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Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 6. Straßburg, 1657.

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Die Acht und Funffzigste (Fünffte)

Nun dieses ist kein sinnreiches Vernunfft-Gedichte/ wie die Fabel
des Promethei: Von Prometheo dichten die Poeten/ daß er aus einem
Leimen den menschlichen Leib gemacht/ sein ferulam oder Ruth an das
Sonnen-Rad gehalten/ welches Rad seel- und lebhafft/ daher habe er den
Leib beseelet und lebhafft gemacht/ vmb welches Diebst als willen er an den
Caucasum angebunden/ sein Hertz sey daselbst von einem Adler gezehret/
aber nicht verzehret/ gefressen/ aber nicht ab- und vergefressen worden. Ti-
tyus
ein filius terrae, Erden-Kind oder Riß/ wegen der verübten Vnzucht
mit der Latona wurde von dem Apolline mit Pfeilen erschossen/ darauff
er in die Hölle kommen/ und daselbst also gequälet wird/ daß ein Geyer
stets seine Leber aus dem Leibe mit seinem Schnabel hacke und fresse/ ie
mehr der Vogel des Tages frasse/ ie grösser wuchse sie die Nacht wider/ und
war also alle Tage neue materi da zur Qual/ welches also fort und fort
währe; Diß sind Poetische Gedichte/ hie Warheit!

Wollen wir emblemata und Bildnüsse dieses Höllen-Wurms
suchen/ so sehen wir an Franciscum Spieram, der an Gottes Gnade ver-
zweifelt/ oder einen maleficanten/ dem das Gewissen auffgewacht. Jener
Spiera hat zwar den Trost angehöret/ hat aber gesagt/ es gehe ihn nicht an/
biß er endlich seinen verzweifelten Geist außgewürget; Lasset uns ansehen
Gen. 4, 13.
Matth.
27,
3. 4. 5.
Cain/ Judam den Verräther und andere/ die lebendig hie noch dieses
Höllen-Wurms Krafft vorschmacksweise gekostet/ ja Christum selbst;
wann wir am Oel-Berg spatzieren/ da sehen wir den Wurm/ der sich gere-
get mit eusserlichen Zeichen/ aus welchen man den innerlichen affect, wie
die Medici pathologice schliessen können; Das war 1. lupe, die Trau-
Matth. 26.
38.
rigkeit/ perilupos epsukhe mou, Meine Seele/ sagt Er/ ist betrübt
biß in den Tod/
nach dem Griechischen/ ist umb und umb mit Traurig-
keit umbgeben/ aus Mangel des kräfftigen/ Seel-stärckenden Trost-Was-
sers; die Freude ist verschwunden/ welche Er gehabt aus dem seeligen
c. 18, 10.Anschauen des Gnaden-Angesichts Gottes. 2. ekthambesis, stupor,
Die Ergeisterung/ gleich wie einer der vom Donner erschrickt oder der
ein Gespenst sihet/ ergeistert wird; da sahe er nichts dann die fulmina,
Donner und Blitzen des Göttlichen Zorns/ der greßliche Tod erschien ihm
in eigener Gestalt. 3. ademonia, Die Verdrossenheit des Lebens/
die Leut-Scheu/
wie bey den Miltzsiechen geschehen pfleget. 4. agonia
cum morte, Der bittere Todes-Kampff mit dem ersten und
andern beissenden Tode.
5. Effectus sanguinis, Der blutige

Angst-
Die Acht und Funffzigſte (Fuͤnffte)

Nun dieſes iſt kein ſinnreiches Vernunfft-Gedichte/ wie die Fabel
des Promethei: Von Prometheo dichten die Poeten/ daß er aus einem
Leimen den menſchlichen Leib gemacht/ ſein ferulam oder Ruth an das
Sonnen-Rad gehalten/ welches Rad ſeel- und lebhafft/ daher habe er den
Leib beſeelet und lebhafft gemacht/ vmb welches Diebſt als willen er an den
Caucaſum angebunden/ ſein Hertz ſey daſelbſt von einem Adler gezehret/
aber nicht verzehret/ gefreſſen/ aber nicht ab- und vergefreſſen worden. Ti-
tyus
ein filius terræ, Erden-Kind oder Riß/ wegen der veruͤbten Vnzucht
mit der Latonâ wurde von dem Apolline mit Pfeilen erſchoſſen/ darauff
er in die Hoͤlle kommen/ und daſelbſt alſo gequaͤlet wird/ daß ein Geyer
ſtets ſeine Leber aus dem Leibe mit ſeinem Schnabel hacke und freſſe/ ie
mehr der Vogel des Tages fraſſe/ ie groͤſſer wuchſe ſie die Nacht wider/ und
war alſo alle Tage neue materi da zur Qual/ welches alſo fort und fort
waͤhre; Diß ſind Poetiſche Gedichte/ hie Warheit!

Wollen wir emblemata und Bildnuͤſſe dieſes Hoͤllen-Wurms
ſuchen/ ſo ſehen wir an Franciſcum Spieram, der an Gottes Gnade ver-
zweifelt/ oder einen maleficanten/ dem das Gewiſſen auffgewacht. Jener
Spiera hat zwar den Troſt angehoͤret/ hat aber geſagt/ es gehe ihn nicht an/
biß er endlich ſeinen verzweifelten Geiſt außgewuͤrget; Laſſet uns anſehen
Gen. 4, 13.
Matth.
27,
3. 4. 5.
Cain/ Judam den Verraͤther und andere/ die lebendig hie noch dieſes
Hoͤllen-Wurms Krafft vorſchmacksweiſe gekoſtet/ ja Chriſtum ſelbſt;
wann wir am Oel-Berg ſpatzieren/ da ſehen wir den Wurm/ der ſich gere-
get mit euſſerlichen Zeichen/ aus welchen man den innerlichen affect, wie
die Medici pathologicè ſchlieſſen koͤnnen; Das war 1. λύπη, die Trau-
Matth. 26.
38.
rigkeit/ περίλυπος ἡψυχὴ μου, Meine Seele/ ſagt Er/ iſt betruͤbt
biß in den Tod/
nach dem Griechiſchen/ iſt umb und umb mit Traurig-
keit umbgeben/ aus Mangel des kraͤfftigen/ Seel-ſtaͤrckenden Troſt-Waſ-
ſers; die Freude iſt verſchwunden/ welche Er gehabt aus dem ſeeligen
c. 18, 10.Anſchauen des Gnaden-Angeſichts Gottes. 2. ἐκϑάμβησις, ſtupor,
Die Ergeiſterung/ gleich wie einer der vom Donner erſchrickt oder der
ein Geſpenſt ſihet/ ergeiſtert wird; da ſahe er nichts dann die fulmina,
Donner und Blitzen des Goͤttlichen Zorns/ der greßliche Tod erſchien ihm
in eigener Geſtalt. 3. ἀδημονία, Die Verdroſſenheit des Lebens/
die Leut-Scheu/
wie bey den Miltzſiechen geſchehen pfleget. 4. ἀγωνια
cum morte, Der bittere Todes-Kampff mit dem erſten und
andern beiſſenden Tode.
5. Effectus ſanguinis, Der blutige

Angſt-
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[708/0740] Die Acht und Funffzigſte (Fuͤnffte) Nun dieſes iſt kein ſinnreiches Vernunfft-Gedichte/ wie die Fabel des Promethei: Von Prometheo dichten die Poeten/ daß er aus einem Leimen den menſchlichen Leib gemacht/ ſein ferulam oder Ruth an das Sonnen-Rad gehalten/ welches Rad ſeel- und lebhafft/ daher habe er den Leib beſeelet und lebhafft gemacht/ vmb welches Diebſt als willen er an den Caucaſum angebunden/ ſein Hertz ſey daſelbſt von einem Adler gezehret/ aber nicht verzehret/ gefreſſen/ aber nicht ab- und vergefreſſen worden. Ti- tyus ein filius terræ, Erden-Kind oder Riß/ wegen der veruͤbten Vnzucht mit der Latonâ wurde von dem Apolline mit Pfeilen erſchoſſen/ darauff er in die Hoͤlle kommen/ und daſelbſt alſo gequaͤlet wird/ daß ein Geyer ſtets ſeine Leber aus dem Leibe mit ſeinem Schnabel hacke und freſſe/ ie mehr der Vogel des Tages fraſſe/ ie groͤſſer wuchſe ſie die Nacht wider/ und war alſo alle Tage neue materi da zur Qual/ welches alſo fort und fort waͤhre; Diß ſind Poetiſche Gedichte/ hie Warheit! Wollen wir emblemata und Bildnuͤſſe dieſes Hoͤllen-Wurms ſuchen/ ſo ſehen wir an Franciſcum Spieram, der an Gottes Gnade ver- zweifelt/ oder einen maleficanten/ dem das Gewiſſen auffgewacht. Jener Spiera hat zwar den Troſt angehoͤret/ hat aber geſagt/ es gehe ihn nicht an/ biß er endlich ſeinen verzweifelten Geiſt außgewuͤrget; Laſſet uns anſehen Cain/ Judam den Verraͤther und andere/ die lebendig hie noch dieſes Hoͤllen-Wurms Krafft vorſchmacksweiſe gekoſtet/ ja Chriſtum ſelbſt; wann wir am Oel-Berg ſpatzieren/ da ſehen wir den Wurm/ der ſich gere- get mit euſſerlichen Zeichen/ aus welchen man den innerlichen affect, wie die Medici pathologicè ſchlieſſen koͤnnen; Das war 1. λύπη, die Trau- rigkeit/ περίλυπος ἡψυχὴ μου, Meine Seele/ ſagt Er/ iſt betruͤbt biß in den Tod/ nach dem Griechiſchen/ iſt umb und umb mit Traurig- keit umbgeben/ aus Mangel des kraͤfftigen/ Seel-ſtaͤrckenden Troſt-Waſ- ſers; die Freude iſt verſchwunden/ welche Er gehabt aus dem ſeeligen Anſchauen des Gnaden-Angeſichts Gottes. 2. ἐκϑάμβησις, ſtupor, Die Ergeiſterung/ gleich wie einer der vom Donner erſchrickt oder der ein Geſpenſt ſihet/ ergeiſtert wird; da ſahe er nichts dann die fulmina, Donner und Blitzen des Goͤttlichen Zorns/ der greßliche Tod erſchien ihm in eigener Geſtalt. 3. ἀδημονία, Die Verdroſſenheit des Lebens/ die Leut-Scheu/ wie bey den Miltzſiechen geſchehen pfleget. 4. ἀγωνια cum morte, Der bittere Todes-Kampff mit dem erſten und andern beiſſenden Tode. 5. Effectus ſanguinis, Der blutige Angſt- Gen. 4, 13. Matth. 27, 3. 4. 5. Matth. 26. 38. c. 18, 10.

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Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 6. Straßburg, 1657, S. 708. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus06_1657/740>, abgerufen am 22.11.2024.