Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Drosera rotundifolia. Cap. 2.
indirect gereizt, weil nicht direct auf ihre eignen Drüsen eingewirkt
wird. Der Reiz, welcher von den Drüsen auf der Scheibe ausgeht,
wirkt auf den sich biegenden Theil der äuszeren Tentakeln in der Nähe
ihrer Basis und geht nicht erst (wie später bewiesen werden soll) die
Stiele hinauf zu den Drüsen, um von da nach der sich biegenden Stelle
zurück gesandt zu werden. Demohngeachtet geht doch ein gewisser
Einflusz hinauf zu den Drüsen, welcher dieselben veranlaszt, reichlicher
abzusondern, und welcher die Absonderung sauer macht. Diese letz-
tere Thatsache ist, glaube ich, ganz neu in der Physiologie der Pflan-
zen; es ist in der That erst neuerdings ermittelt worden, dasz im
Thierreich den Nerven entlang ein Reiz Drüsen übermittelt werden
kann, welcher deren Kraft abzusondern unabhängig von dem Zustande
der Blutgefäsze modificirt.

Die Einbiegung der äuszeren Tentakeln in Folge der Reizung der Drüsen auf der
Scheibe durch wiederholtes Berühren oder durch Gegenstände, die in Berührung
mit ihnen gelassen werden.

Die mittleren Drüsen eines Blattes wurden vermittelst eines kleinen
steifen Pinsels von Kameelhaaren gereizt und in 70 Minuten waren
mehrere der äuszersten Tentakeln eingebogen; am nächsten Morgen
waren sie nach einer Zwischenzeit von 22 Stunden wieder vollständig
ausgestreckt. In allen folgenden Fällen wird die Periode von der Zeit
der ersten Reizung an gerechnet. Ein anderes Blatt, welches auf die-
selbe Art behandelt wurde, hatte in 20 Minuten einige wenige Ten-
takeln eingebogen; in vier Stunden waren alle dem Rande nahe stehen-
den und einige der äuszersten randständigen Tentakeln sowohl als der
Rand des Blattes selbst eingebogen; in 17 Stunden hatten sie ihre
gewöhnliche gestreckte Stellung wieder erlangt. Ich legte dann eine
todte Fliege auf die Mitte des zuletzt erwähnten Blattes, und am
nächsten Morgen war sie dicht umfaszt. Fünf Tage später war das
Blatt wieder ausgebreitet und die Tentakeln mit ihren von Absonde-
rung umgebenen Drüsen waren von Neuem zu handeln bereit.

Stückchen von Fleisch, todte Fliegen, Stückchen Papier, Holz,
getrocknetes Moos, Schwamm, Kohle, Glas u. s. f. wurden wiederholt
auf Blätter gelegt und alle diese Gegenstände waren in verschieden
langer Zeit, von 1 Stunde bis zu 24 Stunden, ordentlich umfaszt und
in einem oder zwei bis zu sieben oder selbst zehn Tagen, je nach der
Natur des Gegenstandes, wieder frei gelassen und das Blatt wieder
vollständig ausgebreitet. Ich legte auf ein Blatt, welches in natür-

Drosera rotundifolia. Cap. 2.
indirect gereizt, weil nicht direct auf ihre eignen Drüsen eingewirkt
wird. Der Reiz, welcher von den Drüsen auf der Scheibe ausgeht,
wirkt auf den sich biegenden Theil der äuszeren Tentakeln in der Nähe
ihrer Basis und geht nicht erst (wie später bewiesen werden soll) die
Stiele hinauf zu den Drüsen, um von da nach der sich biegenden Stelle
zurück gesandt zu werden. Demohngeachtet geht doch ein gewisser
Einflusz hinauf zu den Drüsen, welcher dieselben veranlaszt, reichlicher
abzusondern, und welcher die Absonderung sauer macht. Diese letz-
tere Thatsache ist, glaube ich, ganz neu in der Physiologie der Pflan-
zen; es ist in der That erst neuerdings ermittelt worden, dasz im
Thierreich den Nerven entlang ein Reiz Drüsen übermittelt werden
kann, welcher deren Kraft abzusondern unabhängig von dem Zustande
der Blutgefäsze modificirt.

Die Einbiegung der äuszeren Tentakeln in Folge der Reizung der Drüsen auf der
Scheibe durch wiederholtes Berühren oder durch Gegenstände, die in Berührung
mit ihnen gelassen werden.

Die mittleren Drüsen eines Blattes wurden vermittelst eines kleinen
steifen Pinsels von Kameelhaaren gereizt und in 70 Minuten waren
mehrere der äuszersten Tentakeln eingebogen; am nächsten Morgen
waren sie nach einer Zwischenzeit von 22 Stunden wieder vollständig
ausgestreckt. In allen folgenden Fällen wird die Periode von der Zeit
der ersten Reizung an gerechnet. Ein anderes Blatt, welches auf die-
selbe Art behandelt wurde, hatte in 20 Minuten einige wenige Ten-
takeln eingebogen; in vier Stunden waren alle dem Rande nahe stehen-
den und einige der äuszersten randständigen Tentakeln sowohl als der
Rand des Blattes selbst eingebogen; in 17 Stunden hatten sie ihre
gewöhnliche gestreckte Stellung wieder erlangt. Ich legte dann eine
todte Fliege auf die Mitte des zuletzt erwähnten Blattes, und am
nächsten Morgen war sie dicht umfaszt. Fünf Tage später war das
Blatt wieder ausgebreitet und die Tentakeln mit ihren von Absonde-
rung umgebenen Drüsen waren von Neuem zu handeln bereit.

Stückchen von Fleisch, todte Fliegen, Stückchen Papier, Holz,
getrocknetes Moos, Schwamm, Kohle, Glas u. s. f. wurden wiederholt
auf Blätter gelegt und alle diese Gegenstände waren in verschieden
langer Zeit, von 1 Stunde bis zu 24 Stunden, ordentlich umfaszt und
in einem oder zwei bis zu sieben oder selbst zehn Tagen, je nach der
Natur des Gegenstandes, wieder frei gelassen und das Blatt wieder
vollständig ausgebreitet. Ich legte auf ein Blatt, welches in natür-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0032" n="18"/><fw place="top" type="header">Drosera rotundifolia. Cap. 2.</fw><lb/>
indirect gereizt, weil nicht direct auf ihre eignen Drüsen eingewirkt<lb/>
wird. Der Reiz, welcher von den Drüsen auf der Scheibe ausgeht,<lb/>
wirkt auf den sich biegenden Theil der äuszeren Tentakeln in der Nähe<lb/>
ihrer Basis und geht nicht erst (wie später bewiesen werden soll) die<lb/>
Stiele hinauf zu den Drüsen, um von da nach der sich biegenden Stelle<lb/>
zurück gesandt zu werden. Demohngeachtet geht doch ein gewisser<lb/>
Einflusz hinauf zu den Drüsen, welcher dieselben veranlaszt, reichlicher<lb/>
abzusondern, und welcher die Absonderung sauer macht. Diese letz-<lb/>
tere Thatsache ist, glaube ich, ganz neu in der Physiologie der Pflan-<lb/>
zen; es ist in der That erst neuerdings ermittelt worden, dasz im<lb/>
Thierreich den Nerven entlang ein Reiz Drüsen übermittelt werden<lb/>
kann, welcher deren Kraft abzusondern unabhängig von dem Zustande<lb/>
der Blutgefäsze modificirt.</p><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Die Einbiegung der äuszeren Tentakeln in Folge der Reizung der Drüsen auf der<lb/>
Scheibe durch wiederholtes Berühren oder durch Gegenstände, die in Berührung<lb/>
mit ihnen gelassen werden.</hi> </head><lb/>
          <p>Die mittleren Drüsen eines Blattes wurden vermittelst eines kleinen<lb/>
steifen Pinsels von Kameelhaaren gereizt und in 70 Minuten waren<lb/>
mehrere der äuszersten Tentakeln eingebogen; am nächsten Morgen<lb/>
waren sie nach einer Zwischenzeit von 22 Stunden wieder vollständig<lb/>
ausgestreckt. In allen folgenden Fällen wird die Periode von der Zeit<lb/>
der ersten Reizung an gerechnet. Ein anderes Blatt, welches auf die-<lb/>
selbe Art behandelt wurde, hatte in 20 Minuten einige wenige Ten-<lb/>
takeln eingebogen; in vier Stunden waren alle dem Rande nahe stehen-<lb/>
den und einige der äuszersten randständigen Tentakeln sowohl als der<lb/>
Rand des Blattes selbst eingebogen; in 17 Stunden hatten sie ihre<lb/>
gewöhnliche gestreckte Stellung wieder erlangt. Ich legte dann eine<lb/>
todte Fliege auf die Mitte des zuletzt erwähnten Blattes, und am<lb/>
nächsten Morgen war sie dicht umfaszt. Fünf Tage später war das<lb/>
Blatt wieder ausgebreitet und die Tentakeln mit ihren von Absonde-<lb/>
rung umgebenen Drüsen waren von Neuem zu handeln bereit.</p><lb/>
          <p>Stückchen von Fleisch, todte Fliegen, Stückchen Papier, Holz,<lb/>
getrocknetes Moos, Schwamm, Kohle, Glas u. s. f. wurden wiederholt<lb/>
auf Blätter gelegt und alle diese Gegenstände waren in verschieden<lb/>
langer Zeit, von 1 Stunde bis zu 24 Stunden, ordentlich umfaszt und<lb/>
in einem oder zwei bis zu sieben oder selbst zehn Tagen, je nach der<lb/>
Natur des Gegenstandes, wieder frei gelassen und das Blatt wieder<lb/>
vollständig ausgebreitet. Ich legte auf ein Blatt, welches in natür-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0032] Drosera rotundifolia. Cap. 2. indirect gereizt, weil nicht direct auf ihre eignen Drüsen eingewirkt wird. Der Reiz, welcher von den Drüsen auf der Scheibe ausgeht, wirkt auf den sich biegenden Theil der äuszeren Tentakeln in der Nähe ihrer Basis und geht nicht erst (wie später bewiesen werden soll) die Stiele hinauf zu den Drüsen, um von da nach der sich biegenden Stelle zurück gesandt zu werden. Demohngeachtet geht doch ein gewisser Einflusz hinauf zu den Drüsen, welcher dieselben veranlaszt, reichlicher abzusondern, und welcher die Absonderung sauer macht. Diese letz- tere Thatsache ist, glaube ich, ganz neu in der Physiologie der Pflan- zen; es ist in der That erst neuerdings ermittelt worden, dasz im Thierreich den Nerven entlang ein Reiz Drüsen übermittelt werden kann, welcher deren Kraft abzusondern unabhängig von dem Zustande der Blutgefäsze modificirt. Die Einbiegung der äuszeren Tentakeln in Folge der Reizung der Drüsen auf der Scheibe durch wiederholtes Berühren oder durch Gegenstände, die in Berührung mit ihnen gelassen werden. Die mittleren Drüsen eines Blattes wurden vermittelst eines kleinen steifen Pinsels von Kameelhaaren gereizt und in 70 Minuten waren mehrere der äuszersten Tentakeln eingebogen; am nächsten Morgen waren sie nach einer Zwischenzeit von 22 Stunden wieder vollständig ausgestreckt. In allen folgenden Fällen wird die Periode von der Zeit der ersten Reizung an gerechnet. Ein anderes Blatt, welches auf die- selbe Art behandelt wurde, hatte in 20 Minuten einige wenige Ten- takeln eingebogen; in vier Stunden waren alle dem Rande nahe stehen- den und einige der äuszersten randständigen Tentakeln sowohl als der Rand des Blattes selbst eingebogen; in 17 Stunden hatten sie ihre gewöhnliche gestreckte Stellung wieder erlangt. Ich legte dann eine todte Fliege auf die Mitte des zuletzt erwähnten Blattes, und am nächsten Morgen war sie dicht umfaszt. Fünf Tage später war das Blatt wieder ausgebreitet und die Tentakeln mit ihren von Absonde- rung umgebenen Drüsen waren von Neuem zu handeln bereit. Stückchen von Fleisch, todte Fliegen, Stückchen Papier, Holz, getrocknetes Moos, Schwamm, Kohle, Glas u. s. f. wurden wiederholt auf Blätter gelegt und alle diese Gegenstände waren in verschieden langer Zeit, von 1 Stunde bis zu 24 Stunden, ordentlich umfaszt und in einem oder zwei bis zu sieben oder selbst zehn Tagen, je nach der Natur des Gegenstandes, wieder frei gelassen und das Blatt wieder vollständig ausgebreitet. Ich legte auf ein Blatt, welches in natür-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/32
Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/32>, abgerufen am 21.11.2024.