Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Von d. Ausführbark. d. guten Verfassung. bens geworden ist, zu gestalten, hat sich schwer bestraft.Eine Holländische und eine Belgische Stände-Versamm- lung neben einander würden eine sehr schwer zu behan- delnde Verfassung gegeben haben, aber in ihrer Unbehol- fenheit wahrscheinlich eine dauerhaftere; denn der Charak- ter der Regierung war, obgleich sie unvorsichtig die Sprache bedrückte und an manchen nicht geradezu beherrschbaren Verhältnissen rüttelte, auf Gerechtigkeit und Ausgleichung gerichtet. Am tiefsten wurzelt der Charakter der Zusammengesetzt- Von d. Ausfuͤhrbark. d. guten Verfaſſung. bens geworden iſt, zu geſtalten, hat ſich ſchwer beſtraft.Eine Hollaͤndiſche und eine Belgiſche Staͤnde-Verſamm- lung neben einander wuͤrden eine ſehr ſchwer zu behan- delnde Verfaſſung gegeben haben, aber in ihrer Unbehol- fenheit wahrſcheinlich eine dauerhaftere; denn der Charak- ter der Regierung war, obgleich ſie unvorſichtig die Sprache bedruͤckte und an manchen nicht geradezu beherrſchbaren Verhaͤltniſſen ruͤttelte, auf Gerechtigkeit und Ausgleichung gerichtet. Am tiefſten wurzelt der Charakter der Zuſammengeſetzt- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0179" n="167"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Von d. Ausfuͤhrbark. d. guten Verfaſſung</hi>.</fw><lb/> bens geworden iſt, zu geſtalten, hat ſich ſchwer beſtraft.<lb/> Eine Hollaͤndiſche und eine Belgiſche Staͤnde-Verſamm-<lb/> lung neben einander wuͤrden eine ſehr ſchwer zu behan-<lb/> delnde Verfaſſung gegeben haben, aber in ihrer Unbehol-<lb/> fenheit wahrſcheinlich eine dauerhaftere; denn der Charak-<lb/> ter der Regierung war, obgleich ſie unvorſichtig die Sprache<lb/> bedruͤckte und an manchen nicht geradezu beherrſchbaren<lb/> Verhaͤltniſſen ruͤttelte, auf Gerechtigkeit und Ausgleichung<lb/> gerichtet.</p><lb/> <p>Am tiefſten wurzelt der Charakter der Zuſammengeſetzt-<lb/> heit im Öſterreichiſchen Staate. Slaven, Magyaren, Ro-<lb/> maniſcher und Deutſcher Stamm ſtehen ſich ſo maſſenhaft<lb/> gegenuͤber, daß Alles dafuͤr ſpricht, daß Kaiſer Joſephs<lb/><hi rendition="#aq">II.</hi> Machtgebot, der Ungar und der Boͤhme ſolle in be-<lb/> ſtimmter Friſt deutſch gelernt haben, ſich, wie die Welt<lb/> ſteht, ſo bald nicht wiederholen wird. Die Hauptſtadt der<lb/> Deutſchen Laͤndermaſſe, Wien, iſt von wegen des alten Deut-<lb/> ſchen Kaiſerthums Hauptſtadt des ganzen Staats und Re-<lb/> gierungs-Sitz geworden. Die Regierung dieſes Laͤnder-<lb/> Aggregats von mehr als dreißig Millionen Einwohnern iſt<lb/> deßhalb etwas weniger ſchwer zu fuͤhren, weil das Volk<lb/> der Ungarn, welches dazu ungetheilt an Öſterreich gehoͤrt,<lb/> allein lebendig gehandhabte Verfaſſungsrechte hat; denn<lb/> Poſtulaten-Landtage bedeuten weniger noch fuͤr die Frei-<lb/> heit als gemalte Gerichte fuͤr den Hunger. Wuͤrden aber<lb/> Verfaſſungs-Rechte den Polen Oeſterreichs, wuͤrden ſie<lb/> ſeinen Italiaͤnern, die deren mit ſo brennendem Eifer be-<lb/> gehren, vergoͤnnt, ſo wuͤrde Öſterreich die einen und die<lb/> andern das alte Naturband mit den uͤbrigen Polen, den<lb/> uͤbrigen Italiaͤnern aufſuchen, ſein Reich aber ſich aufloͤ-<lb/> ſen ſehen. Öſterreich kann daher den voͤlkerſchaftlichen<lb/> Charakter zwar im Privatrecht und der Sitte ehren, aber<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [167/0179]
Von d. Ausfuͤhrbark. d. guten Verfaſſung.
bens geworden iſt, zu geſtalten, hat ſich ſchwer beſtraft.
Eine Hollaͤndiſche und eine Belgiſche Staͤnde-Verſamm-
lung neben einander wuͤrden eine ſehr ſchwer zu behan-
delnde Verfaſſung gegeben haben, aber in ihrer Unbehol-
fenheit wahrſcheinlich eine dauerhaftere; denn der Charak-
ter der Regierung war, obgleich ſie unvorſichtig die Sprache
bedruͤckte und an manchen nicht geradezu beherrſchbaren
Verhaͤltniſſen ruͤttelte, auf Gerechtigkeit und Ausgleichung
gerichtet.
Am tiefſten wurzelt der Charakter der Zuſammengeſetzt-
heit im Öſterreichiſchen Staate. Slaven, Magyaren, Ro-
maniſcher und Deutſcher Stamm ſtehen ſich ſo maſſenhaft
gegenuͤber, daß Alles dafuͤr ſpricht, daß Kaiſer Joſephs
II. Machtgebot, der Ungar und der Boͤhme ſolle in be-
ſtimmter Friſt deutſch gelernt haben, ſich, wie die Welt
ſteht, ſo bald nicht wiederholen wird. Die Hauptſtadt der
Deutſchen Laͤndermaſſe, Wien, iſt von wegen des alten Deut-
ſchen Kaiſerthums Hauptſtadt des ganzen Staats und Re-
gierungs-Sitz geworden. Die Regierung dieſes Laͤnder-
Aggregats von mehr als dreißig Millionen Einwohnern iſt
deßhalb etwas weniger ſchwer zu fuͤhren, weil das Volk
der Ungarn, welches dazu ungetheilt an Öſterreich gehoͤrt,
allein lebendig gehandhabte Verfaſſungsrechte hat; denn
Poſtulaten-Landtage bedeuten weniger noch fuͤr die Frei-
heit als gemalte Gerichte fuͤr den Hunger. Wuͤrden aber
Verfaſſungs-Rechte den Polen Oeſterreichs, wuͤrden ſie
ſeinen Italiaͤnern, die deren mit ſo brennendem Eifer be-
gehren, vergoͤnnt, ſo wuͤrde Öſterreich die einen und die
andern das alte Naturband mit den uͤbrigen Polen, den
uͤbrigen Italiaͤnern aufſuchen, ſein Reich aber ſich aufloͤ-
ſen ſehen. Öſterreich kann daher den voͤlkerſchaftlichen
Charakter zwar im Privatrecht und der Sitte ehren, aber
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Zitationshilfe: | Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/179>, abgerufen am 22.07.2024. |