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Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673.

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Vom Gewalt der Schlüssel.
auff zweyer oder dreyer Zeugen Munde. Hievon nun zu Gottes
Ehre/ und unserer Lehre etwas weniges zu handlen/ wolle uns Christus
JEsus der sanfftmüthige mit der Gnade seines H. Geistes mildiglich
erscheinen! Amen.

JN vorhabender Betrachtung haben wir/ M. L. drey Stuck zu
mercken: 1. Morbum, die Sünde und Fehler. Solche ist
abermahl/ wie offt erwehnet worden/ nicht scandalum publicum,
eine gemeine offentliche Aergernuß. Dann auff denselben Grind gehö-
ret eine andere Lauge; nicht menschliche Schwachheit/ sondern mutua por-
tatio,
gutwillige Vertragung. Der melancholicus ist dem sanguineo
verdrießlich/ der unsittige und unartige dem sittigen/ der stille dem red-
sprächigen/ der fröliche dem traurigen/ der sparsame dem Verthuner/ der
phlegmatische und faule dem muntern und arbei[t]samen. Da meinet
mancher/ es müsse jederman seyn wie er ist/ da es doch weder in ihm ist/
noch auß ihm kommt. Da heißt es/ ein jeder trage des andern Last/ der
schnelle und zornwege den langsamen und trägen/ hingegen dieser jenen/
schreibet Theophyl. in c. 6. Dahin gehöret das Exempel der Hirsche
bey Augustino in Ps. 129. Qui non patiuntur naufragium, quia quasi
navis est illis charitas,
die keinen Schiffbruch leiden/ weil ihnen die Liebe
an statt eines Schiffs ist. Welches sonderlich denen zuthun/ so beysam-
men wohnen müssen/ miteinander heben und legen/ absonderlich in der
Ehe. Socrates hatte ein böses Weib/ Xantippe genant/ welche/ wann
er studierte/ einen Hader anfieng/ und den Tisch umwarff. Als ihn der
edle Alcibiades fragte/ wie ers doch so lang vertragen könte? gab er zur
Antwort: Wer Eyer essen will/ muß sich der Hüner Gaxen nicht irren
lassen. Zu Hauß muß man Gedult lernen/ und sich darauß üben. Jm
gegentheil war Monica/ Augustini Mutter/ eine edele Tugend-Cron/
wie ihr Sohn von ihr zenget l. 9. confess. c. 9. die ihren erzürnten Mann
auch nicht mit einem Wort beleidiget/ sondern denselben gelobet/ und an-
dere Weiber dergleichen zu thun angehalten.

Sondern es wird verstanden scandalum privatum privatae injuriae,
non audientiae & ptimae instantiae
ein geheimes sonderliches Aer-
gernuß/ auff dessen Gegenwehr man nichts geben wil/ und sich
halsstarrig widersetzt. Dahin dann sonderlich gehören 1. Scandala
religionis,
Lehr-Aergernuß und Jrrthum derer/ die mit irriger falscher
Religion angestecket seynd/ und von welchen Gefahr vorhanden/ daß auch
noch andere dadurch möchten verführet werden/ wie dann der Krebs bald

um

Vom Gewalt der Schluͤſſel.
auff zweyer oder dreyer Zeugen Munde. Hievon nun zu Gottes
Ehre/ und unſerer Lehre etwas weniges zu handlen/ wolle uns Chriſtus
JEſus der ſanfftmuͤthige mit der Gnade ſeines H. Geiſtes mildiglich
erſcheinen! Amen.

JN vorhabender Betrachtung haben wir/ M. L. drey Stuck zu
mercken: 1. Morbum, die Suͤnde und Fehler. Solche iſt
abermahl/ wie offt erwehnet worden/ nicht ſcandalum publicum,
eine gemeine offentliche Aergernuß. Dann auff denſelben Grind gehoͤ-
ret eine andere Lauge; nicht menſchliche Schwachheit/ ſondern mutua por-
tatio,
gutwillige Vertragung. Der melancholicus iſt dem ſanguineo
verdrießlich/ der unſittige und unartige dem ſittigen/ der ſtille dem red-
ſpraͤchigen/ der froͤliche dem traurigen/ der ſparſame dem Verthuner/ der
phlegmatiſche und faule dem muntern und arbei[t]ſamen. Da meinet
mancher/ es muͤſſe jederman ſeyn wie er iſt/ da es doch weder in ihm iſt/
noch auß ihm kommt. Da heißt es/ ein jeder trage des andern Laſt/ der
ſchnelle und zornwege den langſamen und traͤgen/ hingegen dieſer jenen/
ſchreibet Theophyl. in c. 6. Dahin gehoͤret das Exempel der Hirſche
bey Auguſtino in Pſ. 129. Qui non patiuntur naufragium, quia quaſi
navis eſt illis charitas,
die keinen Schiffbruch leiden/ weil ihnen die Liebe
an ſtatt eines Schiffs iſt. Welches ſonderlich denen zuthun/ ſo beyſam-
men wohnen muͤſſen/ miteinander heben und legen/ abſonderlich in der
Ehe. Socrates hatte ein boͤſes Weib/ Xantippe genant/ welche/ wann
er ſtudierte/ einen Hader anfieng/ und den Tiſch umwarff. Als ihn der
edle Alcibiades fragte/ wie ers doch ſo lang vertragen koͤnte? gab er zur
Antwort: Wer Eyer eſſen will/ muß ſich der Huͤner Gaxen nicht irꝛen
laſſen. Zu Hauß muß man Gedult lernen/ und ſich darauß uͤben. Jm
gegentheil war Monica/ Auguſtini Mutter/ eine edele Tugend-Cron/
wie ihr Sohn von ihr zenget l. 9. confeſſ. c. 9. die ihren erzuͤrnten Mann
auch nicht mit einem Wort beleidiget/ ſondern denſelben gelobet/ und an-
dere Weiber dergleichen zu thun angehalten.

Sondern es wird verſtanden ſcandalum privatum privatæ injuriæ,
non audientiæ & ptimæ inſtantiæ
ein geheimes ſonderliches Aer-
gernuß/ auff deſſen Gegenwehr man nichts geben wil/ und ſich
halsſtarrig widerſetzt. Dahin dann ſonderlich gehoͤren 1. Scandala
religionis,
Lehr-Aergernuß und Jrꝛthum derer/ die mit irriger falſcher
Religion angeſtecket ſeynd/ und von welchen Gefahr vorhanden/ daß auch
noch andere dadurch moͤchten verfuͤhret werden/ wie dann der Krebs bald

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[287/0305] Vom Gewalt der Schluͤſſel. auff zweyer oder dreyer Zeugen Munde. Hievon nun zu Gottes Ehre/ und unſerer Lehre etwas weniges zu handlen/ wolle uns Chriſtus JEſus der ſanfftmuͤthige mit der Gnade ſeines H. Geiſtes mildiglich erſcheinen! Amen. JN vorhabender Betrachtung haben wir/ M. L. drey Stuck zu mercken: 1. Morbum, die Suͤnde und Fehler. Solche iſt abermahl/ wie offt erwehnet worden/ nicht ſcandalum publicum, eine gemeine offentliche Aergernuß. Dann auff denſelben Grind gehoͤ- ret eine andere Lauge; nicht menſchliche Schwachheit/ ſondern mutua por- tatio, gutwillige Vertragung. Der melancholicus iſt dem ſanguineo verdrießlich/ der unſittige und unartige dem ſittigen/ der ſtille dem red- ſpraͤchigen/ der froͤliche dem traurigen/ der ſparſame dem Verthuner/ der phlegmatiſche und faule dem muntern und arbeitſamen. Da meinet mancher/ es muͤſſe jederman ſeyn wie er iſt/ da es doch weder in ihm iſt/ noch auß ihm kommt. Da heißt es/ ein jeder trage des andern Laſt/ der ſchnelle und zornwege den langſamen und traͤgen/ hingegen dieſer jenen/ ſchreibet Theophyl. in c. 6. Dahin gehoͤret das Exempel der Hirſche bey Auguſtino in Pſ. 129. Qui non patiuntur naufragium, quia quaſi navis eſt illis charitas, die keinen Schiffbruch leiden/ weil ihnen die Liebe an ſtatt eines Schiffs iſt. Welches ſonderlich denen zuthun/ ſo beyſam- men wohnen muͤſſen/ miteinander heben und legen/ abſonderlich in der Ehe. Socrates hatte ein boͤſes Weib/ Xantippe genant/ welche/ wann er ſtudierte/ einen Hader anfieng/ und den Tiſch umwarff. Als ihn der edle Alcibiades fragte/ wie ers doch ſo lang vertragen koͤnte? gab er zur Antwort: Wer Eyer eſſen will/ muß ſich der Huͤner Gaxen nicht irꝛen laſſen. Zu Hauß muß man Gedult lernen/ und ſich darauß uͤben. Jm gegentheil war Monica/ Auguſtini Mutter/ eine edele Tugend-Cron/ wie ihr Sohn von ihr zenget l. 9. confeſſ. c. 9. die ihren erzuͤrnten Mann auch nicht mit einem Wort beleidiget/ ſondern denſelben gelobet/ und an- dere Weiber dergleichen zu thun angehalten. Sondern es wird verſtanden ſcandalum privatum privatæ injuriæ, non audientiæ & ptimæ inſtantiæ ein geheimes ſonderliches Aer- gernuß/ auff deſſen Gegenwehr man nichts geben wil/ und ſich halsſtarrig widerſetzt. Dahin dann ſonderlich gehoͤren 1. Scandala religionis, Lehr-Aergernuß und Jrꝛthum derer/ die mit irriger falſcher Religion angeſtecket ſeynd/ und von welchen Gefahr vorhanden/ daß auch noch andere dadurch moͤchten verfuͤhret werden/ wie dann der Krebs bald um

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Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673/305>, abgerufen am 23.11.2024.