der dem Kaiser Joseph in verwandter Richtung zwar we- nig zugestanden, aber Vieles nachgesehen hatte. Allein als Ludwig seine schmerzliche Genehmigung zögernd gege-Aug. 24. ben hatte und nun den Papst beschwor ihm in diesem grau- samen Drange zu Hülfe zu kommen, entgegnete Pius: "Seine Majestät wolle nicht glauben daß ein rein politi- scher Körper die allgemeine Lehre und Zucht der Kirche verändern könne, Beschlüsse fassen könne wegen der Wahl der Bischöfe oder wegen Aufhebung bischöflicher Sitze. Ferne sey es daß Seine Majestät ihr ewiges Heil daran wage oder das Heil ihrer Völker, mittelst einer voreiligen Genehmigung zum Ärgernisse der ganzen katholischen Welt. Hat der König den Rechten seiner Krone entsagen können, so darf doch keine Rücksicht ihn verleiten, seine Pflicht gegen Gott und die Kirche zu opfern, deren ältester Sohn er ist." Diese Worte, sorgsam verheimlicht, lasteten darum nicht minder schwer auf des Königs Gemüthe. Nun kam das Decret vom 27sten November. Jeder Geistliche, der sey's ein Kirchenamt, sey's ein Schulamt verwaltet, soll den Eid leisten: "Ich schwöre mit Sorgfalt für die Gläubigen zu wachen, deren Leitung mir anvertraut ist; ich schwöre der Nation treu zu seyn, dem Gesetze und dem Könige; ich schwöre mit aller meiner Macht die französische Consti- tution aufrecht zu erhalten und namentlich die Decrete, welche die bürgerliche Verfassung der Geistlichkeit an- gehen." Wer diesen Eid in gewisser Frist nicht leistet, hat sein Kirchenamt verwirkt. Das hieß einen harten
der dem Kaiſer Joſeph in verwandter Richtung zwar we- nig zugeſtanden, aber Vieles nachgeſehen hatte. Allein als Ludwig ſeine ſchmerzliche Genehmigung zögernd gege-Aug. 24. ben hatte und nun den Papſt beſchwor ihm in dieſem grau- ſamen Drange zu Hülfe zu kommen, entgegnete Pius: „Seine Majeſtät wolle nicht glauben daß ein rein politi- ſcher Körper die allgemeine Lehre und Zucht der Kirche verändern könne, Beſchlüſſe faſſen könne wegen der Wahl der Biſchöfe oder wegen Aufhebung biſchöflicher Sitze. Ferne ſey es daß Seine Majeſtät ihr ewiges Heil daran wage oder das Heil ihrer Völker, mittelſt einer voreiligen Genehmigung zum Ärgerniſſe der ganzen katholiſchen Welt. Hat der König den Rechten ſeiner Krone entſagen können, ſo darf doch keine Rückſicht ihn verleiten, ſeine Pflicht gegen Gott und die Kirche zu opfern, deren älteſter Sohn er iſt.“ Dieſe Worte, ſorgſam verheimlicht, laſteten darum nicht minder ſchwer auf des Königs Gemüthe. Nun kam das Decret vom 27ſten November. Jeder Geiſtliche, der ſey’s ein Kirchenamt, ſey’s ein Schulamt verwaltet, ſoll den Eid leiſten: „Ich ſchwöre mit Sorgfalt für die Gläubigen zu wachen, deren Leitung mir anvertraut iſt; ich ſchwöre der Nation treu zu ſeyn, dem Geſetze und dem Könige; ich ſchwöre mit aller meiner Macht die franzöſiſche Conſti- tution aufrecht zu erhalten und namentlich die Decrete, welche die bürgerliche Verfaſſung der Geiſtlichkeit an- gehen.“ Wer dieſen Eid in gewiſſer Friſt nicht leiſtet, hat ſein Kirchenamt verwirkt. Das hieß einen harten
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0355"n="345"/>
der dem Kaiſer Joſeph in verwandter Richtung zwar we-<lb/>
nig zugeſtanden, aber Vieles nachgeſehen hatte. Allein<lb/>
als Ludwig ſeine ſchmerzliche Genehmigung zögernd gege-<noteplace="right">Aug. 24.</note><lb/>
ben hatte und nun den Papſt beſchwor ihm in dieſem grau-<lb/>ſamen Drange zu Hülfe zu kommen, entgegnete Pius:<lb/>„Seine Majeſtät wolle nicht glauben daß ein rein politi-<lb/>ſcher Körper die allgemeine Lehre und Zucht der Kirche<lb/>
verändern könne, Beſchlüſſe faſſen könne wegen der Wahl<lb/>
der Biſchöfe oder wegen Aufhebung biſchöflicher Sitze.<lb/>
Ferne ſey es daß Seine Majeſtät ihr ewiges Heil daran<lb/>
wage oder das Heil ihrer Völker, mittelſt einer voreiligen<lb/>
Genehmigung zum Ärgerniſſe der ganzen katholiſchen Welt.<lb/>
Hat der König den Rechten ſeiner Krone entſagen können,<lb/>ſo darf doch keine Rückſicht ihn verleiten, ſeine Pflicht gegen<lb/>
Gott und die Kirche zu opfern, deren älteſter Sohn er iſt.“<lb/>
Dieſe Worte, ſorgſam verheimlicht, laſteten darum nicht<lb/>
minder ſchwer auf des Königs Gemüthe. Nun kam das<lb/>
Decret vom 27ſten November. Jeder Geiſtliche, der ſey’s<lb/>
ein Kirchenamt, ſey’s ein Schulamt verwaltet, ſoll den<lb/>
Eid leiſten: „Ich ſchwöre mit Sorgfalt für die Gläubigen<lb/>
zu wachen, deren Leitung mir anvertraut iſt; ich ſchwöre<lb/>
der Nation treu zu ſeyn, dem Geſetze und dem Könige;<lb/>
ich ſchwöre mit aller meiner Macht die franzöſiſche Conſti-<lb/>
tution aufrecht zu erhalten und namentlich die Decrete,<lb/>
welche die bürgerliche Verfaſſung der Geiſtlichkeit an-<lb/>
gehen.“ Wer dieſen Eid in gewiſſer Friſt nicht leiſtet,<lb/>
hat ſein Kirchenamt verwirkt. Das hieß einen harten<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[345/0355]
der dem Kaiſer Joſeph in verwandter Richtung zwar we-
nig zugeſtanden, aber Vieles nachgeſehen hatte. Allein
als Ludwig ſeine ſchmerzliche Genehmigung zögernd gege-
ben hatte und nun den Papſt beſchwor ihm in dieſem grau-
ſamen Drange zu Hülfe zu kommen, entgegnete Pius:
„Seine Majeſtät wolle nicht glauben daß ein rein politi-
ſcher Körper die allgemeine Lehre und Zucht der Kirche
verändern könne, Beſchlüſſe faſſen könne wegen der Wahl
der Biſchöfe oder wegen Aufhebung biſchöflicher Sitze.
Ferne ſey es daß Seine Majeſtät ihr ewiges Heil daran
wage oder das Heil ihrer Völker, mittelſt einer voreiligen
Genehmigung zum Ärgerniſſe der ganzen katholiſchen Welt.
Hat der König den Rechten ſeiner Krone entſagen können,
ſo darf doch keine Rückſicht ihn verleiten, ſeine Pflicht gegen
Gott und die Kirche zu opfern, deren älteſter Sohn er iſt.“
Dieſe Worte, ſorgſam verheimlicht, laſteten darum nicht
minder ſchwer auf des Königs Gemüthe. Nun kam das
Decret vom 27ſten November. Jeder Geiſtliche, der ſey’s
ein Kirchenamt, ſey’s ein Schulamt verwaltet, ſoll den
Eid leiſten: „Ich ſchwöre mit Sorgfalt für die Gläubigen
zu wachen, deren Leitung mir anvertraut iſt; ich ſchwöre
der Nation treu zu ſeyn, dem Geſetze und dem Könige;
ich ſchwöre mit aller meiner Macht die franzöſiſche Conſti-
tution aufrecht zu erhalten und namentlich die Decrete,
welche die bürgerliche Verfaſſung der Geiſtlichkeit an-
gehen.“ Wer dieſen Eid in gewiſſer Friſt nicht leiſtet,
hat ſein Kirchenamt verwirkt. Das hieß einen harten
Aug. 24.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/355>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.