Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Staatsverfassung der Alten. Sparta.
ben geben, und der Staat kaufte Geld davon für den
täglichen Bedarf, erpreßte Geld von Griechischen Städten
und legte nun einen Schatz an. Immer noch stand der
Tod darauf, wenn ein Spartaner Gold und Silber hätte,
aber denen, die in Staatsgeschäften standen, ward es doch
verstattet, und, als Beute erlangt, nachgesehen. So be-
mächtigte sich Habsucht der Gemüther um so plötzlicher
und ungestümer, da es verbotene Lust war, zu um so
ungeregelterem heimlichem Genusse, da die Wege der Bil-
dung verschlossen blieben, durch welche Vermögen zum
Bedürfniß edlerer Sitte wird. Habsucht ward die Mutter
der Neuerung. Man gab den alten erblichen Stammgü-
tern nun Beweglichkeit, und plötzlich stand neben weni-
gen reichen Spartanern eine Schaar besitzloser, die den
Beitrag zum Bürgermahle nicht bestreiten konnte. Zwei
Fünftel der Landgüter kamen an Frauen, und der alte
Staat Lykurgischer Männer war in Aristoteles Tagen dem
Frauen-Einflusse so unterworfen, wie kein anderer sonst.
"Warum dürfen die Frauen nicht Obrigkeiten seyn, wenn
die Obrigkeiten den Frauen unterthan sind?"

1) Posidonius bei Athenäus. B. IV. p. 233.

36. Jetzt vollends war das Königthum zu reich für
die völlige Unbedeutendheit; seine Haupteinkünfte flossen
aus Lacedämonischen Ländereien. Ein hochbegabter Fürst
Kleomenes ließ die Ephoren tödten, zerriß die Bande der
auch an Menschenzahl verarmten Kaste, indem er tausende
von Lacedämoniern aufnahm und mit Spartaner-Recht
ausstattete, eine neue Äckervertheilung einrichtete, und sel-
ber mit der Spende der königlichen Landgüter voranging.
Allein als ihn mitten in der Wiedergeburt veredelter Ly-
kurgischer Einrichtungen das allgemeine Geschick der Zeit

Staatsverfaſſung der Alten. Sparta.
ben geben, und der Staat kaufte Geld davon fuͤr den
taͤglichen Bedarf, erpreßte Geld von Griechiſchen Staͤdten
und legte nun einen Schatz an. Immer noch ſtand der
Tod darauf, wenn ein Spartaner Gold und Silber haͤtte,
aber denen, die in Staatsgeſchaͤften ſtanden, ward es doch
verſtattet, und, als Beute erlangt, nachgeſehen. So be-
maͤchtigte ſich Habſucht der Gemuͤther um ſo ploͤtzlicher
und ungeſtuͤmer, da es verbotene Luſt war, zu um ſo
ungeregelterem heimlichem Genuſſe, da die Wege der Bil-
dung verſchloſſen blieben, durch welche Vermoͤgen zum
Beduͤrfniß edlerer Sitte wird. Habſucht ward die Mutter
der Neuerung. Man gab den alten erblichen Stammguͤ-
tern nun Beweglichkeit, und ploͤtzlich ſtand neben weni-
gen reichen Spartanern eine Schaar beſitzloſer, die den
Beitrag zum Buͤrgermahle nicht beſtreiten konnte. Zwei
Fuͤnftel der Landguͤter kamen an Frauen, und der alte
Staat Lykurgiſcher Maͤnner war in Ariſtoteles Tagen dem
Frauen-Einfluſſe ſo unterworfen, wie kein anderer ſonſt.
„Warum duͤrfen die Frauen nicht Obrigkeiten ſeyn, wenn
die Obrigkeiten den Frauen unterthan ſind?“

1) Poſidonius bei Athenaͤus. B. IV. p. 233.

36. Jetzt vollends war das Koͤnigthum zu reich fuͤr
die voͤllige Unbedeutendheit; ſeine Haupteinkuͤnfte floſſen
aus Lacedaͤmoniſchen Laͤndereien. Ein hochbegabter Fuͤrſt
Kleomenes ließ die Ephoren toͤdten, zerriß die Bande der
auch an Menſchenzahl verarmten Kaſte, indem er tauſende
von Lacedaͤmoniern aufnahm und mit Spartaner-Recht
ausſtattete, eine neue Äckervertheilung einrichtete, und ſel-
ber mit der Spende der koͤniglichen Landguͤter voranging.
Allein als ihn mitten in der Wiedergeburt veredelter Ly-
kurgiſcher Einrichtungen das allgemeine Geſchick der Zeit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0037" n="25"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Staatsverfa&#x017F;&#x017F;ung der Alten. Sparta</hi>.</fw><lb/>
ben geben, und der Staat kaufte Geld davon fu&#x0364;r den<lb/>
ta&#x0364;glichen Bedarf, erpreßte Geld von Griechi&#x017F;chen Sta&#x0364;dten<lb/>
und legte nun einen Schatz an. Immer noch &#x017F;tand der<lb/>
Tod darauf, wenn ein Spartaner Gold und Silber ha&#x0364;tte,<lb/>
aber denen, die in Staatsge&#x017F;cha&#x0364;ften &#x017F;tanden, ward es doch<lb/>
ver&#x017F;tattet, und, als Beute erlangt, nachge&#x017F;ehen. So be-<lb/>
ma&#x0364;chtigte &#x017F;ich Hab&#x017F;ucht der Gemu&#x0364;ther um &#x017F;o plo&#x0364;tzlicher<lb/>
und unge&#x017F;tu&#x0364;mer, da es verbotene Lu&#x017F;t war, zu um &#x017F;o<lb/>
ungeregelterem heimlichem Genu&#x017F;&#x017F;e, da die Wege der Bil-<lb/>
dung ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en blieben, durch welche Vermo&#x0364;gen zum<lb/>
Bedu&#x0364;rfniß edlerer Sitte wird. Hab&#x017F;ucht ward die Mutter<lb/>
der Neuerung. Man gab den alten erblichen Stammgu&#x0364;-<lb/>
tern nun Beweglichkeit, und plo&#x0364;tzlich &#x017F;tand neben weni-<lb/>
gen reichen Spartanern eine Schaar be&#x017F;itzlo&#x017F;er, die den<lb/>
Beitrag zum Bu&#x0364;rgermahle nicht be&#x017F;treiten konnte. Zwei<lb/>
Fu&#x0364;nftel der Landgu&#x0364;ter kamen an Frauen, und der alte<lb/>
Staat Lykurgi&#x017F;cher Ma&#x0364;nner war in Ari&#x017F;toteles Tagen dem<lb/>
Frauen-Einflu&#x017F;&#x017F;e &#x017F;o unterworfen, wie kein anderer &#x017F;on&#x017F;t.<lb/>
&#x201E;Warum du&#x0364;rfen die Frauen nicht Obrigkeiten &#x017F;eyn, wenn<lb/>
die Obrigkeiten den Frauen unterthan &#x017F;ind?&#x201C;</p><lb/>
              <note place="end" n="1)">Po&#x017F;idonius bei Athena&#x0364;us. B. <hi rendition="#aq">IV. p.</hi> 233.</note><lb/>
              <p>36. Jetzt vollends war das Ko&#x0364;nigthum zu reich fu&#x0364;r<lb/>
die vo&#x0364;llige Unbedeutendheit; &#x017F;eine Haupteinku&#x0364;nfte flo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
aus Laceda&#x0364;moni&#x017F;chen La&#x0364;ndereien. Ein hochbegabter Fu&#x0364;r&#x017F;t<lb/>
Kleomenes ließ die Ephoren to&#x0364;dten, zerriß die Bande der<lb/>
auch an Men&#x017F;chenzahl verarmten Ka&#x017F;te, indem er tau&#x017F;ende<lb/>
von Laceda&#x0364;moniern aufnahm und mit Spartaner-Recht<lb/>
aus&#x017F;tattete, eine neue Äckervertheilung einrichtete, und &#x017F;el-<lb/>
ber mit der Spende der ko&#x0364;niglichen Landgu&#x0364;ter voranging.<lb/>
Allein als ihn mitten in der Wiedergeburt veredelter Ly-<lb/>
kurgi&#x017F;cher Einrichtungen das allgemeine Ge&#x017F;chick der Zeit<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0037] Staatsverfaſſung der Alten. Sparta. ben geben, und der Staat kaufte Geld davon fuͤr den taͤglichen Bedarf, erpreßte Geld von Griechiſchen Staͤdten und legte nun einen Schatz an. Immer noch ſtand der Tod darauf, wenn ein Spartaner Gold und Silber haͤtte, aber denen, die in Staatsgeſchaͤften ſtanden, ward es doch verſtattet, und, als Beute erlangt, nachgeſehen. So be- maͤchtigte ſich Habſucht der Gemuͤther um ſo ploͤtzlicher und ungeſtuͤmer, da es verbotene Luſt war, zu um ſo ungeregelterem heimlichem Genuſſe, da die Wege der Bil- dung verſchloſſen blieben, durch welche Vermoͤgen zum Beduͤrfniß edlerer Sitte wird. Habſucht ward die Mutter der Neuerung. Man gab den alten erblichen Stammguͤ- tern nun Beweglichkeit, und ploͤtzlich ſtand neben weni- gen reichen Spartanern eine Schaar beſitzloſer, die den Beitrag zum Buͤrgermahle nicht beſtreiten konnte. Zwei Fuͤnftel der Landguͤter kamen an Frauen, und der alte Staat Lykurgiſcher Maͤnner war in Ariſtoteles Tagen dem Frauen-Einfluſſe ſo unterworfen, wie kein anderer ſonſt. „Warum duͤrfen die Frauen nicht Obrigkeiten ſeyn, wenn die Obrigkeiten den Frauen unterthan ſind?“ ¹⁾ Poſidonius bei Athenaͤus. B. IV. p. 233. 36. Jetzt vollends war das Koͤnigthum zu reich fuͤr die voͤllige Unbedeutendheit; ſeine Haupteinkuͤnfte floſſen aus Lacedaͤmoniſchen Laͤndereien. Ein hochbegabter Fuͤrſt Kleomenes ließ die Ephoren toͤdten, zerriß die Bande der auch an Menſchenzahl verarmten Kaſte, indem er tauſende von Lacedaͤmoniern aufnahm und mit Spartaner-Recht ausſtattete, eine neue Äckervertheilung einrichtete, und ſel- ber mit der Spende der koͤniglichen Landguͤter voranging. Allein als ihn mitten in der Wiedergeburt veredelter Ly- kurgiſcher Einrichtungen das allgemeine Geſchick der Zeit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/37
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/37>, abgerufen am 23.04.2024.