diese Sprache zu hören, wo ist der Mann, der sich ent- schließen könnte ihr Organ zu seyn?
"Die Nationalversammlung verweigert allen denen, die den Bürgereid nicht leisten, das freie Bekenntniß ih- rer Gottesverehrung. Aber diese Freiheit kann niemanden geraubt werden: keine Macht konnte sie geben, keine Macht kann sie wieder nehmen; es ist von allen Arten des Eigen- thums das die erste, die unverletzlichste. Sie ist für im- mer geheiligt in der Erklärung der Rechte, in den Funda- mental-Artikeln der Constitution: sie ist demnach unan- tastbar.
"Die constituirende Nationalversammlung hat sich viel- leicht niemals größer, nie Ehrfurcht gebietender in den Au- gen der Nation gezeigt, als damals wie sie inmitten der Stürme des Fanatismus diesem Princip eine glänzende Huldigung darbrachte. Es war verloren gegangen in den Jahrhunderten der Unwissenheit und des Aberglaubens, in den ersten Freiheitstagen mußte es sich wiederfinden; allein es darf nicht zum zweiten Male verloren gehen, in diesem Punct so wenig als in einem anderen darf die Frei- heit Rückschritte machen.
"Vergebens wird man euch sagen, der unbeeidigte Priester sey verdächtig. Waren denn unter Ludwig XIV. die Protestanten nicht verdächtig in den Augen der Regie- rung, sobald sie sich der herrschenden Religion nicht unter- werfen wollten? Waren die ersten Christen nicht den rö- mischen Kaisern verdächtig? Waren die Katholiken nicht
dieſe Sprache zu hören, wo iſt der Mann, der ſich ent- ſchließen könnte ihr Organ zu ſeyn?
„Die Nationalverſammlung verweigert allen denen, die den Bürgereid nicht leiſten, das freie Bekenntniß ih- rer Gottesverehrung. Aber dieſe Freiheit kann niemanden geraubt werden: keine Macht konnte ſie geben, keine Macht kann ſie wieder nehmen; es iſt von allen Arten des Eigen- thums das die erſte, die unverletzlichſte. Sie iſt für im- mer geheiligt in der Erklärung der Rechte, in den Funda- mental-Artikeln der Conſtitution: ſie iſt demnach unan- taſtbar.
„Die conſtituirende Nationalverſammlung hat ſich viel- leicht niemals größer, nie Ehrfurcht gebietender in den Au- gen der Nation gezeigt, als damals wie ſie inmitten der Stürme des Fanatismus dieſem Princip eine glänzende Huldigung darbrachte. Es war verloren gegangen in den Jahrhunderten der Unwiſſenheit und des Aberglaubens, in den erſten Freiheitstagen mußte es ſich wiederfinden; allein es darf nicht zum zweiten Male verloren gehen, in dieſem Punct ſo wenig als in einem anderen darf die Frei- heit Rückſchritte machen.
„Vergebens wird man euch ſagen, der unbeeidigte Prieſter ſey verdächtig. Waren denn unter Ludwig XIV. die Proteſtanten nicht verdächtig in den Augen der Regie- rung, ſobald ſie ſich der herrſchenden Religion nicht unter- werfen wollten? Waren die erſten Chriſten nicht den rö- miſchen Kaiſern verdächtig? Waren die Katholiken nicht
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dieſe Sprache zu hören, wo iſt der Mann, der ſich ent-
ſchließen könnte ihr Organ zu ſeyn?
„Die Nationalverſammlung verweigert allen denen,
die den Bürgereid nicht leiſten, das freie Bekenntniß ih-
rer Gottesverehrung. Aber dieſe Freiheit kann niemanden
geraubt werden: keine Macht konnte ſie geben, keine Macht
kann ſie wieder nehmen; es iſt von allen Arten des Eigen-
thums das die erſte, die unverletzlichſte. Sie iſt für im-
mer geheiligt in der Erklärung der Rechte, in den Funda-
mental-Artikeln der Conſtitution: ſie iſt demnach unan-
taſtbar.
„Die conſtituirende Nationalverſammlung hat ſich viel-
leicht niemals größer, nie Ehrfurcht gebietender in den Au-
gen der Nation gezeigt, als damals wie ſie inmitten der
Stürme des Fanatismus dieſem Princip eine glänzende
Huldigung darbrachte. Es war verloren gegangen in den
Jahrhunderten der Unwiſſenheit und des Aberglaubens,
in den erſten Freiheitstagen mußte es ſich wiederfinden;
allein es darf nicht zum zweiten Male verloren gehen, in
dieſem Punct ſo wenig als in einem anderen darf die Frei-
heit Rückſchritte machen.
„Vergebens wird man euch ſagen, der unbeeidigte
Prieſter ſey verdächtig. Waren denn unter Ludwig XIV.
die Proteſtanten nicht verdächtig in den Augen der Regie-
rung, ſobald ſie ſich der herrſchenden Religion nicht unter-
werfen wollten? Waren die erſten Chriſten nicht den rö-
miſchen Kaiſern verdächtig? Waren die Katholiken nicht
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/421>, abgerufen am 22.12.2024.
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