffhaltige Substanzen darboten, zum Bewegen gereizt wurden, wie durch Stückchen rohen oder ge- bratenen Fleisches, durch Dotter oder das Weisze von gekochten Eiern, Stückchen von Insecten aller Ordnungen, Spinnen u. s. w. Ich will blosz zwei Beispiele anführen. Auf die Scheiben von mehreren Blät- tern wurden sehr kleine Fliegen gelegt, auf andere Papierkügelchen, Stückchen Moos und Federkiel von ungefähr derselben Grösze wie die Fliegen; diese Fliegen waren nun in wenigen Stunden fest umfaszt; während nach 25 Stunden nur sehr wenige Tentakeln über die andern Gegenstände eingebogen waren. Die Stückchen Papier, Moos und Kiel wurden dann von diesen Blättern entfernt und Stückchen rohen Fleisches darauf gelegt; und nun wurden bald alle Tentakeln energisch einge- bogen. Ferner wurden Theile von Kohlenasche (welche etwas mehr wogen als die Fliegen, die im letzten Experiment angewandt worden waren) auf die Mitte von drei Blättern gethan: nach Verlauf von 19 Stunden war eines der Theilchen ziemlich fest umfaszt, das zweite von sehr wenig Tentakeln und das dritte von gar keinem. Ich entfernte darauf die Theilchen von den zwei letzten Blättern und that frisch getödtete Fliegen darauf. Diese waren nach 7½ Stunden ziemlich fest umfaszt und nach 20½ Stunden ganz ordentlich; die Tentakeln blieben viele Tage lang eingebogen. Auf der andern Seite war das eine Blatt, wel- ches in der Zeit von 19 Stunden das Stückchen Asche mäszig gut umfaszt hatte und welchem keine Fliege gegeben worden war, nach 33 weiteren Stunden, (d. h. in 52 Stunden von der Zeit an, wo die Asche aufgelegt worden war) vollständig wieder ausgebreitet und zu neuer Thätigkeit bereit. Aus diesen und zahlreichen anderen Experimenten, die des Er- wähnens nicht werth sind, läszt sich als gewisz ableiten, dasz un- organische Substanzen oder solche organische Substanzen, die von der Absonderung nicht angegriffen werden, viel weniger schnell und wirk-

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/34>, abgerufen am 20.04.2024.