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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

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Von der Fortbildung der Staatsbürger.
weiß, daß die Stände sich in gemessener Zeit zurechtzufin-
den vermögen. Ein fortgeschrittenes Volk kommt immer
wieder auf die Preßfreiheit zurück; es kann von der Preß-
freiheit nicht lassen, so wenig als vom Schießpulver, ob-
gleich beide ihre Bedenken haben. In der Hildesheimer
Stiftsfehde kam einem der Braunschweigischen Herzoge der
Gedanke, dem Gegner anzubieten, ohne Schießgewehr Mann
gegen Mann zu schlagen nach Sitte trefflicher Vorfahren,
damit die Welt erfahre, auf welcher Seite die Mannhaf-
tigkeit sey. Es ließ sich so wenig thun als man heute in
Weise der Geschlechter und Klüfte oder unter den Berufs-
Panieren der Zünfte Schlachten liefern kann. Die Preßfrei-
heit ist der Alcibiades des Staats, heute liebt, morgen haßt
man ihn, aber niemahls will man ihn missen 1). Diesen
Theil von Deutschland einer drückenden Censur zu unterwer-
fen ist nur dann möglich, wenn man zugleich die Verfassungs-
rechte hinwegnimmt. Alsdann ist aber auch Alles möglich.

1) Pothei men, ekhthairei de, bouletai dekhein. Aristoph. Ran.
1425.

289. Auch die mildeste Censur ist ein Übel; des Gei-
stes Auge wird leicht auch durch ein Stäubchen getrübt.
Friedrich Gentz machte im Jahr 1818 den Versuch sie
dem Deutschen Volke einzureden 1). Kein Talent war dazu
mehr, kein Charakter minder geeignet. Hätte die Preß-
freiheit seine Schulden bezahlt, er würde für diese geschrie-
ben haben. Als der jetzige König von Preußen seine Re-
gierung antrat, ließ Gentz ein Sendschreiben an den König
drucken, worin er besonders die Verkündigung der Preß-
freiheit verlangte, als die sicherste Schutzwehr des Volks,
eben so leichtfertig derzeit im Ja als nun im Nein. Mit
dem Nein hat er es nur zur Hälfte vollbracht. Er be-

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Von der Fortbildung der Staatsbuͤrger.
weiß, daß die Staͤnde ſich in gemeſſener Zeit zurechtzufin-
den vermoͤgen. Ein fortgeſchrittenes Volk kommt immer
wieder auf die Preßfreiheit zuruͤck; es kann von der Preß-
freiheit nicht laſſen, ſo wenig als vom Schießpulver, ob-
gleich beide ihre Bedenken haben. In der Hildesheimer
Stiftsfehde kam einem der Braunſchweigiſchen Herzoge der
Gedanke, dem Gegner anzubieten, ohne Schießgewehr Mann
gegen Mann zu ſchlagen nach Sitte trefflicher Vorfahren,
damit die Welt erfahre, auf welcher Seite die Mannhaf-
tigkeit ſey. Es ließ ſich ſo wenig thun als man heute in
Weiſe der Geſchlechter und Kluͤfte oder unter den Berufs-
Panieren der Zuͤnfte Schlachten liefern kann. Die Preßfrei-
heit iſt der Alcibiades des Staats, heute liebt, morgen haßt
man ihn, aber niemahls will man ihn miſſen 1). Dieſen
Theil von Deutſchland einer druͤckenden Cenſur zu unterwer-
fen iſt nur dann moͤglich, wenn man zugleich die Verfaſſungs-
rechte hinwegnimmt. Alsdann iſt aber auch Alles moͤglich.

1) Ποϑεῖ μὲν, ἐχϑαίϱει δὲ, βούλεται δ̛ἔχειν. Aristoph. Ran.
1425.

289. Auch die mildeſte Cenſur iſt ein Übel; des Gei-
ſtes Auge wird leicht auch durch ein Staͤubchen getruͤbt.
Friedrich Gentz machte im Jahr 1818 den Verſuch ſie
dem Deutſchen Volke einzureden 1). Kein Talent war dazu
mehr, kein Charakter minder geeignet. Haͤtte die Preß-
freiheit ſeine Schulden bezahlt, er wuͤrde fuͤr dieſe geſchrie-
ben haben. Als der jetzige Koͤnig von Preußen ſeine Re-
gierung antrat, ließ Gentz ein Sendſchreiben an den Koͤnig
drucken, worin er beſonders die Verkuͤndigung der Preß-
freiheit verlangte, als die ſicherſte Schutzwehr des Volks,
eben ſo leichtfertig derzeit im Ja als nun im Nein. Mit
dem Nein hat er es nur zur Haͤlfte vollbracht. Er be-

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[305/0317] Von der Fortbildung der Staatsbuͤrger. weiß, daß die Staͤnde ſich in gemeſſener Zeit zurechtzufin- den vermoͤgen. Ein fortgeſchrittenes Volk kommt immer wieder auf die Preßfreiheit zuruͤck; es kann von der Preß- freiheit nicht laſſen, ſo wenig als vom Schießpulver, ob- gleich beide ihre Bedenken haben. In der Hildesheimer Stiftsfehde kam einem der Braunſchweigiſchen Herzoge der Gedanke, dem Gegner anzubieten, ohne Schießgewehr Mann gegen Mann zu ſchlagen nach Sitte trefflicher Vorfahren, damit die Welt erfahre, auf welcher Seite die Mannhaf- tigkeit ſey. Es ließ ſich ſo wenig thun als man heute in Weiſe der Geſchlechter und Kluͤfte oder unter den Berufs- Panieren der Zuͤnfte Schlachten liefern kann. Die Preßfrei- heit iſt der Alcibiades des Staats, heute liebt, morgen haßt man ihn, aber niemahls will man ihn miſſen 1). Dieſen Theil von Deutſchland einer druͤckenden Cenſur zu unterwer- fen iſt nur dann moͤglich, wenn man zugleich die Verfaſſungs- rechte hinwegnimmt. Alsdann iſt aber auch Alles moͤglich. ¹⁾ Ποϑεῖ μὲν, ἐχϑαίϱει δὲ, βούλεται δ̛ἔχειν. Aristoph. Ran. 1425. 289. Auch die mildeſte Cenſur iſt ein Übel; des Gei- ſtes Auge wird leicht auch durch ein Staͤubchen getruͤbt. Friedrich Gentz machte im Jahr 1818 den Verſuch ſie dem Deutſchen Volke einzureden 1). Kein Talent war dazu mehr, kein Charakter minder geeignet. Haͤtte die Preß- freiheit ſeine Schulden bezahlt, er wuͤrde fuͤr dieſe geſchrie- ben haben. Als der jetzige Koͤnig von Preußen ſeine Re- gierung antrat, ließ Gentz ein Sendſchreiben an den Koͤnig drucken, worin er beſonders die Verkuͤndigung der Preß- freiheit verlangte, als die ſicherſte Schutzwehr des Volks, eben ſo leichtfertig derzeit im Ja als nun im Nein. Mit dem Nein hat er es nur zur Haͤlfte vollbracht. Er be- 20

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/317>, abgerufen am 23.11.2024.