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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

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Siebentes Capitel.
an den andern gebunden, aber wie zwei verschiedene Le-
ben, nicht wie ein Leib und eine Seele. Aber auch Dän-
nemark ist in anderer Beziehung ein Staat von zusam-
mengesetzter Verfassung; außer dem eigentlichen Königreiche
gehören die Herzogthümer Schleswig und Holstein und
seit einigen Jahren auch Lauenburg diesem Scepter an,
der Hauptsache nach deutschredende Lande. Lauenburg nun
gemeßt seiner eigenen neuverbürgten Verfassung, allein
den Schleswig-Holsteinern ist ihre altverbürgte Verfassung
genommen und sie sind dem Rechte absoluter Herrschaft,
welchem sich das Dänische Volk freiwillig ehmahls unter-
worfen hat, unfreiwillig unterworfen worden 1). Dieses
Verfahren indeß, weit entfernt die unumschränkte Herr-
schaft in größerer räumlicher Ausdehnung zu begründen, hat
vielmehr die Folge gehabt, die Unumschränktheit auch da zu
untergraben, wo sie grundgesetzlich bestand. Vier Stände-
Versammlungen sind angekündigt, von welchen zwei auf
Schleswig und Holstein fallen. Diese beiden Lande ha-
ben Jahrhunderte hindurch gemeinsam in Deutscher Sprache
gelandtagt, ihr Recht auf diese Gemeinsamkeit ist unbe-
stritten, die ausgesprochene Trennung droht Unfrieden und
Verwirrung zu stiften, aber gleichwohl keine so arge, als
wenn dem Naturleben zum Trotze Deutsche und Dänen
zu einer und derselben Reichstags-Versammlung zusam-
mengezwungen würden.

1) Utque evenit in consiliis infelicibus, optima videbantur, quo-
rum tempus effugerat. Tac. Hist. I, 39.

Das Beispiel des Königreichs Niederland hat neuer-
dings bewiesen, daß Naturverhältnisse sich nicht spotten
lassen. Der künstliche Versuch einen Reichstag aus re-
formirten Holländern und katholischen Wallonen und Flam-
ländern, denen französisch die Sprache des gemeinen Le-

Siebentes Capitel.
an den andern gebunden, aber wie zwei verſchiedene Le-
ben, nicht wie ein Leib und eine Seele. Aber auch Daͤn-
nemark iſt in anderer Beziehung ein Staat von zuſam-
mengeſetzter Verfaſſung; außer dem eigentlichen Koͤnigreiche
gehoͤren die Herzogthuͤmer Schleswig und Holſtein und
ſeit einigen Jahren auch Lauenburg dieſem Scepter an,
der Hauptſache nach deutſchredende Lande. Lauenburg nun
gemeßt ſeiner eigenen neuverbuͤrgten Verfaſſung, allein
den Schleswig-Holſteinern iſt ihre altverbuͤrgte Verfaſſung
genommen und ſie ſind dem Rechte abſoluter Herrſchaft,
welchem ſich das Daͤniſche Volk freiwillig ehmahls unter-
worfen hat, unfreiwillig unterworfen worden 1). Dieſes
Verfahren indeß, weit entfernt die unumſchraͤnkte Herr-
ſchaft in groͤßerer raͤumlicher Ausdehnung zu begruͤnden, hat
vielmehr die Folge gehabt, die Unumſchraͤnktheit auch da zu
untergraben, wo ſie grundgeſetzlich beſtand. Vier Staͤnde-
Verſammlungen ſind angekuͤndigt, von welchen zwei auf
Schleswig und Holſtein fallen. Dieſe beiden Lande ha-
ben Jahrhunderte hindurch gemeinſam in Deutſcher Sprache
gelandtagt, ihr Recht auf dieſe Gemeinſamkeit iſt unbe-
ſtritten, die ausgeſprochene Trennung droht Unfrieden und
Verwirrung zu ſtiften, aber gleichwohl keine ſo arge, als
wenn dem Naturleben zum Trotze Deutſche und Daͤnen
zu einer und derſelben Reichstags-Verſammlung zuſam-
mengezwungen wuͤrden.

1) Utque evenit in consiliis infelicibus, optima videbantur, quo-
rum tempus effugerat. Tac. Hist. I, 39.

Das Beiſpiel des Koͤnigreichs Niederland hat neuer-
dings bewieſen, daß Naturverhaͤltniſſe ſich nicht ſpotten
laſſen. Der kuͤnſtliche Verſuch einen Reichstag aus re-
formirten Hollaͤndern und katholiſchen Wallonen und Flam-
laͤndern, denen franzoͤſiſch die Sprache des gemeinen Le-

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[166/0178] Siebentes Capitel. an den andern gebunden, aber wie zwei verſchiedene Le- ben, nicht wie ein Leib und eine Seele. Aber auch Daͤn- nemark iſt in anderer Beziehung ein Staat von zuſam- mengeſetzter Verfaſſung; außer dem eigentlichen Koͤnigreiche gehoͤren die Herzogthuͤmer Schleswig und Holſtein und ſeit einigen Jahren auch Lauenburg dieſem Scepter an, der Hauptſache nach deutſchredende Lande. Lauenburg nun gemeßt ſeiner eigenen neuverbuͤrgten Verfaſſung, allein den Schleswig-Holſteinern iſt ihre altverbuͤrgte Verfaſſung genommen und ſie ſind dem Rechte abſoluter Herrſchaft, welchem ſich das Daͤniſche Volk freiwillig ehmahls unter- worfen hat, unfreiwillig unterworfen worden 1). Dieſes Verfahren indeß, weit entfernt die unumſchraͤnkte Herr- ſchaft in groͤßerer raͤumlicher Ausdehnung zu begruͤnden, hat vielmehr die Folge gehabt, die Unumſchraͤnktheit auch da zu untergraben, wo ſie grundgeſetzlich beſtand. Vier Staͤnde- Verſammlungen ſind angekuͤndigt, von welchen zwei auf Schleswig und Holſtein fallen. Dieſe beiden Lande ha- ben Jahrhunderte hindurch gemeinſam in Deutſcher Sprache gelandtagt, ihr Recht auf dieſe Gemeinſamkeit iſt unbe- ſtritten, die ausgeſprochene Trennung droht Unfrieden und Verwirrung zu ſtiften, aber gleichwohl keine ſo arge, als wenn dem Naturleben zum Trotze Deutſche und Daͤnen zu einer und derſelben Reichstags-Verſammlung zuſam- mengezwungen wuͤrden. ¹⁾ Utque evenit in consiliis infelicibus, optima videbantur, quo- rum tempus effugerat. Tac. Hist. I, 39. Das Beiſpiel des Koͤnigreichs Niederland hat neuer- dings bewieſen, daß Naturverhaͤltniſſe ſich nicht ſpotten laſſen. Der kuͤnſtliche Verſuch einen Reichstag aus re- formirten Hollaͤndern und katholiſchen Wallonen und Flam- laͤndern, denen franzoͤſiſch die Sprache des gemeinen Le-

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/178>, abgerufen am 24.11.2024.