der Mann, welchem zwei Kammern zu viel waren, deren drei auf.
Die Discussion war geschlossen, aber der Tag der Abstimmung noch nicht gekommen, noch schwankte die Wage, als Necker dazwischen trat.
Necker war dem Rufe des Königs gefolgt. Seine Reise von Basel nach Paris glich einem Triumphzuge; dennoch mußte er schon unterwegs erfahren, wie es mit dem kö- niglichen Ansehn stehe. Der König hatte den General von Besenval veranlaßt sich in seine Schweiz zurückzuziehen, allein man hielt den verhaßten Mann unterwegs fest, und Neckers Ermahnung, den königlichen Befehl zu achten, blieb fruchtlos: man wollte den Befehl des pariser Stadt- hauses erwarten. Als nun der neue Minister zum ersten Male in die Hauptstadt kam, benutzte er die Jugend sei- Juli 30.ner Volksgunst, begab sich in das Stadthaus, wo gerade die Wähler beschäftigt waren die neu gewählte Stadt- obrigkeit zu installiren, um ihr Platz zu machen, richtete an sie Alle Worte dankbarer Rührung, und vom allgemei- nen Beifalle begrüßt, dem Volk draußen gezeigt, bat er, diesen schönen Tag durch eine allgemeine Amnestie zu ei- nem unvergeßlichen zu machen. Kaum hatte Necker geen- digt, als man ihm von allen Seiten beifiel; ein Beschluß wird aufgesetzt, der von allen Kanzeln in ganz Frankreich verlesen werden soll; keine Gewalt mehr, Verzeihung, öffentliche Ruhe. Necker vergoß Thränen der Rührung, kehrte beseligt nach Versailles zurück, verkündigte dem
der Mann, welchem zwei Kammern zu viel waren, deren drei auf.
Die Discuſſion war geſchloſſen, aber der Tag der Abſtimmung noch nicht gekommen, noch ſchwankte die Wage, als Necker dazwiſchen trat.
Necker war dem Rufe des Königs gefolgt. Seine Reiſe von Baſel nach Paris glich einem Triumphzuge; dennoch mußte er ſchon unterwegs erfahren, wie es mit dem kö- niglichen Anſehn ſtehe. Der König hatte den General von Beſenval veranlaßt ſich in ſeine Schweiz zurückzuziehen, allein man hielt den verhaßten Mann unterwegs feſt, und Neckers Ermahnung, den königlichen Befehl zu achten, blieb fruchtlos: man wollte den Befehl des pariſer Stadt- hauſes erwarten. Als nun der neue Miniſter zum erſten Male in die Hauptſtadt kam, benutzte er die Jugend ſei- Juli 30.ner Volksgunſt, begab ſich in das Stadthaus, wo gerade die Wähler beſchäftigt waren die neu gewählte Stadt- obrigkeit zu inſtalliren, um ihr Platz zu machen, richtete an ſie Alle Worte dankbarer Rührung, und vom allgemei- nen Beifalle begrüßt, dem Volk draußen gezeigt, bat er, dieſen ſchönen Tag durch eine allgemeine Amneſtie zu ei- nem unvergeßlichen zu machen. Kaum hatte Necker geen- digt, als man ihm von allen Seiten beifiel; ein Beſchluß wird aufgeſetzt, der von allen Kanzeln in ganz Frankreich verleſen werden ſoll; keine Gewalt mehr, Verzeihung, öffentliche Ruhe. Necker vergoß Thränen der Rührung, kehrte beſeligt nach Verſailles zurück, verkündigte dem
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der Mann, welchem zwei Kammern zu viel waren, deren
drei auf.
Die Discuſſion war geſchloſſen, aber der Tag der
Abſtimmung noch nicht gekommen, noch ſchwankte die
Wage, als Necker dazwiſchen trat.
Necker war dem Rufe des Königs gefolgt. Seine Reiſe
von Baſel nach Paris glich einem Triumphzuge; dennoch
mußte er ſchon unterwegs erfahren, wie es mit dem kö-
niglichen Anſehn ſtehe. Der König hatte den General von
Beſenval veranlaßt ſich in ſeine Schweiz zurückzuziehen,
allein man hielt den verhaßten Mann unterwegs feſt, und
Neckers Ermahnung, den königlichen Befehl zu achten,
blieb fruchtlos: man wollte den Befehl des pariſer Stadt-
hauſes erwarten. Als nun der neue Miniſter zum erſten
Male in die Hauptſtadt kam, benutzte er die Jugend ſei-
ner Volksgunſt, begab ſich in das Stadthaus, wo gerade
die Wähler beſchäftigt waren die neu gewählte Stadt-
obrigkeit zu inſtalliren, um ihr Platz zu machen, richtete
an ſie Alle Worte dankbarer Rührung, und vom allgemei-
nen Beifalle begrüßt, dem Volk draußen gezeigt, bat er,
dieſen ſchönen Tag durch eine allgemeine Amneſtie zu ei-
nem unvergeßlichen zu machen. Kaum hatte Necker geen-
digt, als man ihm von allen Seiten beifiel; ein Beſchluß
wird aufgeſetzt, der von allen Kanzeln in ganz Frankreich
verleſen werden ſoll; keine Gewalt mehr, Verzeihung,
öffentliche Ruhe. Necker vergoß Thränen der Rührung,
kehrte beſeligt nach Verſailles zurück, verkündigte dem
Juli 30.
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/276>, abgerufen am 25.11.2024.
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