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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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die Verbrechen der verletzten Nation errichtet werden" wu-
cherten in den Gemüthern der Menge, und diesen Philo-
sophen des nackten Willens, welcher, die Gewalt der
Fäuste im Hinterhalt, keiner Gründe mehr bedarf, war
die Ehre der Sitzung zu Theil geworden. Auch gingen die
Minister allmählig von selbst ab bis auf den minder ge-
tadelten Montmorin; aber der König sollte doch nun ein-
mal Minister haben, und wenig fehlte so hätte er in sei-
ner Apathie dem albernen Rathe Bergasse's nachgegeben,
die Nationalversammlung um Bezeichnung derselben zu
bitten, wäre nicht Mirabeau dazwischen getreten.

Das Jahr 1790 endigte überaus traurig für den Kö-
nig; denn das Werk, dessen Grund man am 12ten Ju-
lius legte, ward am 27sten November vollendet, die neue
Juli 12.Verfassung der Geistlichkeit. An jenem ersten Tage ward
beschlossen: In jedem Departement soll ein Bischof seyn,
zehn Erzbisthümer im ganzen Königreiche: die Wahl der
Bischöfe und der Pfarrer geschieht nach dem Muster der
ursprünglichen Kirche durch das Volk nach Stimmenmehr-
heit: alle Kirchendiener werden aus dem königlichen
Schatze besoldet, ohne daß Accidenzien stattfinden. Man
rechnete aber, daß diese Besoldungen insgesammt, die Jahr-
gelder der Mönche und Nonnen mit eingeschlossen, nur
die Hälfte der bisherigen Einkünfte der Geistlichkeit ver-
zehren würden. Diese Neuerungen drangen tief in die
Kirchenverfassung ein, allein es schien nicht ganz unmöglich,
die Zulassung des Papstes für sie zu gewinnen, Pius VI.,

die Verbrechen der verletzten Nation errichtet werden“ wu-
cherten in den Gemüthern der Menge, und dieſen Philo-
ſophen des nackten Willens, welcher, die Gewalt der
Fäuſte im Hinterhalt, keiner Gründe mehr bedarf, war
die Ehre der Sitzung zu Theil geworden. Auch gingen die
Miniſter allmählig von ſelbſt ab bis auf den minder ge-
tadelten Montmorin; aber der König ſollte doch nun ein-
mal Miniſter haben, und wenig fehlte ſo hätte er in ſei-
ner Apathie dem albernen Rathe Bergaſſe’s nachgegeben,
die Nationalverſammlung um Bezeichnung derſelben zu
bitten, wäre nicht Mirabeau dazwiſchen getreten.

Das Jahr 1790 endigte überaus traurig für den Kö-
nig; denn das Werk, deſſen Grund man am 12ten Ju-
lius legte, ward am 27ſten November vollendet, die neue
Juli 12.Verfaſſung der Geiſtlichkeit. An jenem erſten Tage ward
beſchloſſen: In jedem Departement ſoll ein Biſchof ſeyn,
zehn Erzbisthümer im ganzen Königreiche: die Wahl der
Biſchöfe und der Pfarrer geſchieht nach dem Muſter der
urſprünglichen Kirche durch das Volk nach Stimmenmehr-
heit: alle Kirchendiener werden aus dem königlichen
Schatze beſoldet, ohne daß Accidenzien ſtattfinden. Man
rechnete aber, daß dieſe Beſoldungen insgeſammt, die Jahr-
gelder der Mönche und Nonnen mit eingeſchloſſen, nur
die Hälfte der bisherigen Einkünfte der Geiſtlichkeit ver-
zehren würden. Dieſe Neuerungen drangen tief in die
Kirchenverfaſſung ein, allein es ſchien nicht ganz unmöglich,
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[344/0354] die Verbrechen der verletzten Nation errichtet werden“ wu- cherten in den Gemüthern der Menge, und dieſen Philo- ſophen des nackten Willens, welcher, die Gewalt der Fäuſte im Hinterhalt, keiner Gründe mehr bedarf, war die Ehre der Sitzung zu Theil geworden. Auch gingen die Miniſter allmählig von ſelbſt ab bis auf den minder ge- tadelten Montmorin; aber der König ſollte doch nun ein- mal Miniſter haben, und wenig fehlte ſo hätte er in ſei- ner Apathie dem albernen Rathe Bergaſſe’s nachgegeben, die Nationalverſammlung um Bezeichnung derſelben zu bitten, wäre nicht Mirabeau dazwiſchen getreten. Das Jahr 1790 endigte überaus traurig für den Kö- nig; denn das Werk, deſſen Grund man am 12ten Ju- lius legte, ward am 27ſten November vollendet, die neue Verfaſſung der Geiſtlichkeit. An jenem erſten Tage ward beſchloſſen: In jedem Departement ſoll ein Biſchof ſeyn, zehn Erzbisthümer im ganzen Königreiche: die Wahl der Biſchöfe und der Pfarrer geſchieht nach dem Muſter der urſprünglichen Kirche durch das Volk nach Stimmenmehr- heit: alle Kirchendiener werden aus dem königlichen Schatze beſoldet, ohne daß Accidenzien ſtattfinden. Man rechnete aber, daß dieſe Beſoldungen insgeſammt, die Jahr- gelder der Mönche und Nonnen mit eingeſchloſſen, nur die Hälfte der bisherigen Einkünfte der Geiſtlichkeit ver- zehren würden. Dieſe Neuerungen drangen tief in die Kirchenverfaſſung ein, allein es ſchien nicht ganz unmöglich, die Zulaſſung des Papſtes für ſie zu gewinnen, Pius VI., Juli 12.

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/354>, abgerufen am 14.05.2024.