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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Cap. 2. Reizung der Drüsen.
licher Weise zwei Fliegen gefangen und sich daher schon ein oder
wahrscheinlicher zwei Mal geschlossen und wieder geöffnet hatte, eine
frische Fliege: in 7 Stunden war sie mäszig und in 21 Stunden durch-
aus fest umfaszt, wobei die Ränder des Blattes eingebogen waren.
In zwei und einem halben Tag hatte sich das Blatt beinahe ganz wie-
der ausgebreitet; da der reizende Gegenstand ein Insect war, so war
diese ungewöhnlich kurze Periode der Einbiegung ohne Zweifel Folge
davon, dasz das Blatt erst kürzlich in Thätigkeit gewesen war. Ich
gestattete diesem selben Blatt, nur einen Tag auszuruhen und that
dann eine andere Fliege darauf; es schlosz sich wieder, aber jetzt sehr
langsam; demohngeachtet gelang es ihm, in weniger als zwei Tagen
die Fliege vollkommen zu umfassen.

Wenn ein kleiner Gegenstand auf die Drüsen der Scheibe auf der
einen Seite des Blattes und so nahe wie möglich seiner Peripherie ge-
bracht wird, so werden die Tentakeln auf dieser Seite zuerst afficirt,
die auf der andern Seite viel später oder gar nicht, wie es häufig vor-
kommt. Dies wurde wiederholt durch Versuche mit Stückchen Fleisch
bestätigt; aber ich will hier nur den Fall von einer kleinen Fliege an-
führen, die auf natürlichem Wege gefangen und noch lebendig war,
und die ich mit ihren zarten Füszen an den Drüsen auf der äuszersten
linken Seite der mittleren Scheibe ankleben fand. Die randständigen
Tentakeln auf dieser Seite schlossen sich nach innen und tödteten die
Fliege und nach einiger Zeit wurde sogar der Rand des Blattes auf
dieser Seite eingebogen und blieb mehrere Tage so, während weder
die Tentakeln, noch der Rand auf der entgegengesetzten Seite nur im
geringsten afficirt waren.

Wenn junge und lebendige Blätter ausgesucht werden, so ver-
ursachen zuweilen unorganische Theile, nicht gröszer wie ein Steck-
nadelkopf, wenn sie auf die mittleren Drüsen gethan werden, eine Bie-
gung der äuszeren Tentakeln nach innen. Aber dies erfolgt viel sich-
rer und schneller, wenn der Gegenstand stickstoffhaltige Substanz ent-
hält, welche durch die Absonderung aufgelöst werden kann. Bei einer
Gelegenheit beobachtete ich den folgenden ungewöhnlichen Umstand.
Kleine Stückchen rohen Fleisches (welches viel energischer wirkte als
irgend eine andere Substanz), Stückchen Papier, getrocknetes Moos
und Schnittchen von einem Federkiel wurden auf mehrere Blätter ge-
legt und sie waren sämmtlich in zwei Stunden gleich gut umfaszt.
Bei andern Gelegenheiten wurden die oben erwähnten Substanzen, oder

2*

Cap. 2. Reizung der Drüsen.
licher Weise zwei Fliegen gefangen und sich daher schon ein oder
wahrscheinlicher zwei Mal geschlossen und wieder geöffnet hatte, eine
frische Fliege: in 7 Stunden war sie mäszig und in 21 Stunden durch-
aus fest umfaszt, wobei die Ränder des Blattes eingebogen waren.
In zwei und einem halben Tag hatte sich das Blatt beinahe ganz wie-
der ausgebreitet; da der reizende Gegenstand ein Insect war, so war
diese ungewöhnlich kurze Periode der Einbiegung ohne Zweifel Folge
davon, dasz das Blatt erst kürzlich in Thätigkeit gewesen war. Ich
gestattete diesem selben Blatt, nur einen Tag auszuruhen und that
dann eine andere Fliege darauf; es schlosz sich wieder, aber jetzt sehr
langsam; demohngeachtet gelang es ihm, in weniger als zwei Tagen
die Fliege vollkommen zu umfassen.

Wenn ein kleiner Gegenstand auf die Drüsen der Scheibe auf der
einen Seite des Blattes und so nahe wie möglich seiner Peripherie ge-
bracht wird, so werden die Tentakeln auf dieser Seite zuerst afficirt,
die auf der andern Seite viel später oder gar nicht, wie es häufig vor-
kommt. Dies wurde wiederholt durch Versuche mit Stückchen Fleisch
bestätigt; aber ich will hier nur den Fall von einer kleinen Fliege an-
führen, die auf natürlichem Wege gefangen und noch lebendig war,
und die ich mit ihren zarten Füszen an den Drüsen auf der äuszersten
linken Seite der mittleren Scheibe ankleben fand. Die randständigen
Tentakeln auf dieser Seite schlossen sich nach innen und tödteten die
Fliege und nach einiger Zeit wurde sogar der Rand des Blattes auf
dieser Seite eingebogen und blieb mehrere Tage so, während weder
die Tentakeln, noch der Rand auf der entgegengesetzten Seite nur im
geringsten afficirt waren.

Wenn junge und lebendige Blätter ausgesucht werden, so ver-
ursachen zuweilen unorganische Theile, nicht gröszer wie ein Steck-
nadelkopf, wenn sie auf die mittleren Drüsen gethan werden, eine Bie-
gung der äuszeren Tentakeln nach innen. Aber dies erfolgt viel sich-
rer und schneller, wenn der Gegenstand stickstoffhaltige Substanz ent-
hält, welche durch die Absonderung aufgelöst werden kann. Bei einer
Gelegenheit beobachtete ich den folgenden ungewöhnlichen Umstand.
Kleine Stückchen rohen Fleisches (welches viel energischer wirkte als
irgend eine andere Substanz), Stückchen Papier, getrocknetes Moos
und Schnittchen von einem Federkiel wurden auf mehrere Blätter ge-
legt und sie waren sämmtlich in zwei Stunden gleich gut umfaszt.
Bei andern Gelegenheiten wurden die oben erwähnten Substanzen, oder

2*
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[19/0033] Cap. 2. Reizung der Drüsen. licher Weise zwei Fliegen gefangen und sich daher schon ein oder wahrscheinlicher zwei Mal geschlossen und wieder geöffnet hatte, eine frische Fliege: in 7 Stunden war sie mäszig und in 21 Stunden durch- aus fest umfaszt, wobei die Ränder des Blattes eingebogen waren. In zwei und einem halben Tag hatte sich das Blatt beinahe ganz wie- der ausgebreitet; da der reizende Gegenstand ein Insect war, so war diese ungewöhnlich kurze Periode der Einbiegung ohne Zweifel Folge davon, dasz das Blatt erst kürzlich in Thätigkeit gewesen war. Ich gestattete diesem selben Blatt, nur einen Tag auszuruhen und that dann eine andere Fliege darauf; es schlosz sich wieder, aber jetzt sehr langsam; demohngeachtet gelang es ihm, in weniger als zwei Tagen die Fliege vollkommen zu umfassen. Wenn ein kleiner Gegenstand auf die Drüsen der Scheibe auf der einen Seite des Blattes und so nahe wie möglich seiner Peripherie ge- bracht wird, so werden die Tentakeln auf dieser Seite zuerst afficirt, die auf der andern Seite viel später oder gar nicht, wie es häufig vor- kommt. Dies wurde wiederholt durch Versuche mit Stückchen Fleisch bestätigt; aber ich will hier nur den Fall von einer kleinen Fliege an- führen, die auf natürlichem Wege gefangen und noch lebendig war, und die ich mit ihren zarten Füszen an den Drüsen auf der äuszersten linken Seite der mittleren Scheibe ankleben fand. Die randständigen Tentakeln auf dieser Seite schlossen sich nach innen und tödteten die Fliege und nach einiger Zeit wurde sogar der Rand des Blattes auf dieser Seite eingebogen und blieb mehrere Tage so, während weder die Tentakeln, noch der Rand auf der entgegengesetzten Seite nur im geringsten afficirt waren. Wenn junge und lebendige Blätter ausgesucht werden, so ver- ursachen zuweilen unorganische Theile, nicht gröszer wie ein Steck- nadelkopf, wenn sie auf die mittleren Drüsen gethan werden, eine Bie- gung der äuszeren Tentakeln nach innen. Aber dies erfolgt viel sich- rer und schneller, wenn der Gegenstand stickstoffhaltige Substanz ent- hält, welche durch die Absonderung aufgelöst werden kann. Bei einer Gelegenheit beobachtete ich den folgenden ungewöhnlichen Umstand. Kleine Stückchen rohen Fleisches (welches viel energischer wirkte als irgend eine andere Substanz), Stückchen Papier, getrocknetes Moos und Schnittchen von einem Federkiel wurden auf mehrere Blätter ge- legt und sie waren sämmtlich in zwei Stunden gleich gut umfaszt. Bei andern Gelegenheiten wurden die oben erwähnten Substanzen, oder 2*

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/33>, abgerufen am 23.04.2024.