Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

Königspaare die Beendigung der Revolution. Traurige
Täuschung eines unvorsichtigen, von dem Taumel augen-
blicklicher Gunst berauschten Ministers! Necker hatte einen
zwiefachen Misgriff begangen, indem er zugleich die Na-
tionalversammlung und die königliche Gerechtsame verletzte.
Das Stadthaus hatte hier nichts zu beschließen, nicht ein-
mal die Nationalversammlung. Eine Bitte um Amnestie,
von dieser an den König gerichtet, von dem Könige kraft
seines Begnadigungsrechtes gewährt, würde vor ganz
Frankreich die wiederhergestellte Eintracht der höchsten Ge-
walten bethätigt haben. Dennoch wäre es nützlich und
großmüthig gewesen, eine hochherzige Richtung zu begün-
stigen, indem man den begangenen Verstoß in der Natio-
nalversammlung verbesserte. Allein Mirabeau war nicht
der Mann, einen Widersacher, den er geringschätzte und
dessen Platz er einzunehmen hoffte, zu schonen. Einige
Districte von Paris wurden aufgeregt, die über ihre Über-
eilung bestürzten Wähler beeilten sich ihrem Beschlusse eine
andere Auslegung zu geben, die Nationalversammlung
sprach sich fast einstimmig gegen eine allgemeine AmnestieJuli 31.
aus, und Necker mußte beschämt seinem Könige gestehen,
seine Hoffnung auf Beendigung der Revolution sey eine
Täuschung gewesen.

Seit diesem Tage war Necker wieder bloß Finanzmini-
ster und ein schwer bedrängter. Noch waren die Beschlüsse
des 4ten August nicht vollständig redigirt, als er die auf
den Höhen der Philanthropie schwebende Versammlung in

Königspaare die Beendigung der Revolution. Traurige
Täuſchung eines unvorſichtigen, von dem Taumel augen-
blicklicher Gunſt berauſchten Miniſters! Necker hatte einen
zwiefachen Misgriff begangen, indem er zugleich die Na-
tionalverſammlung und die königliche Gerechtſame verletzte.
Das Stadthaus hatte hier nichts zu beſchließen, nicht ein-
mal die Nationalverſammlung. Eine Bitte um Amneſtie,
von dieſer an den König gerichtet, von dem Könige kraft
ſeines Begnadigungsrechtes gewährt, würde vor ganz
Frankreich die wiederhergeſtellte Eintracht der höchſten Ge-
walten bethätigt haben. Dennoch wäre es nützlich und
großmüthig geweſen, eine hochherzige Richtung zu begün-
ſtigen, indem man den begangenen Verſtoß in der Natio-
nalverſammlung verbeſſerte. Allein Mirabeau war nicht
der Mann, einen Widerſacher, den er geringſchätzte und
deſſen Platz er einzunehmen hoffte, zu ſchonen. Einige
Diſtricte von Paris wurden aufgeregt, die über ihre Über-
eilung beſtürzten Wähler beeilten ſich ihrem Beſchluſſe eine
andere Auslegung zu geben, die Nationalverſammlung
ſprach ſich faſt einſtimmig gegen eine allgemeine AmneſtieJuli 31.
aus, und Necker mußte beſchämt ſeinem Könige geſtehen,
ſeine Hoffnung auf Beendigung der Revolution ſey eine
Täuſchung geweſen.

Seit dieſem Tage war Necker wieder bloß Finanzmini-
ſter und ein ſchwer bedrängter. Noch waren die Beſchlüſſe
des 4ten Auguſt nicht vollſtändig redigirt, als er die auf
den Höhen der Philanthropie ſchwebende Verſammlung in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0277" n="267"/>
Königspaare die Beendigung der Revolution. Traurige<lb/>
Täu&#x017F;chung eines unvor&#x017F;ichtigen, von dem Taumel augen-<lb/>
blicklicher Gun&#x017F;t berau&#x017F;chten Mini&#x017F;ters! Necker hatte einen<lb/>
zwiefachen Misgriff begangen, indem er zugleich die Na-<lb/>
tionalver&#x017F;ammlung und die königliche Gerecht&#x017F;ame verletzte.<lb/>
Das Stadthaus hatte hier nichts zu be&#x017F;chließen, nicht ein-<lb/>
mal die Nationalver&#x017F;ammlung. Eine Bitte um Amne&#x017F;tie,<lb/>
von die&#x017F;er an den König gerichtet, von dem Könige kraft<lb/>
&#x017F;eines Begnadigungsrechtes gewährt, würde vor ganz<lb/>
Frankreich die wiederherge&#x017F;tellte Eintracht der höch&#x017F;ten Ge-<lb/>
walten bethätigt haben. Dennoch wäre es nützlich und<lb/>
großmüthig gewe&#x017F;en, eine hochherzige Richtung zu begün-<lb/>
&#x017F;tigen, indem man den begangenen Ver&#x017F;toß in der Natio-<lb/>
nalver&#x017F;ammlung verbe&#x017F;&#x017F;erte. Allein Mirabeau war nicht<lb/>
der Mann, einen Wider&#x017F;acher, den er gering&#x017F;chätzte und<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Platz er einzunehmen hoffte, zu &#x017F;chonen. Einige<lb/>
Di&#x017F;tricte von Paris wurden aufgeregt, die über ihre Über-<lb/>
eilung be&#x017F;türzten Wähler beeilten &#x017F;ich ihrem Be&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;e eine<lb/>
andere Auslegung zu geben, die Nationalver&#x017F;ammlung<lb/>
&#x017F;prach &#x017F;ich fa&#x017F;t ein&#x017F;timmig gegen eine allgemeine Amne&#x017F;tie<note place="right">Juli 31.</note><lb/>
aus, und Necker mußte be&#x017F;chämt &#x017F;einem Könige ge&#x017F;tehen,<lb/>
&#x017F;eine Hoffnung auf Beendigung der Revolution &#x017F;ey eine<lb/>
Täu&#x017F;chung gewe&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Seit die&#x017F;em Tage war Necker wieder bloß Finanzmini-<lb/>
&#x017F;ter und ein &#x017F;chwer bedrängter. Noch waren die Be&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e<lb/>
des 4ten Augu&#x017F;t nicht voll&#x017F;tändig redigirt, als er die auf<lb/>
den Höhen der Philanthropie &#x017F;chwebende Ver&#x017F;ammlung in<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[267/0277] Königspaare die Beendigung der Revolution. Traurige Täuſchung eines unvorſichtigen, von dem Taumel augen- blicklicher Gunſt berauſchten Miniſters! Necker hatte einen zwiefachen Misgriff begangen, indem er zugleich die Na- tionalverſammlung und die königliche Gerechtſame verletzte. Das Stadthaus hatte hier nichts zu beſchließen, nicht ein- mal die Nationalverſammlung. Eine Bitte um Amneſtie, von dieſer an den König gerichtet, von dem Könige kraft ſeines Begnadigungsrechtes gewährt, würde vor ganz Frankreich die wiederhergeſtellte Eintracht der höchſten Ge- walten bethätigt haben. Dennoch wäre es nützlich und großmüthig geweſen, eine hochherzige Richtung zu begün- ſtigen, indem man den begangenen Verſtoß in der Natio- nalverſammlung verbeſſerte. Allein Mirabeau war nicht der Mann, einen Widerſacher, den er geringſchätzte und deſſen Platz er einzunehmen hoffte, zu ſchonen. Einige Diſtricte von Paris wurden aufgeregt, die über ihre Über- eilung beſtürzten Wähler beeilten ſich ihrem Beſchluſſe eine andere Auslegung zu geben, die Nationalverſammlung ſprach ſich faſt einſtimmig gegen eine allgemeine Amneſtie aus, und Necker mußte beſchämt ſeinem Könige geſtehen, ſeine Hoffnung auf Beendigung der Revolution ſey eine Täuſchung geweſen. Juli 31. Seit dieſem Tage war Necker wieder bloß Finanzmini- ſter und ein ſchwer bedrängter. Noch waren die Beſchlüſſe des 4ten Auguſt nicht vollſtändig redigirt, als er die auf den Höhen der Philanthropie ſchwebende Verſammlung in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/277
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/277>, abgerufen am 13.05.2024.