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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

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Sechstes Capitel.
des Mittelalters gar nicht mehr die Rede seyn, denn der
Staat kann keinen Tag ohne Steuern bestehen; es hieße,
den Staat bewilligen. Die Steuern werden heut-
zutage so wenig der Regierung bewilligt, als die Gesetze,
sondern dem Gemeinwesen, den Bewilligenden selber; der
Zustand ist unwiderruflich vorbei, da die Steuern Zu-
schüsse waren, die allenfalls auch ausbleiben konnten.
Fragt man inzwischen, ob denn nicht die Stände auf das
Recht die Steuern zu verweigern, lieber verzichten sol-
len, so läßt sich das Ja darauf in der Theorie wohl hal-
ten, niemahls aber im Leben. Jener alte Schalk, der ge-
hängt werden sollte, erkannte seine Verpflichtung zu hän-
gen vollkommen an, aber er durfte den Baum sich wählen
und nun war ihm kein Baum der rechte. Gerade so mit
den Steuern. Wer die einzelnen verweigern darf, kann
ihnen allen beikommen; nimmt man das Recht die einzel-
nen zu verweigern, so nimmt man das Recht mit Erfolg
zu prüfen und zu bewilligen und mag das Ständehaus
nur zuschließen. Man spricht zwar: Was für die Erhal-
tung des Staats nothwendig ist, muß einmahl da seyn;
aber gerade darum wird es sich streiten, wieviel denn
noth sey und woher? und aus dem quale, quantum taucht
wiederum das verhaßte an hervor. Will man ein ge-
wisses Quantum als feststehend, ein für alle Mahl be-
bewilligt, setzen, wie Lafitte als Minister ein bewegliches
Budget neben einem unbeweglichen im Sinne hatte?
Allein welcher Zweig am Staatsbaum soll denn verdor-
ren, wenn das bewegliche, doch immer nothwendige, un-
bewilligt bleibt? In den Verfassungen der Deutschen Bun-
desstaaten findet die Vorsichtsmaasregel Beifall, daß, wenn
man über das Budget nicht einig wird, die alten Steuern
noch 6 Monate lang erhoben werden. Es fragt sich in

Sechstes Capitel.
des Mittelalters gar nicht mehr die Rede ſeyn, denn der
Staat kann keinen Tag ohne Steuern beſtehen; es hieße,
den Staat bewilligen. Die Steuern werden heut-
zutage ſo wenig der Regierung bewilligt, als die Geſetze,
ſondern dem Gemeinweſen, den Bewilligenden ſelber; der
Zuſtand iſt unwiderruflich vorbei, da die Steuern Zu-
ſchuͤſſe waren, die allenfalls auch ausbleiben konnten.
Fragt man inzwiſchen, ob denn nicht die Staͤnde auf das
Recht die Steuern zu verweigern, lieber verzichten ſol-
len, ſo laͤßt ſich das Ja darauf in der Theorie wohl hal-
ten, niemahls aber im Leben. Jener alte Schalk, der ge-
haͤngt werden ſollte, erkannte ſeine Verpflichtung zu haͤn-
gen vollkommen an, aber er durfte den Baum ſich waͤhlen
und nun war ihm kein Baum der rechte. Gerade ſo mit
den Steuern. Wer die einzelnen verweigern darf, kann
ihnen allen beikommen; nimmt man das Recht die einzel-
nen zu verweigern, ſo nimmt man das Recht mit Erfolg
zu pruͤfen und zu bewilligen und mag das Staͤndehaus
nur zuſchließen. Man ſpricht zwar: Was fuͤr die Erhal-
tung des Staats nothwendig iſt, muß einmahl da ſeyn;
aber gerade darum wird es ſich ſtreiten, wieviel denn
noth ſey und woher? und aus dem quale, quantum taucht
wiederum das verhaßte an hervor. Will man ein ge-
wiſſes Quantum als feſtſtehend, ein fuͤr alle Mahl be-
bewilligt, ſetzen, wie Lafitte als Miniſter ein bewegliches
Budget neben einem unbeweglichen im Sinne hatte?
Allein welcher Zweig am Staatsbaum ſoll denn verdor-
ren, wenn das bewegliche, doch immer nothwendige, un-
bewilligt bleibt? In den Verfaſſungen der Deutſchen Bun-
desſtaaten findet die Vorſichtsmaasregel Beifall, daß, wenn
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noch 6 Monate lang erhoben werden. Es fragt ſich in

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[146/0158] Sechstes Capitel. des Mittelalters gar nicht mehr die Rede ſeyn, denn der Staat kann keinen Tag ohne Steuern beſtehen; es hieße, den Staat bewilligen. Die Steuern werden heut- zutage ſo wenig der Regierung bewilligt, als die Geſetze, ſondern dem Gemeinweſen, den Bewilligenden ſelber; der Zuſtand iſt unwiderruflich vorbei, da die Steuern Zu- ſchuͤſſe waren, die allenfalls auch ausbleiben konnten. Fragt man inzwiſchen, ob denn nicht die Staͤnde auf das Recht die Steuern zu verweigern, lieber verzichten ſol- len, ſo laͤßt ſich das Ja darauf in der Theorie wohl hal- ten, niemahls aber im Leben. Jener alte Schalk, der ge- haͤngt werden ſollte, erkannte ſeine Verpflichtung zu haͤn- gen vollkommen an, aber er durfte den Baum ſich waͤhlen und nun war ihm kein Baum der rechte. Gerade ſo mit den Steuern. Wer die einzelnen verweigern darf, kann ihnen allen beikommen; nimmt man das Recht die einzel- nen zu verweigern, ſo nimmt man das Recht mit Erfolg zu pruͤfen und zu bewilligen und mag das Staͤndehaus nur zuſchließen. Man ſpricht zwar: Was fuͤr die Erhal- tung des Staats nothwendig iſt, muß einmahl da ſeyn; aber gerade darum wird es ſich ſtreiten, wieviel denn noth ſey und woher? und aus dem quale, quantum taucht wiederum das verhaßte an hervor. Will man ein ge- wiſſes Quantum als feſtſtehend, ein fuͤr alle Mahl be- bewilligt, ſetzen, wie Lafitte als Miniſter ein bewegliches Budget neben einem unbeweglichen im Sinne hatte? Allein welcher Zweig am Staatsbaum ſoll denn verdor- ren, wenn das bewegliche, doch immer nothwendige, un- bewilligt bleibt? In den Verfaſſungen der Deutſchen Bun- desſtaaten findet die Vorſichtsmaasregel Beifall, daß, wenn man uͤber das Budget nicht einig wird, die alten Steuern noch 6 Monate lang erhoben werden. Es fragt ſich in

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/158>, abgerufen am 24.11.2024.