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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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über alle Gegenstände gehört werden und Aufklärungen
geben, sobald man sie darum ersucht." Dieser Artikel
ward verworfen und ein anderer trat an die Stelle, wel-
cher ihre Redefreiheit auf die ihrem Ressort angehörigen
Gegenstände beschränkte, es sey denn daß sie die Erlaub-
niß erhielten diese Gränze zu überschreiten.

Die Frage entstand, wie es gehalten werden solle,
wenn sich das Bedürfniß einer Veränderung der Verfas-
sung offenbare. Nach mancher Debatte fand Frochots ge-
mäßigter Vorschlag Beifall, welcher jede directe Einwir-
kung des souveränen Volks entfernte. Wenn drei auf ein-
ander folgende Legislaturen sich für die Veränderung eines
Verfassungsartikels übereinstimmend entschieden haben,
soll die Veränderung stattfinden; aber es ist nicht gestattet,
in den beiden nächsten Legislaturen eine Veränderung in
Vorschlag zu bringen.

Am 3ten September endigte mit der Revision die Ver-
fassungsarbeit. So unbedeutend die Veränderungen wa-
ren, ließ sich Robespierre es nicht nehmen, sie als ein Na-
tionalunglück zu beklagen; er verlangte daß auch nicht ei-
nen Augenblick über die Annahme mit der executiven Ge-
walt unterhandelt werde. Diese ward inzwischen, damit
sie der ihr zugedachten Regierung nicht entrinne, seit dritte-
halb Monaten strenge in ihrem eigenen Schlosse bewacht,
so strenge, daß die Königin kaum für den Kleiderwechsel
hinlänglich freie Zeit behielt und die wachthabenden Of-
ficiere manchmal Nachts durch die offene Thüre hin nach-

über alle Gegenſtände gehört werden und Aufklärungen
geben, ſobald man ſie darum erſucht.“ Dieſer Artikel
ward verworfen und ein anderer trat an die Stelle, wel-
cher ihre Redefreiheit auf die ihrem Reſſort angehörigen
Gegenſtände beſchränkte, es ſey denn daß ſie die Erlaub-
niß erhielten dieſe Gränze zu überſchreiten.

Die Frage entſtand, wie es gehalten werden ſolle,
wenn ſich das Bedürfniß einer Veränderung der Verfaſ-
ſung offenbare. Nach mancher Debatte fand Frochots ge-
mäßigter Vorſchlag Beifall, welcher jede directe Einwir-
kung des ſouveränen Volks entfernte. Wenn drei auf ein-
ander folgende Legislaturen ſich für die Veränderung eines
Verfaſſungsartikels übereinſtimmend entſchieden haben,
ſoll die Veränderung ſtattfinden; aber es iſt nicht geſtattet,
in den beiden nächſten Legislaturen eine Veränderung in
Vorſchlag zu bringen.

Am 3ten September endigte mit der Reviſion die Ver-
faſſungsarbeit. So unbedeutend die Veränderungen wa-
ren, ließ ſich Robespierre es nicht nehmen, ſie als ein Na-
tionalunglück zu beklagen; er verlangte daß auch nicht ei-
nen Augenblick über die Annahme mit der executiven Ge-
walt unterhandelt werde. Dieſe ward inzwiſchen, damit
ſie der ihr zugedachten Regierung nicht entrinne, ſeit dritte-
halb Monaten ſtrenge in ihrem eigenen Schloſſe bewacht,
ſo ſtrenge, daß die Königin kaum für den Kleiderwechſel
hinlänglich freie Zeit behielt und die wachthabenden Of-
ficiere manchmal Nachts durch die offene Thüre hin nach-

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[394/0404] über alle Gegenſtände gehört werden und Aufklärungen geben, ſobald man ſie darum erſucht.“ Dieſer Artikel ward verworfen und ein anderer trat an die Stelle, wel- cher ihre Redefreiheit auf die ihrem Reſſort angehörigen Gegenſtände beſchränkte, es ſey denn daß ſie die Erlaub- niß erhielten dieſe Gränze zu überſchreiten. Die Frage entſtand, wie es gehalten werden ſolle, wenn ſich das Bedürfniß einer Veränderung der Verfaſ- ſung offenbare. Nach mancher Debatte fand Frochots ge- mäßigter Vorſchlag Beifall, welcher jede directe Einwir- kung des ſouveränen Volks entfernte. Wenn drei auf ein- ander folgende Legislaturen ſich für die Veränderung eines Verfaſſungsartikels übereinſtimmend entſchieden haben, ſoll die Veränderung ſtattfinden; aber es iſt nicht geſtattet, in den beiden nächſten Legislaturen eine Veränderung in Vorſchlag zu bringen. Am 3ten September endigte mit der Reviſion die Ver- faſſungsarbeit. So unbedeutend die Veränderungen wa- ren, ließ ſich Robespierre es nicht nehmen, ſie als ein Na- tionalunglück zu beklagen; er verlangte daß auch nicht ei- nen Augenblick über die Annahme mit der executiven Ge- walt unterhandelt werde. Dieſe ward inzwiſchen, damit ſie der ihr zugedachten Regierung nicht entrinne, ſeit dritte- halb Monaten ſtrenge in ihrem eigenen Schloſſe bewacht, ſo ſtrenge, daß die Königin kaum für den Kleiderwechſel hinlänglich freie Zeit behielt und die wachthabenden Of- ficiere manchmal Nachts durch die offene Thüre hin nach-

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/404>, abgerufen am 14.05.2024.