Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 9. Zusammenfassung des Capitels.
war. Andererseits waren bei Blättern, welche 48 Stunden lang einer
starken Auflösung des Giftes der Brillenschlange ausgesetzt gewesen
waren, die protoplasmatischen Massen ungewöhnlich lebendig, während
bei höheren Thieren die Flimmerhaare und die weiszen Blutkörper-
chen von dieser Substanz schnell gelähmt zu werden scheinen.

Bei den Salzen der Alkalien und Erden bestimmt die Natur der
Basis und nicht die der Säure ihre physiologische Wirkung auf Dro-
sera,
wie es gleichfalls bei Thieren der Fall ist; diese Regel ist aber
kaum auf die Chinin- und Strychnin-Salze anwendbar; denn das essig-
saure Chinin verursacht viel mehr Einbiegung als das schwefelsaure,
und beide sind giftig, während das salpetersaure Chinin nicht giftig
ist und Einbiegung in einem viel langsamern Tempo veranlaszt als
das essigsaure. Die Wirkung des citronensaureu Strychnins ist gleich-
falls von der des schwefelsauren etwas verschieden.

Auf Blätter, welche 24 Stunden lang in Wasser oder nur 20
Minuten lang in verdünnten Alkohol oder in eine schwache Zucker-
lösung eingetaucht gewesen waren, wirkt später das phosphorsaure
Ammoniak sehr langsam ein oder gar nicht, obschon das kohlensaure
Ammoniak schnell auf dieselben wirkt. Ein 20 Minuten langes Ein-
tauchen in eine Lösung von arabischem Gummi hat keinen derartigen
verzögernden Einflusz. Die Lösungen gewisser Salze und Säuren
afficiren die Blätter, in Bezug auf die spätere Einwirkung des phos-
phorsauren Ammoniaks, genau so wie Wasser, während andere das
Phosphat nachher schnell und energisch wirken lassen. In diesem
letztern Falle könnten die Zwischenräume in den Zellwandungen durch
Molecule der zuerst in Lösung angewandten Salze verstopft sein, so
dasz das Wasser später nicht eindringen könnte, trotzdem die Mole-
cule des Phosphates und noch leichter die des kohlensauren Salzes es
thun könnten.

Die Wirkung von in Wasser aufgelöstem Campher ist merkwür-
dig, denn er veranlaszt nicht blosz bald Einbiegung, sondern macht
auch allem Anscheine nach die Drüsen äuszerst empfindlich für
mechanische Reizung; denn wenn sie nach einem Eintauchen in die
Lösung für kurze Zeit mit einem weichen Pinsel bestrichen werden,
so fangen die Tentakeln in ungefähr zwei Minuten an sich zu biegen.
Es könnte indessen sein, dasz das Bepinseln, obschon an und für sich
kein hinreichender Reiz, doch eine Bewegung dadurch zu erregen

Cap. 9. Zusammenfassung des Capitels.
war. Andererseits waren bei Blättern, welche 48 Stunden lang einer
starken Auflösung des Giftes der Brillenschlange ausgesetzt gewesen
waren, die protoplasmatischen Massen ungewöhnlich lebendig, während
bei höheren Thieren die Flimmerhaare und die weiszen Blutkörper-
chen von dieser Substanz schnell gelähmt zu werden scheinen.

Bei den Salzen der Alkalien und Erden bestimmt die Natur der
Basis und nicht die der Säure ihre physiologische Wirkung auf Dro-
sera,
wie es gleichfalls bei Thieren der Fall ist; diese Regel ist aber
kaum auf die Chinin- und Strychnin-Salze anwendbar; denn das essig-
saure Chinin verursacht viel mehr Einbiegung als das schwefelsaure,
und beide sind giftig, während das salpetersaure Chinin nicht giftig
ist und Einbiegung in einem viel langsamern Tempo veranlaszt als
das essigsaure. Die Wirkung des citronensaureu Strychnins ist gleich-
falls von der des schwefelsauren etwas verschieden.

Auf Blätter, welche 24 Stunden lang in Wasser oder nur 20
Minuten lang in verdünnten Alkohol oder in eine schwache Zucker-
lösung eingetaucht gewesen waren, wirkt später das phosphorsaure
Ammoniak sehr langsam ein oder gar nicht, obschon das kohlensaure
Ammoniak schnell auf dieselben wirkt. Ein 20 Minuten langes Ein-
tauchen in eine Lösung von arabischem Gummi hat keinen derartigen
verzögernden Einflusz. Die Lösungen gewisser Salze und Säuren
afficiren die Blätter, in Bezug auf die spätere Einwirkung des phos-
phorsauren Ammoniaks, genau so wie Wasser, während andere das
Phosphat nachher schnell und energisch wirken lassen. In diesem
letztern Falle könnten die Zwischenräume in den Zellwandungen durch
Molecule der zuerst in Lösung angewandten Salze verstopft sein, so
dasz das Wasser später nicht eindringen könnte, trotzdem die Mole-
cule des Phosphates und noch leichter die des kohlensauren Salzes es
thun könnten.

Die Wirkung von in Wasser aufgelöstem Campher ist merkwür-
dig, denn er veranlaszt nicht blosz bald Einbiegung, sondern macht
auch allem Anscheine nach die Drüsen äuszerst empfindlich für
mechanische Reizung; denn wenn sie nach einem Eintauchen in die
Lösung für kurze Zeit mit einem weichen Pinsel bestrichen werden,
so fangen die Tentakeln in ungefähr zwei Minuten an sich zu biegen.
Es könnte indessen sein, dasz das Bepinseln, obschon an und für sich
kein hinreichender Reiz, doch eine Bewegung dadurch zu erregen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0219" n="205"/><fw place="top" type="header">Cap. 9. Zusammenfassung des Capitels.</fw><lb/>
war. Andererseits waren bei Blättern, welche 48 Stunden lang einer<lb/>
starken Auflösung des Giftes der Brillenschlange ausgesetzt gewesen<lb/>
waren, die protoplasmatischen Massen ungewöhnlich lebendig, während<lb/>
bei höheren Thieren die Flimmerhaare und die weiszen Blutkörper-<lb/>
chen von dieser Substanz schnell gelähmt zu werden scheinen.</p><lb/>
        <p>Bei den Salzen der Alkalien und Erden bestimmt die Natur der<lb/>
Basis und nicht die der Säure ihre physiologische Wirkung auf <hi rendition="#i">Dro-<lb/>
sera,</hi> wie es gleichfalls bei Thieren der Fall ist; diese Regel ist aber<lb/>
kaum auf die Chinin- und Strychnin-Salze anwendbar; denn das essig-<lb/>
saure Chinin verursacht viel mehr Einbiegung als das schwefelsaure,<lb/>
und beide sind giftig, während das salpetersaure Chinin nicht giftig<lb/>
ist und Einbiegung in einem viel langsamern Tempo veranlaszt als<lb/>
das essigsaure. Die Wirkung des citronensaureu Strychnins ist gleich-<lb/>
falls von der des schwefelsauren etwas verschieden.</p><lb/>
        <p>Auf Blätter, welche 24 Stunden lang in Wasser oder nur 20<lb/>
Minuten lang in verdünnten Alkohol oder in eine schwache Zucker-<lb/>
lösung eingetaucht gewesen waren, wirkt später das phosphorsaure<lb/>
Ammoniak sehr langsam ein oder gar nicht, obschon das kohlensaure<lb/>
Ammoniak schnell auf dieselben wirkt. Ein 20 Minuten langes Ein-<lb/>
tauchen in eine Lösung von arabischem Gummi hat keinen derartigen<lb/>
verzögernden Einflusz. Die Lösungen gewisser Salze und Säuren<lb/>
afficiren die Blätter, in Bezug auf die spätere Einwirkung des phos-<lb/>
phorsauren Ammoniaks, genau so wie Wasser, während andere das<lb/>
Phosphat nachher schnell und energisch wirken lassen. In diesem<lb/>
letztern Falle könnten die Zwischenräume in den Zellwandungen durch<lb/>
Molecule der zuerst in Lösung angewandten Salze verstopft sein, so<lb/>
dasz das Wasser später nicht eindringen könnte, trotzdem die Mole-<lb/>
cule des Phosphates und noch leichter die des kohlensauren Salzes es<lb/>
thun könnten.</p><lb/>
        <p>Die Wirkung von in Wasser aufgelöstem Campher ist merkwür-<lb/>
dig, denn er veranlaszt nicht blosz bald Einbiegung, sondern macht<lb/>
auch allem Anscheine nach die Drüsen äuszerst empfindlich für<lb/>
mechanische Reizung; denn wenn sie nach einem Eintauchen in die<lb/>
Lösung für kurze Zeit mit einem weichen Pinsel bestrichen werden,<lb/>
so fangen die Tentakeln in ungefähr zwei Minuten an sich zu biegen.<lb/>
Es könnte indessen sein, dasz das Bepinseln, obschon an und für sich<lb/>
kein hinreichender Reiz, doch eine Bewegung dadurch zu erregen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0219] Cap. 9. Zusammenfassung des Capitels. war. Andererseits waren bei Blättern, welche 48 Stunden lang einer starken Auflösung des Giftes der Brillenschlange ausgesetzt gewesen waren, die protoplasmatischen Massen ungewöhnlich lebendig, während bei höheren Thieren die Flimmerhaare und die weiszen Blutkörper- chen von dieser Substanz schnell gelähmt zu werden scheinen. Bei den Salzen der Alkalien und Erden bestimmt die Natur der Basis und nicht die der Säure ihre physiologische Wirkung auf Dro- sera, wie es gleichfalls bei Thieren der Fall ist; diese Regel ist aber kaum auf die Chinin- und Strychnin-Salze anwendbar; denn das essig- saure Chinin verursacht viel mehr Einbiegung als das schwefelsaure, und beide sind giftig, während das salpetersaure Chinin nicht giftig ist und Einbiegung in einem viel langsamern Tempo veranlaszt als das essigsaure. Die Wirkung des citronensaureu Strychnins ist gleich- falls von der des schwefelsauren etwas verschieden. Auf Blätter, welche 24 Stunden lang in Wasser oder nur 20 Minuten lang in verdünnten Alkohol oder in eine schwache Zucker- lösung eingetaucht gewesen waren, wirkt später das phosphorsaure Ammoniak sehr langsam ein oder gar nicht, obschon das kohlensaure Ammoniak schnell auf dieselben wirkt. Ein 20 Minuten langes Ein- tauchen in eine Lösung von arabischem Gummi hat keinen derartigen verzögernden Einflusz. Die Lösungen gewisser Salze und Säuren afficiren die Blätter, in Bezug auf die spätere Einwirkung des phos- phorsauren Ammoniaks, genau so wie Wasser, während andere das Phosphat nachher schnell und energisch wirken lassen. In diesem letztern Falle könnten die Zwischenräume in den Zellwandungen durch Molecule der zuerst in Lösung angewandten Salze verstopft sein, so dasz das Wasser später nicht eindringen könnte, trotzdem die Mole- cule des Phosphates und noch leichter die des kohlensauren Salzes es thun könnten. Die Wirkung von in Wasser aufgelöstem Campher ist merkwür- dig, denn er veranlaszt nicht blosz bald Einbiegung, sondern macht auch allem Anscheine nach die Drüsen äuszerst empfindlich für mechanische Reizung; denn wenn sie nach einem Eintauchen in die Lösung für kurze Zeit mit einem weichen Pinsel bestrichen werden, so fangen die Tentakeln in ungefähr zwei Minuten an sich zu biegen. Es könnte indessen sein, dasz das Bepinseln, obschon an und für sich kein hinreichender Reiz, doch eine Bewegung dadurch zu erregen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/219
Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/219>, abgerufen am 02.05.2024.