strebt, dasz es die directe Wirkung des Camphers verstärkt. Campher- dämpfe wirken andererseits narcotisch.
Einige ätherische Öle verursachen sowohl in Auflösung als auch in Dampfform rapide Einbiegung, andere haben dies Vermögen nicht; diejenigen, welche ich versuchte, waren sämmtlich giftig.
Verdünnter Alkohol (ein Theil auf sieben Theile Wasser) ist nicht giftig, bewirkt keine Einbiegung und vermehrt auch nicht die Empfind- lichkeit der Blätter für mechanische Reizung. Der Dampf wirkt als Narcoticum oder anaesthetisch, und ein langes Aussetzen tödtet die Blätter.
Die Dämpfe von Chloroform, Schwefel- und Salpeter-Äther wir- ken in einer eigenthümlich schwankenden Weise auf verschiedene Blätter und selbst auf die verschiedenen Tentakeln an einem und demselben Blatte. Dies ist, wie ich vermuthe, Folge von Verschieden- heiten des Alters oder der Constitution der Blätter, und auch des Umstandes, ob gewisse Tentakeln vor Kurzem thätig gewesen sind. Dasz diese Dämpfe von den Drüsen absorbirt werden, beweist ihre Farbenveränderung, da aber auch andere, nicht mit Drüsen versehene Pflanzen von diesen Dämpfen afficirt werden, so ist es wahrscheinlich, dasz sie auch von den Spaltöffnungen der Drosera absorbirt werden. Zuweilen regen sie auszerordentlich rapide Einbiegung an, doch ist dies kein ausnahmsloses Resultat. Läszt man sie selbst eine mäszig lange Zeit einwirken, so tödten sie die Blätter, während eine nur eine kurze Zeit lang einwirkende kleine Dosis als narcotisches oder anaesthetisches Mittel wirkt. In diesem Falle werden die Tentakeln, mögen sie nun eingebogen worden sein oder nicht, durch auf die Drüsen gelegte Stückchen Fleisch nicht eher zu weiterer Bewegung angeregt, als bis nach Ablauf beträchtlicher Zeit. Man nimmt allge- mein an, dasz diese Dämpfe bei Thieren und Pflanzen dadurch wirken, dasz sie die Oxydation unterbrechen.
Wurden die Blätter 2 Stunden lang, in einem Falle nur 45 Mi- nuten lang der Kohlensäure ausgesetzt, so wurden dadurch die Drü- sen gleichfalls für eine Zeitlang gegen den mächtigen Reiz rohen Fleisches unempfindlich gemacht. Wurden indesz die Blätter 24 oder 48 Stunden in der Luft gelassen, so erhielten sie ihre volle Thätig- keit wieder und schienen nicht im mindesten beschädigt zu sein. Wir haben im dritten Capitel gesehen, dasz der Procesz des Zu- sammenballens bei Blättern, welche 2 Stunden lang diesem Gase
Drosera rotundifolia. Cap. 9.
strebt, dasz es die directe Wirkung des Camphers verstärkt. Campher- dämpfe wirken andererseits narcotisch.
Einige ätherische Öle verursachen sowohl in Auflösung als auch in Dampfform rapide Einbiegung, andere haben dies Vermögen nicht; diejenigen, welche ich versuchte, waren sämmtlich giftig.
Verdünnter Alkohol (ein Theil auf sieben Theile Wasser) ist nicht giftig, bewirkt keine Einbiegung und vermehrt auch nicht die Empfind- lichkeit der Blätter für mechanische Reizung. Der Dampf wirkt als Narcoticum oder anaesthetisch, und ein langes Aussetzen tödtet die Blätter.
Die Dämpfe von Chloroform, Schwefel- und Salpeter-Äther wir- ken in einer eigenthümlich schwankenden Weise auf verschiedene Blätter und selbst auf die verschiedenen Tentakeln an einem und demselben Blatte. Dies ist, wie ich vermuthe, Folge von Verschieden- heiten des Alters oder der Constitution der Blätter, und auch des Umstandes, ob gewisse Tentakeln vor Kurzem thätig gewesen sind. Dasz diese Dämpfe von den Drüsen absorbirt werden, beweist ihre Farbenveränderung, da aber auch andere, nicht mit Drüsen versehene Pflanzen von diesen Dämpfen afficirt werden, so ist es wahrscheinlich, dasz sie auch von den Spaltöffnungen der Drosera absorbirt werden. Zuweilen regen sie auszerordentlich rapide Einbiegung an, doch ist dies kein ausnahmsloses Resultat. Läszt man sie selbst eine mäszig lange Zeit einwirken, so tödten sie die Blätter, während eine nur eine kurze Zeit lang einwirkende kleine Dosis als narcotisches oder anaesthetisches Mittel wirkt. In diesem Falle werden die Tentakeln, mögen sie nun eingebogen worden sein oder nicht, durch auf die Drüsen gelegte Stückchen Fleisch nicht eher zu weiterer Bewegung angeregt, als bis nach Ablauf beträchtlicher Zeit. Man nimmt allge- mein an, dasz diese Dämpfe bei Thieren und Pflanzen dadurch wirken, dasz sie die Oxydation unterbrechen.
Wurden die Blätter 2 Stunden lang, in einem Falle nur 45 Mi- nuten lang der Kohlensäure ausgesetzt, so wurden dadurch die Drü- sen gleichfalls für eine Zeitlang gegen den mächtigen Reiz rohen Fleisches unempfindlich gemacht. Wurden indesz die Blätter 24 oder 48 Stunden in der Luft gelassen, so erhielten sie ihre volle Thätig- keit wieder und schienen nicht im mindesten beschädigt zu sein. Wir haben im dritten Capitel gesehen, dasz der Procesz des Zu- sammenballens bei Blättern, welche 2 Stunden lang diesem Gase
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Drosera rotundifolia. Cap. 9.
strebt, dasz es die directe Wirkung des Camphers verstärkt. Campher-
dämpfe wirken andererseits narcotisch.
Einige ätherische Öle verursachen sowohl in Auflösung als auch
in Dampfform rapide Einbiegung, andere haben dies Vermögen nicht;
diejenigen, welche ich versuchte, waren sämmtlich giftig.
Verdünnter Alkohol (ein Theil auf sieben Theile Wasser) ist nicht
giftig, bewirkt keine Einbiegung und vermehrt auch nicht die Empfind-
lichkeit der Blätter für mechanische Reizung. Der Dampf wirkt als
Narcoticum oder anaesthetisch, und ein langes Aussetzen tödtet die
Blätter.
Die Dämpfe von Chloroform, Schwefel- und Salpeter-Äther wir-
ken in einer eigenthümlich schwankenden Weise auf verschiedene
Blätter und selbst auf die verschiedenen Tentakeln an einem und
demselben Blatte. Dies ist, wie ich vermuthe, Folge von Verschieden-
heiten des Alters oder der Constitution der Blätter, und auch des
Umstandes, ob gewisse Tentakeln vor Kurzem thätig gewesen sind.
Dasz diese Dämpfe von den Drüsen absorbirt werden, beweist ihre
Farbenveränderung, da aber auch andere, nicht mit Drüsen versehene
Pflanzen von diesen Dämpfen afficirt werden, so ist es wahrscheinlich,
dasz sie auch von den Spaltöffnungen der Drosera absorbirt werden.
Zuweilen regen sie auszerordentlich rapide Einbiegung an, doch ist
dies kein ausnahmsloses Resultat. Läszt man sie selbst eine mäszig
lange Zeit einwirken, so tödten sie die Blätter, während eine nur
eine kurze Zeit lang einwirkende kleine Dosis als narcotisches oder
anaesthetisches Mittel wirkt. In diesem Falle werden die Tentakeln,
mögen sie nun eingebogen worden sein oder nicht, durch auf die
Drüsen gelegte Stückchen Fleisch nicht eher zu weiterer Bewegung
angeregt, als bis nach Ablauf beträchtlicher Zeit. Man nimmt allge-
mein an, dasz diese Dämpfe bei Thieren und Pflanzen dadurch wirken,
dasz sie die Oxydation unterbrechen.
Wurden die Blätter 2 Stunden lang, in einem Falle nur 45 Mi-
nuten lang der Kohlensäure ausgesetzt, so wurden dadurch die Drü-
sen gleichfalls für eine Zeitlang gegen den mächtigen Reiz rohen
Fleisches unempfindlich gemacht. Wurden indesz die Blätter 24 oder
48 Stunden in der Luft gelassen, so erhielten sie ihre volle Thätig-
keit wieder und schienen nicht im mindesten beschädigt zu sein.
Wir haben im dritten Capitel gesehen, dasz der Procesz des Zu-
sammenballens bei Blättern, welche 2 Stunden lang diesem Gase
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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/220>, abgerufen am 30.11.2024.
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