Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite
Rechte der Stände-Versammlung.
2) Reglement pour la chambre des deputes des departemens,
definitivement adopte dans la seance du 25 Juin 1814
. im
Moniteur v. 28. Jun. Der Moniteur v. 1. Juli 1814 enthält
auch das Reglement über die Verhältnisse beider Kammern zum
Könige und untereinander v. 28. Jun.
Rechte der Stände-Versammlung.

171. Ohne die Einwilligung der Stände-
Versammlung kommt kein Landes-Gesetz zu
Stande
. Ein Antrag, der durch beide in gesetzlicher
Zahl und Ordnung versammelte Häuser nach der gesetzli-
chen Stimmenmehrheit beschlossen und hierauf vom Könige
genehmigt und verkündigt ist, hat Gesetzes Kraft. Stände,
ohne deren Rath und wider deren Rath ein Gesetz erlassen
werden kann, sind auch nicht des Rathes mächtig, denn
sie sind zu schwach sich diejenige Auskunft zu verschaffen,
welche die Mutter alles guten Rathes ist. Bloß berathende
Kammern sind rathlos; sie versinken im Überdrusse ihres
Unvermögens, oder sie trachten gefährlich nach Machtver-
mehrung.

172. Das Steuergesetz unterscheidet sich dadurch
von den übrigen Gesetzen, daß in der heutigen Lage des
Staatshaushalts es nothwendig irgendwie durchgehen muß,
nicht allenfalls für ein Paar Jahre bei Seite gelegt wer-
den kann. Dennoch ist es ganz unthunlich, die Steuern
ein für alle Mahl zu bewilligen, so daß sie, wie andere
Gesetze, fortdauerten, bis man wegen einer Änderung
übereinkäme. Denn Steuerbedarf, Steuerkraft, Wahl der
Steuern sind in einem beständigen Wechsel begriffen; man
will nicht blindlings, nicht in Bausch und Bogen bewil-
ligen
. Nun kann zwar von Steuerbewilligung im Sinne

10
Rechte der Staͤnde-Verſammlung.
2) Réglement pour la chambre des députés des départemens,
définitivement adopté dans la séance du 25 Juin 1814
. im
Moniteur v. 28. Jun. Der Moniteur v. 1. Juli 1814 enthaͤlt
auch das Reglement uͤber die Verhaͤltniſſe beider Kammern zum
Koͤnige und untereinander v. 28. Jun.
Rechte der Stände-Verſammlung.

171. Ohne die Einwilligung der Staͤnde-
Verſammlung kommt kein Landes-Geſetz zu
Stande
. Ein Antrag, der durch beide in geſetzlicher
Zahl und Ordnung verſammelte Haͤuſer nach der geſetzli-
chen Stimmenmehrheit beſchloſſen und hierauf vom Koͤnige
genehmigt und verkuͤndigt iſt, hat Geſetzes Kraft. Staͤnde,
ohne deren Rath und wider deren Rath ein Geſetz erlaſſen
werden kann, ſind auch nicht des Rathes maͤchtig, denn
ſie ſind zu ſchwach ſich diejenige Auskunft zu verſchaffen,
welche die Mutter alles guten Rathes iſt. Bloß berathende
Kammern ſind rathlos; ſie verſinken im Überdruſſe ihres
Unvermoͤgens, oder ſie trachten gefaͤhrlich nach Machtver-
mehrung.

172. Das Steuergeſetz unterſcheidet ſich dadurch
von den uͤbrigen Geſetzen, daß in der heutigen Lage des
Staatshaushalts es nothwendig irgendwie durchgehen muß,
nicht allenfalls fuͤr ein Paar Jahre bei Seite gelegt wer-
den kann. Dennoch iſt es ganz unthunlich, die Steuern
ein fuͤr alle Mahl zu bewilligen, ſo daß ſie, wie andere
Geſetze, fortdauerten, bis man wegen einer Änderung
uͤbereinkaͤme. Denn Steuerbedarf, Steuerkraft, Wahl der
Steuern ſind in einem beſtaͤndigen Wechſel begriffen; man
will nicht blindlings, nicht in Bauſch und Bogen bewil-
ligen
. Nun kann zwar von Steuerbewilligung im Sinne

10
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0157" n="145"/>
              <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Rechte der Sta&#x0364;nde-Ver&#x017F;ammlung</hi>.</fw><lb/>
              <note place="end" n="2)"><hi rendition="#aq">Réglement pour la chambre des députés des départemens,<lb/>
définitivement adopté dans la séance du 25 Juin 1814</hi>. im<lb/>
Moniteur v. 28. Jun. Der Moniteur v. 1. Juli 1814 entha&#x0364;lt<lb/>
auch das Reglement u&#x0364;ber die Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e beider Kammern zum<lb/>
Ko&#x0364;nige und untereinander v. 28. Jun.</note>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#g">Rechte der Stände-Ver&#x017F;ammlung</hi>.</head><lb/>
              <p>171. <hi rendition="#g">Ohne die Einwilligung der Sta&#x0364;nde-<lb/>
Ver&#x017F;ammlung kommt kein Landes-Ge&#x017F;etz zu<lb/>
Stande</hi>. Ein Antrag, der durch beide in ge&#x017F;etzlicher<lb/>
Zahl und Ordnung ver&#x017F;ammelte Ha&#x0364;u&#x017F;er nach der ge&#x017F;etzli-<lb/>
chen Stimmenmehrheit be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en und hierauf vom Ko&#x0364;nige<lb/>
genehmigt und verku&#x0364;ndigt i&#x017F;t, hat Ge&#x017F;etzes Kraft. Sta&#x0364;nde,<lb/>
ohne deren Rath und wider deren Rath ein Ge&#x017F;etz erla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
werden kann, &#x017F;ind auch nicht des Rathes ma&#x0364;chtig, denn<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ind zu &#x017F;chwach &#x017F;ich diejenige Auskunft zu ver&#x017F;chaffen,<lb/>
welche die Mutter alles guten Rathes i&#x017F;t. Bloß berathende<lb/>
Kammern &#x017F;ind rathlos; &#x017F;ie ver&#x017F;inken im Überdru&#x017F;&#x017F;e ihres<lb/>
Unvermo&#x0364;gens, oder &#x017F;ie trachten gefa&#x0364;hrlich nach Machtver-<lb/>
mehrung.</p><lb/>
              <p>172. Das <hi rendition="#g">Steuerge&#x017F;etz</hi> unter&#x017F;cheidet &#x017F;ich dadurch<lb/>
von den u&#x0364;brigen Ge&#x017F;etzen, daß in der heutigen Lage des<lb/>
Staatshaushalts es nothwendig irgendwie durchgehen muß,<lb/>
nicht allenfalls fu&#x0364;r ein Paar Jahre bei Seite gelegt wer-<lb/>
den kann. Dennoch i&#x017F;t es ganz unthunlich, die Steuern<lb/>
ein fu&#x0364;r alle Mahl zu bewilligen, &#x017F;o daß &#x017F;ie, wie andere<lb/>
Ge&#x017F;etze, fortdauerten, bis man wegen einer Änderung<lb/>
u&#x0364;bereinka&#x0364;me. Denn Steuerbedarf, Steuerkraft, Wahl der<lb/>
Steuern &#x017F;ind in einem be&#x017F;ta&#x0364;ndigen Wech&#x017F;el begriffen; man<lb/>
will nicht blindlings, nicht in Bau&#x017F;ch und Bogen <hi rendition="#g">bewil-<lb/>
ligen</hi>. Nun kann zwar von Steuerbewilligung im Sinne<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">10</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[145/0157] Rechte der Staͤnde-Verſammlung. ²⁾ Réglement pour la chambre des députés des départemens, définitivement adopté dans la séance du 25 Juin 1814. im Moniteur v. 28. Jun. Der Moniteur v. 1. Juli 1814 enthaͤlt auch das Reglement uͤber die Verhaͤltniſſe beider Kammern zum Koͤnige und untereinander v. 28. Jun. Rechte der Stände-Verſammlung. 171. Ohne die Einwilligung der Staͤnde- Verſammlung kommt kein Landes-Geſetz zu Stande. Ein Antrag, der durch beide in geſetzlicher Zahl und Ordnung verſammelte Haͤuſer nach der geſetzli- chen Stimmenmehrheit beſchloſſen und hierauf vom Koͤnige genehmigt und verkuͤndigt iſt, hat Geſetzes Kraft. Staͤnde, ohne deren Rath und wider deren Rath ein Geſetz erlaſſen werden kann, ſind auch nicht des Rathes maͤchtig, denn ſie ſind zu ſchwach ſich diejenige Auskunft zu verſchaffen, welche die Mutter alles guten Rathes iſt. Bloß berathende Kammern ſind rathlos; ſie verſinken im Überdruſſe ihres Unvermoͤgens, oder ſie trachten gefaͤhrlich nach Machtver- mehrung. 172. Das Steuergeſetz unterſcheidet ſich dadurch von den uͤbrigen Geſetzen, daß in der heutigen Lage des Staatshaushalts es nothwendig irgendwie durchgehen muß, nicht allenfalls fuͤr ein Paar Jahre bei Seite gelegt wer- den kann. Dennoch iſt es ganz unthunlich, die Steuern ein fuͤr alle Mahl zu bewilligen, ſo daß ſie, wie andere Geſetze, fortdauerten, bis man wegen einer Änderung uͤbereinkaͤme. Denn Steuerbedarf, Steuerkraft, Wahl der Steuern ſind in einem beſtaͤndigen Wechſel begriffen; man will nicht blindlings, nicht in Bauſch und Bogen bewil- ligen. Nun kann zwar von Steuerbewilligung im Sinne 10

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/157
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/157>, abgerufen am 24.11.2024.