Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Funfzehntes Capitel. will und wird wissen was in der Welt vorgeht. DiePresse der Thatsachen läßt sich mit Erfolg nicht bekämpfen. Jeder giebt aber auch seine Meinung dazu. Dieser Zusatz von Räsonnement wird besonders an unsern Zeitungsblät- tern gefürchtet. Allein je schwerer man es den Zeitungs- schreibern macht, ihre wahre Meinung auszusprechen, je eifriger man Sorge trägt, bloß absolutistische zu privilegi- ren, um so mehr richtet sich die Neigung auf die auswär- tigen Blätter, welche man durch Verbote vertheuern, aber nimmermehr abhalten kann. Es ist mit einem Zeitungs- blatte wie mit dem Gelde, seine Wirksamkeit ist nicht nach der Zahl der Exemplare, sondern nach der Zahl der Um- läufe, die es in gegebener Zeit macht, zu beurtheilen. Die Beschränkung der wissenschaftlichen Presse verwickelt vollends die Regierungen in einen höchst ungleichen Kampf. Sie bedürfen der Wissenschaft, der Staat kann ohne sie nicht mehr behandelt werden, allein man möchte sie bloß in der Richtung der Regierungs-Zwecke benutzen, sogenannte ge- fährliche Theorieen abhalten. Das liegt nun allerdings gar sehr im Kreise der Pflicht der Wissenschaftlichen, zu- mahl in heutigen Tagen, die Macht der Regierung mit aller Kraft ihrer Einsicht zu stützen, allein eigentlich an- halten lassen sie sich dazu nicht. Wären die gefährlichen Theorieen zugleich die wahren (das ist zum Glücke nicht der Fall, weder wenn Regierungen, noch wenn Untertha- nen sie aufstellen), sie würden, öffentlich verboten, um so sicherer im Geheimen durchdringen. Nun kommt hinzu, daß das Deutschland der Verfassungsurkunden denn doch wirklich ein Recht auf seine Rechte hat, daß das Kippen und Wippen an den Constitutionen die öffentliche Meinung entschieden gegen sich hat, daß die Öffentlichkeit allein die verschlungenen Gänge im Staatsgebäude so zu erhellen Funfzehntes Capitel. will und wird wiſſen was in der Welt vorgeht. DiePreſſe der Thatſachen laͤßt ſich mit Erfolg nicht bekaͤmpfen. Jeder giebt aber auch ſeine Meinung dazu. Dieſer Zuſatz von Raͤſonnement wird beſonders an unſern Zeitungsblaͤt- tern gefuͤrchtet. Allein je ſchwerer man es den Zeitungs- ſchreibern macht, ihre wahre Meinung auszuſprechen, je eifriger man Sorge traͤgt, bloß abſolutiſtiſche zu privilegi- ren, um ſo mehr richtet ſich die Neigung auf die auswaͤr- tigen Blaͤtter, welche man durch Verbote vertheuern, aber nimmermehr abhalten kann. Es iſt mit einem Zeitungs- blatte wie mit dem Gelde, ſeine Wirkſamkeit iſt nicht nach der Zahl der Exemplare, ſondern nach der Zahl der Um- laͤufe, die es in gegebener Zeit macht, zu beurtheilen. Die Beſchraͤnkung der wiſſenſchaftlichen Preſſe verwickelt vollends die Regierungen in einen hoͤchſt ungleichen Kampf. Sie beduͤrfen der Wiſſenſchaft, der Staat kann ohne ſie nicht mehr behandelt werden, allein man moͤchte ſie bloß in der Richtung der Regierungs-Zwecke benutzen, ſogenannte ge- faͤhrliche Theorieen abhalten. Das liegt nun allerdings gar ſehr im Kreiſe der Pflicht der Wiſſenſchaftlichen, zu- mahl in heutigen Tagen, die Macht der Regierung mit aller Kraft ihrer Einſicht zu ſtuͤtzen, allein eigentlich an- halten laſſen ſie ſich dazu nicht. Waͤren die gefaͤhrlichen Theorieen zugleich die wahren (das iſt zum Gluͤcke nicht der Fall, weder wenn Regierungen, noch wenn Untertha- nen ſie aufſtellen), ſie wuͤrden, oͤffentlich verboten, um ſo ſicherer im Geheimen durchdringen. Nun kommt hinzu, daß das Deutſchland der Verfaſſungsurkunden denn doch wirklich ein Recht auf ſeine Rechte hat, daß das Kippen und Wippen an den Conſtitutionen die oͤffentliche Meinung entſchieden gegen ſich hat, daß die Öffentlichkeit allein die verſchlungenen Gaͤnge im Staatsgebaͤude ſo zu erhellen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0316" n="304"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Funfzehntes Capitel</hi>.</fw><lb/> will und wird wiſſen was in der Welt vorgeht. Die<lb/> Preſſe der Thatſachen laͤßt ſich mit Erfolg nicht bekaͤmpfen.<lb/> Jeder giebt aber auch ſeine Meinung dazu. Dieſer Zuſatz<lb/> von Raͤſonnement wird beſonders an unſern Zeitungsblaͤt-<lb/> tern gefuͤrchtet. 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Funfzehntes Capitel.
will und wird wiſſen was in der Welt vorgeht. Die
Preſſe der Thatſachen laͤßt ſich mit Erfolg nicht bekaͤmpfen.
Jeder giebt aber auch ſeine Meinung dazu. Dieſer Zuſatz
von Raͤſonnement wird beſonders an unſern Zeitungsblaͤt-
tern gefuͤrchtet. Allein je ſchwerer man es den Zeitungs-
ſchreibern macht, ihre wahre Meinung auszuſprechen, je
eifriger man Sorge traͤgt, bloß abſolutiſtiſche zu privilegi-
ren, um ſo mehr richtet ſich die Neigung auf die auswaͤr-
tigen Blaͤtter, welche man durch Verbote vertheuern, aber
nimmermehr abhalten kann. Es iſt mit einem Zeitungs-
blatte wie mit dem Gelde, ſeine Wirkſamkeit iſt nicht nach
der Zahl der Exemplare, ſondern nach der Zahl der Um-
laͤufe, die es in gegebener Zeit macht, zu beurtheilen. Die
Beſchraͤnkung der wiſſenſchaftlichen Preſſe verwickelt vollends
die Regierungen in einen hoͤchſt ungleichen Kampf. Sie
beduͤrfen der Wiſſenſchaft, der Staat kann ohne ſie nicht
mehr behandelt werden, allein man moͤchte ſie bloß in der
Richtung der Regierungs-Zwecke benutzen, ſogenannte ge-
faͤhrliche Theorieen abhalten. Das liegt nun allerdings
gar ſehr im Kreiſe der Pflicht der Wiſſenſchaftlichen, zu-
mahl in heutigen Tagen, die Macht der Regierung mit
aller Kraft ihrer Einſicht zu ſtuͤtzen, allein eigentlich an-
halten laſſen ſie ſich dazu nicht. Waͤren die gefaͤhrlichen
Theorieen zugleich die wahren (das iſt zum Gluͤcke nicht
der Fall, weder wenn Regierungen, noch wenn Untertha-
nen ſie aufſtellen), ſie wuͤrden, oͤffentlich verboten, um ſo
ſicherer im Geheimen durchdringen. Nun kommt hinzu,
daß das Deutſchland der Verfaſſungsurkunden denn doch
wirklich ein Recht auf ſeine Rechte hat, daß das Kippen
und Wippen an den Conſtitutionen die oͤffentliche Meinung
entſchieden gegen ſich hat, daß die Öffentlichkeit allein die
verſchlungenen Gaͤnge im Staatsgebaͤude ſo zu erhellen
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