Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Ein und zwantzigste Predigt
gen/ Matth. 20. an den murrenden Last-Trägern und willigen Gnaden-
Dienern/ und hier am verlohrnen Sohn und seinem Bruder. Deren der
eine ein typus und Bild der Bußfertigen Sünder/ die nach menschlicher
Meynung die letzten/ aber nach dem Rath GOttes die ersten seind; Der
andere aber ein Bild der verworffenen unbußfertigen Sünder. Sprich-
stu: sagt doch der Vater zu dem murrenden und zornigen Bruder; alles/
was ich habe/ ist dein. Antwort: er redet von dem vorhergehenden
Willen/ und mit Beding/ wann er auch wird hinein gehen/ und sich mit
freuen/ wann er dem Beruff und der Einladung folgen wird; wo nicht/
so soll er das Erb-Recht verlohren haben/ und als ein Kind des Reichs
außgestossen werden. Das ist der Blick/ den uns Christus in GOttes
Rath-Stub thun laßt/ und uns lehret/ welches die Außerwehlten/ und wel-
ches die Verworffenen seind: nemlich/ jene die letzten/ diese die ersten. Die
verlohrne Söhne/ die Buße thun/ und im Glauben verharren/ seind primi,
die ersten und Außerwehlten. Die grosse Heiligen aber/ die der Buße nicht
bedörffen/ ihre unsägliche Fehler nicht erkennen/ seind blind/ gerecht in
ihrem Sinn/ stoltz und hochmüthig/ die seind reprobi, die verworffene und
letzte. Wie ein mancher wird noch heutiges tages köstlich zur Erde bestat-
tet/ bekommt/ ex judicio charitatis, nach dem Urtheil und Regul der Liebe/
eine stattliche Leich-Predigt und parentation, aber er ist novissimus, der
letzten einer. Ein anderer wird mit Spott nnd Schande zum Galgen hin-
auß geführet/ thut aber Buße/ und erkennet seine Sünde/ der gehöret unter
die primos und Ersten. Die alten Kirchen-Lehrer führen von diesem
Geheimnuß sehrschöne Gedancken/ die wohl werth zu proponiren. Quam
multae oves foris, quam multi lupi intus?
spricht August. tract. 45. in Joh,
Wievielseynd von aussen Schaaffe/ und wieviel seynd inwen-
dig Wölffe? Quos scit DEUS in bono mansuros, frequenter sunt
mali; & quos scit malos permansuros, aliquando sunt boni, Ambros.
in c. 9. Rom.
das ist. Die GOtt weiß/ daß sie im guten verharren
werden/ seind offt Gottloß; und die im Bösen verharren wer-
den/ seind bißweilen fromm. Gregor. M. l. 34, moral. 8. Quicun-
que boni in aeternum futuri sunt, etsi ad tempus mali sint, non zizania
sed triticum sunt in praescientia DEI; & qui ante humanos oculos quasi
aurum singularitate Justitiae splendere videbantur, sed sic cadunt, ut non
poeniteat, ante DEI oculos nunquam aurum sed lutum fuerunt.
das ist/
Welche immer werden fromm bleiben/ ob sie schon zuweilen
Gottloß seyn/ die seynd vor GOttes Augen kein Unkraut/

sondern

Die Ein und zwantzigſte Predigt
gen/ Matth. 20. an den murrenden Laſt-Traͤgern und willigen Gnaden-
Dienern/ und hier am verlohrnen Sohn und ſeinem Bruder. Deren der
eine ein typus und Bild der Bußfertigen Suͤnder/ die nach menſchlicher
Meynung die letzten/ aber nach dem Rath GOttes die erſten ſeind; Der
andere aber ein Bild der verworffenen unbußfertigen Suͤnder. Sprich-
ſtu: ſagt doch der Vater zu dem murrenden und zornigen Bruder; alles/
was ich habe/ iſt dein. Antwort: er redet von dem vorhergehenden
Willen/ und mit Beding/ wann er auch wird hinein gehen/ und ſich mit
freuen/ wann er dem Beruff und der Einladung folgen wird; wo nicht/
ſo ſoll er das Erb-Recht verlohren haben/ und als ein Kind des Reichs
außgeſtoſſen werden. Das iſt der Blick/ den uns Chriſtus in GOttes
Rath-Stub thun laßt/ und uns lehret/ welches die Außerwehlten/ und wel-
ches die Verworffenen ſeind: nemlich/ jene die letzten/ dieſe die erſten. Die
verlohrne Soͤhne/ die Buße thun/ und im Glauben verharren/ ſeind primi,
die erſten und Außerwehlten. Die groſſe Heiligen aber/ die der Buße nicht
bedoͤrffen/ ihre unſaͤgliche Fehler nicht erkennen/ ſeind blind/ gerecht in
ihrem Sinn/ ſtoltz und hochmuͤthig/ die ſeind reprobi, die verworffene und
letzte. Wie ein mancher wird noch heutiges tages koͤſtlich zur Erde beſtat-
tet/ bekommt/ ex judicio charitatis, nach dem Urtheil und Regul der Liebe/
eine ſtattliche Leich-Predigt und parentation, aber er iſt noviſſimus, der
letzten einer. Ein anderer wird mit Spott nnd Schande zum Galgen hin-
auß gefuͤhret/ thut aber Buße/ und erkennet ſeine Suͤnde/ der gehoͤret unter
die primos und Erſten. Die alten Kirchen-Lehrer fuͤhren von dieſem
Geheimnuß ſehrſchoͤne Gedancken/ die wohl werth zu proponiren. Quàm
multæ oves foris, quàm multi lupi intus?
ſpricht Auguſt. tract. 45. in Joh,
Wievielſeynd von auſſen Schaaffe/ und wieviel ſeynd inwen-
dig Woͤlffe? Quos ſcit DEUS in bono manſuros, frequenter ſunt
mali; & quos ſcit malos permanſuros, aliquando ſunt boni, Ambroſ.
in c. 9. Rom.
das iſt. Die GOtt weiß/ daß ſie im guten verharren
werden/ ſeind offt Gottloß; und die im Boͤſen verharren wer-
den/ ſeind bißweilen fromm. Gregor. M. l. 34, moral. 8. Quicun-
que boni in æternum futuri ſunt, etſi ad tempus mali ſint, non zizania
ſed triticum ſunt in præſcientia DEI; & qui ante humanos oculos quaſi
aurum ſingularitate Juſtitiæ ſplendere videbantur, ſed ſic cadunt, ut non
pœniteat, ante DEI oculos nunquam aurum ſed lutum fuerunt.
das iſt/
Welche immer werden fromm bleiben/ ob ſie ſchon zuweilen
Gottloß ſeyn/ die ſeynd vor GOttes Augen kein Unkraut/

ſondern
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0202" n="184"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Ein und zwantzig&#x017F;te Predigt</hi></fw><lb/>
gen/ Matth. 20. an den murrenden La&#x017F;t-Tra&#x0364;gern und willigen Gnaden-<lb/>
Dienern/ und hier am verlohrnen Sohn und &#x017F;einem Bruder. Deren der<lb/>
eine ein <hi rendition="#aq">typus</hi> und Bild der Bußfertigen Su&#x0364;nder/ die nach men&#x017F;chlicher<lb/>
Meynung die letzten/ aber nach dem Rath GOttes die er&#x017F;ten &#x017F;eind; Der<lb/>
andere aber ein Bild der verworffenen unbußfertigen Su&#x0364;nder. Sprich-<lb/>
&#x017F;tu: &#x017F;agt doch der Vater zu dem murrenden und zornigen Bruder; alles/<lb/>
was ich habe/ i&#x017F;t dein. Antwort: er redet von dem vorhergehenden<lb/>
Willen/ und mit Beding/ wann er auch wird hinein gehen/ und &#x017F;ich mit<lb/>
freuen/ wann er dem Beruff und der Einladung folgen wird; wo nicht/<lb/>
&#x017F;o &#x017F;oll er das Erb-Recht verlohren haben/ und als ein Kind des Reichs<lb/>
außge&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en werden. Das i&#x017F;t der Blick/ den uns Chri&#x017F;tus in GOttes<lb/>
Rath-Stub thun laßt/ und uns lehret/ welches die Außerwehlten/ und wel-<lb/>
ches die Verworffenen &#x017F;eind: nemlich/ jene die letzten/ die&#x017F;e die er&#x017F;ten. Die<lb/>
verlohrne So&#x0364;hne/ die Buße thun/ und im Glauben verharren/ &#x017F;eind <hi rendition="#aq">primi,</hi><lb/>
die er&#x017F;ten und Außerwehlten. Die gro&#x017F;&#x017F;e Heiligen aber/ die der Buße nicht<lb/>
bedo&#x0364;rffen/ ihre un&#x017F;a&#x0364;gliche Fehler nicht erkennen/ &#x017F;eind blind/ gerecht in<lb/>
ihrem Sinn/ &#x017F;toltz und hochmu&#x0364;thig/ die &#x017F;eind <hi rendition="#aq">reprobi,</hi> die verworffene und<lb/>
letzte. Wie ein mancher wird noch heutiges tages ko&#x0364;&#x017F;tlich zur Erde be&#x017F;tat-<lb/>
tet/ bekommt/ <hi rendition="#aq">ex judicio charitatis,</hi> nach dem Urtheil und Regul der Liebe/<lb/>
eine &#x017F;tattliche Leich-Predigt und <hi rendition="#aq">parentation,</hi> aber er i&#x017F;t <hi rendition="#aq">novi&#x017F;&#x017F;imus,</hi> der<lb/>
letzten einer. Ein anderer wird mit Spott nnd Schande zum Galgen hin-<lb/>
auß gefu&#x0364;hret/ thut aber Buße/ und erkennet &#x017F;eine Su&#x0364;nde/ der geho&#x0364;ret unter<lb/>
die <hi rendition="#aq">primos</hi> und Er&#x017F;ten. Die alten Kirchen-Lehrer fu&#x0364;hren von die&#x017F;em<lb/>
Geheimnuß &#x017F;ehr&#x017F;cho&#x0364;ne Gedancken/ die wohl werth zu <hi rendition="#aq">proponi</hi>ren. <hi rendition="#aq">Quàm<lb/>
multæ oves foris, quàm multi lupi intus?</hi> &#x017F;pricht <hi rendition="#aq">Augu&#x017F;t. tract. 45. in Joh,</hi><lb/>
Wieviel&#x017F;eynd von au&#x017F;&#x017F;en Schaaffe/ und wieviel &#x017F;eynd inwen-<lb/>
dig Wo&#x0364;lffe<hi rendition="#fr">?</hi> <hi rendition="#aq">Quos &#x017F;cit DEUS in bono man&#x017F;uros, frequenter &#x017F;unt<lb/>
mali; &amp; quos &#x017F;cit malos perman&#x017F;uros, aliquando &#x017F;unt boni, Ambro&#x017F;.<lb/>
in c. 9. Rom.</hi> das i&#x017F;t. Die GOtt weiß/ daß &#x017F;ie im guten verharren<lb/>
werden/ &#x017F;eind offt Gottloß; und die im Bo&#x0364;&#x017F;en verharren wer-<lb/>
den/ &#x017F;eind bißweilen fromm. <hi rendition="#aq">Gregor. M. l. 34, moral. 8. Quicun-<lb/>
que boni in æternum futuri &#x017F;unt, et&#x017F;i ad tempus mali &#x017F;int, non zizania<lb/>
&#x017F;ed triticum &#x017F;unt in præ&#x017F;cientia DEI; &amp; qui ante humanos oculos qua&#x017F;i<lb/>
aurum &#x017F;ingularitate Ju&#x017F;titiæ &#x017F;plendere videbantur, &#x017F;ed &#x017F;ic cadunt, ut non<lb/>
p&#x0153;niteat, ante DEI oculos nunquam aurum &#x017F;ed lutum fuerunt.</hi> das i&#x017F;t/<lb/>
Welche immer werden fromm bleiben/ ob &#x017F;ie &#x017F;chon zuweilen<lb/>
Gottloß &#x017F;eyn/ die &#x017F;eynd vor GOttes Augen kein Unkraut/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ondern</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[184/0202] Die Ein und zwantzigſte Predigt gen/ Matth. 20. an den murrenden Laſt-Traͤgern und willigen Gnaden- Dienern/ und hier am verlohrnen Sohn und ſeinem Bruder. Deren der eine ein typus und Bild der Bußfertigen Suͤnder/ die nach menſchlicher Meynung die letzten/ aber nach dem Rath GOttes die erſten ſeind; Der andere aber ein Bild der verworffenen unbußfertigen Suͤnder. Sprich- ſtu: ſagt doch der Vater zu dem murrenden und zornigen Bruder; alles/ was ich habe/ iſt dein. Antwort: er redet von dem vorhergehenden Willen/ und mit Beding/ wann er auch wird hinein gehen/ und ſich mit freuen/ wann er dem Beruff und der Einladung folgen wird; wo nicht/ ſo ſoll er das Erb-Recht verlohren haben/ und als ein Kind des Reichs außgeſtoſſen werden. Das iſt der Blick/ den uns Chriſtus in GOttes Rath-Stub thun laßt/ und uns lehret/ welches die Außerwehlten/ und wel- ches die Verworffenen ſeind: nemlich/ jene die letzten/ dieſe die erſten. Die verlohrne Soͤhne/ die Buße thun/ und im Glauben verharren/ ſeind primi, die erſten und Außerwehlten. Die groſſe Heiligen aber/ die der Buße nicht bedoͤrffen/ ihre unſaͤgliche Fehler nicht erkennen/ ſeind blind/ gerecht in ihrem Sinn/ ſtoltz und hochmuͤthig/ die ſeind reprobi, die verworffene und letzte. Wie ein mancher wird noch heutiges tages koͤſtlich zur Erde beſtat- tet/ bekommt/ ex judicio charitatis, nach dem Urtheil und Regul der Liebe/ eine ſtattliche Leich-Predigt und parentation, aber er iſt noviſſimus, der letzten einer. Ein anderer wird mit Spott nnd Schande zum Galgen hin- auß gefuͤhret/ thut aber Buße/ und erkennet ſeine Suͤnde/ der gehoͤret unter die primos und Erſten. Die alten Kirchen-Lehrer fuͤhren von dieſem Geheimnuß ſehrſchoͤne Gedancken/ die wohl werth zu proponiren. Quàm multæ oves foris, quàm multi lupi intus? ſpricht Auguſt. tract. 45. in Joh, Wievielſeynd von auſſen Schaaffe/ und wieviel ſeynd inwen- dig Woͤlffe? Quos ſcit DEUS in bono manſuros, frequenter ſunt mali; & quos ſcit malos permanſuros, aliquando ſunt boni, Ambroſ. in c. 9. Rom. das iſt. Die GOtt weiß/ daß ſie im guten verharren werden/ ſeind offt Gottloß; und die im Boͤſen verharren wer- den/ ſeind bißweilen fromm. Gregor. M. l. 34, moral. 8. Quicun- que boni in æternum futuri ſunt, etſi ad tempus mali ſint, non zizania ſed triticum ſunt in præſcientia DEI; & qui ante humanos oculos quaſi aurum ſingularitate Juſtitiæ ſplendere videbantur, ſed ſic cadunt, ut non pœniteat, ante DEI oculos nunquam aurum ſed lutum fuerunt. das iſt/ Welche immer werden fromm bleiben/ ob ſie ſchon zuweilen Gottloß ſeyn/ die ſeynd vor GOttes Augen kein Unkraut/ ſondern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673/202
Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673/202>, abgerufen am 27.05.2024.