Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673.Vom verlohrnen Sohn. zuliessen. In specie und insonderheit die Pharisäer und Schrifftgelehr-ten/ als der Außschuß des heiligen Volcks/ rechte prodromi und Vor- läuffer der Novatianer/ die bildeten ihnen nicht nur für den Heyden/ für Zöllnern und Sündern ein grosses prae ein/ liessen sich beduncken/ sie/ als die Last-Träger/ die des Tages Last und Hitze getragen/ seyen die primi, die Ersten fornen dran/ sie seyen die recht gerechte und heilige Leute. Was sollen die Heyden/ die Gottlosen Zöllner und Sünder ins Himmelreich kommen? das sey ferne/ GOtt müßte nicht gerecht seyen. Derowegen hielten sie nichts auff Christum/ argumentirten und schlossen also: Wer sich der Zöllner und Sünder annimmt/ der ist nicht der rechte Messias; Christus thut solches/ darum ist er nicht der rechte Messias. Euer Lieb fasse es in Gleichnüssen: Num. 12. lesen wir/ daß Aaron und Miriam wider Mosen geredet um seines Weibes willen/ darum daß er eine Mörin zum Weib genommen hatte/ nemlich eine frem- de und schwartze/ das solte ihrer Meinung nach nicht seyn: So mur- reten auch die Juden und Pharisäer wider Christum/ daß er sich der Hey- den und der schwartzen Sünder angenommen. Wann im alten Testam. ein polygamus zwey Weiber genommen/ so hat gemeiniglich die erste die andere gehasset und angefeindet; also feindeten die Juden die Heyden an/ da sich Christus ihrer annahm. Die Zöllner und Sünder naheten sich zu ihm/ esan eggizontes, sie trangen auff ihn zu/ ein jeder wolte der nächste und liebste seyn/ aber die Schrifftgelehrten und Pharisäer kunten es nicht leyden/ murreten deßwegen darüber. Das war eben dazumal die Ur- sach und Gelegenheit auff die Parabel. Aber was lehret Christus ex arcano Patris sinu, auß dem Schoß gen
Vom verlohrnen Sohn. zulieſſen. In ſpecie und inſonderheit die Phariſaͤer und Schrifftgelehr-ten/ als der Außſchuß des heiligen Volcks/ rechte prodromi und Vor- laͤuffer der Novatianer/ die bildeten ihnen nicht nur fuͤr den Heyden/ fuͤr Zoͤllnern und Suͤndern ein groſſes præ ein/ lieſſen ſich beduncken/ ſie/ als die Laſt-Traͤger/ die des Tages Laſt und Hitze getragen/ ſeyen die primi, die Erſten fornen dran/ ſie ſeyen die recht gerechte und heilige Leute. Was ſollen die Heyden/ die Gottloſen Zoͤllner und Suͤnder ins Himmelreich kommen? das ſey ferne/ GOtt muͤßte nicht gerecht ſeyen. Derowegen hielten ſie nichts auff Chriſtum/ argumentirten und ſchloſſen alſo: Wer ſich der Zoͤllner und Suͤnder annimmt/ der iſt nicht der rechte Meſſias; Chriſtus thut ſolches/ darum iſt er nicht der rechte Meſſias. Euer Lieb faſſe es in Gleichnuͤſſen: Num. 12. leſen wir/ daß Aaron und Miriam wider Moſen geredet um ſeines Weibes willen/ darum daß er eine Moͤrin zum Weib genommen hatte/ nemlich eine frem- de und ſchwartze/ das ſolte ihrer Meinung nach nicht ſeyn: So mur- reten auch die Juden und Phariſaͤer wider Chriſtum/ daß er ſich der Hey- den und der ſchwartzen Suͤnder angenommen. Wann im alten Teſtam. ein polygamus zwey Weiber genommen/ ſo hat gemeiniglich die erſte die andere gehaſſet und angefeindet; alſo feindeten die Juden die Heyden an/ da ſich Chriſtus ihrer annahm. Die Zoͤllner und Suͤnder naheten ſich zu ihm/ ἦσαν ἐγγίζοντες, ſie trangen auff ihn zu/ ein jeder wolte der naͤchſte und liebſte ſeyn/ aber die Schrifftgelehrten und Phariſaͤer kunten es nicht leyden/ murreten deßwegen daruͤber. Das war eben dazumal die Ur- ſach und Gelegenheit auff die Parabel. Aber was lehret Chriſtus ex arcano Patris ſinu, auß dem Schoß gen
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Vom verlohrnen Sohn.
zulieſſen. In ſpecie und inſonderheit die Phariſaͤer und Schrifftgelehr-
ten/ als der Außſchuß des heiligen Volcks/ rechte prodromi und Vor-
laͤuffer der Novatianer/ die bildeten ihnen nicht nur fuͤr den Heyden/
fuͤr Zoͤllnern und Suͤndern ein groſſes præ ein/ lieſſen ſich beduncken/
ſie/ als die Laſt-Traͤger/ die des Tages Laſt und Hitze getragen/ ſeyen
die primi, die Erſten fornen dran/ ſie ſeyen die recht gerechte und heilige
Leute. Was ſollen die Heyden/ die Gottloſen Zoͤllner und Suͤnder
ins Himmelreich kommen? das ſey ferne/ GOtt muͤßte nicht gerecht
ſeyen. Derowegen hielten ſie nichts auff Chriſtum/ argumentirten
und ſchloſſen alſo: Wer ſich der Zoͤllner und Suͤnder annimmt/ der iſt
nicht der rechte Meſſias; Chriſtus thut ſolches/ darum iſt er nicht der
rechte Meſſias. Euer Lieb faſſe es in Gleichnuͤſſen: Num. 12. leſen wir/
daß Aaron und Miriam wider Moſen geredet um ſeines Weibes willen/
darum daß er eine Moͤrin zum Weib genommen hatte/ nemlich eine frem-
de und ſchwartze/ das ſolte ihrer Meinung nach nicht ſeyn: So mur-
reten auch die Juden und Phariſaͤer wider Chriſtum/ daß er ſich der Hey-
den und der ſchwartzen Suͤnder angenommen. Wann im alten Teſtam.
ein polygamus zwey Weiber genommen/ ſo hat gemeiniglich die erſte die
andere gehaſſet und angefeindet; alſo feindeten die Juden die Heyden an/
da ſich Chriſtus ihrer annahm. Die Zoͤllner und Suͤnder naheten ſich
zu ihm/ ἦσαν ἐγγίζοντες, ſie trangen auff ihn zu/ ein jeder wolte der naͤchſte
und liebſte ſeyn/ aber die Schrifftgelehrten und Phariſaͤer kunten es nicht
leyden/ murreten deßwegen daruͤber. Das war eben dazumal die Ur-
ſach und Gelegenheit auff die Parabel.
Aber was lehret Chriſtus ex arcano Patris ſinu, auß dem Schoß
ſeines himmliſchen Vaters? παραδοξώτατα, ſeltzame/ wiederſinnige Dinge;
Die letzten werden die erſten ſeyn/ und die erſten die letzten.
Er ſagets mit klaren Worten die letzten werden die liebſten werden/ Matth.
8/ 11. Jch ſage euch: viel werden kommen vom Morgen und
vom Abend/ und mit Abraham/ Jſaac und Jacob im Him-
melreich ſitzen. Aber die Kinder des Reichs werden außge-
ſtoſſen in das Finſternuß hinauß. Zoͤllner und Hurer moͤgen
wohl eher ins Himmelreich kommen dann ihr/ Matth. 21/ 31.
Die gantze Epiſtel an die Roͤmer/ ſonderlich das neundte Capitel/ iſt ein
clarer Commentarius uͤber dieſe Worte/ da Paulus unter den typis und
Bilden Jſmaels/ Jſaacs/ Jacobs/ und Eſaus dieſes Geheimnuß tractiret.
Und was der Herr clar gelehret/ das hat er auch in Parabeln vorgetra-
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