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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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zwei Souveräns in demselben Staate aufstellen. Man
mischte die Massen geschäftig ein, manche Franzosen hiel-
ten das Veto für eine neue Auflage, andere für die Ur-
sache des Brodmangels. Im Palais-royal ging ein schrift-
licher Vorschlag herum, nach Versailles zu ziehen zur Un-
terstützung der patriotischen Abgeordneten; die Vetofreunde
müssen ausgestoßen und nachdem sie so ihrer Unverletzbarkeit
beraubt sind, muß ihnen der Proceß gemacht werden.

Auf diesem Felde der Vetofrage entwickelte Mirabeau
seine Meisterschaft, während Sieyes, Begriffe spaltend,
unter die Mittelmäßigkeit herabsank. Aber Neckers ge-
brechlicher Nachen lief eben hier kläglich auf den Strand.

Sept. 1.Mirabeau läßt alle Gerechtigkeit der Besorgniß wider-
fahren, in die Hände eines einzigen Menschen die Macht
niederzulegen, daß er sagen dürfe: "Ich widersetze mich der
allgemeinen Einsicht." Allein, indem der Redner sich in
Acht nimmt, nicht gegen die Lieblingsansichten von der
Entstehung des Staats durch willkürliche Satzungen an-
zustoßen, giebt er zu bedenken, daß ja auch schlechte Wah-
len von Volksvertretern möglich sind, daß es diesen ein-
fallen kann, wenn ihnen kein königliches Veto gegenüber
steht, ihre Vertretungszeit nach Belieben zu verlängern,
zu verewigen, ja sogar die ausübende Gewalt in sich auf-
zunehmen, wie das Alles in England in den Tagen der
Revolution gegen Karl I. vorgekommen. Ganz gewiß, er
will es nicht läugnen, kann das Veto des Fürsten sich ei-
nem guten Gesetze widersetzen, allein es kann auch be-

zwei Souveräns in demſelben Staate aufſtellen. Man
miſchte die Maſſen geſchäftig ein, manche Franzoſen hiel-
ten das Veto für eine neue Auflage, andere für die Ur-
ſache des Brodmangels. Im Palais-royal ging ein ſchrift-
licher Vorſchlag herum, nach Verſailles zu ziehen zur Un-
terſtützung der patriotiſchen Abgeordneten; die Vetofreunde
müſſen ausgeſtoßen und nachdem ſie ſo ihrer Unverletzbarkeit
beraubt ſind, muß ihnen der Proceß gemacht werden.

Auf dieſem Felde der Vetofrage entwickelte Mirabeau
ſeine Meiſterſchaft, während Sieyes, Begriffe ſpaltend,
unter die Mittelmäßigkeit herabſank. Aber Neckers ge-
brechlicher Nachen lief eben hier kläglich auf den Strand.

Sept. 1.Mirabeau läßt alle Gerechtigkeit der Beſorgniß wider-
fahren, in die Hände eines einzigen Menſchen die Macht
niederzulegen, daß er ſagen dürfe: „Ich widerſetze mich der
allgemeinen Einſicht.“ Allein, indem der Redner ſich in
Acht nimmt, nicht gegen die Lieblingsanſichten von der
Entſtehung des Staats durch willkürliche Satzungen an-
zuſtoßen, giebt er zu bedenken, daß ja auch ſchlechte Wah-
len von Volksvertretern möglich ſind, daß es dieſen ein-
fallen kann, wenn ihnen kein königliches Veto gegenüber
ſteht, ihre Vertretungszeit nach Belieben zu verlängern,
zu verewigen, ja ſogar die ausübende Gewalt in ſich auf-
zunehmen, wie das Alles in England in den Tagen der
Revolution gegen Karl I. vorgekommen. Ganz gewiß, er
will es nicht läugnen, kann das Veto des Fürſten ſich ei-
nem guten Geſetze widerſetzen, allein es kann auch be-

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[258/0268] zwei Souveräns in demſelben Staate aufſtellen. Man miſchte die Maſſen geſchäftig ein, manche Franzoſen hiel- ten das Veto für eine neue Auflage, andere für die Ur- ſache des Brodmangels. Im Palais-royal ging ein ſchrift- licher Vorſchlag herum, nach Verſailles zu ziehen zur Un- terſtützung der patriotiſchen Abgeordneten; die Vetofreunde müſſen ausgeſtoßen und nachdem ſie ſo ihrer Unverletzbarkeit beraubt ſind, muß ihnen der Proceß gemacht werden. Auf dieſem Felde der Vetofrage entwickelte Mirabeau ſeine Meiſterſchaft, während Sieyes, Begriffe ſpaltend, unter die Mittelmäßigkeit herabſank. Aber Neckers ge- brechlicher Nachen lief eben hier kläglich auf den Strand. Mirabeau läßt alle Gerechtigkeit der Beſorgniß wider- fahren, in die Hände eines einzigen Menſchen die Macht niederzulegen, daß er ſagen dürfe: „Ich widerſetze mich der allgemeinen Einſicht.“ Allein, indem der Redner ſich in Acht nimmt, nicht gegen die Lieblingsanſichten von der Entſtehung des Staats durch willkürliche Satzungen an- zuſtoßen, giebt er zu bedenken, daß ja auch ſchlechte Wah- len von Volksvertretern möglich ſind, daß es dieſen ein- fallen kann, wenn ihnen kein königliches Veto gegenüber ſteht, ihre Vertretungszeit nach Belieben zu verlängern, zu verewigen, ja ſogar die ausübende Gewalt in ſich auf- zunehmen, wie das Alles in England in den Tagen der Revolution gegen Karl I. vorgekommen. Ganz gewiß, er will es nicht läugnen, kann das Veto des Fürſten ſich ei- nem guten Geſetze widerſetzen, allein es kann auch be- Sept. 1.

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/268>, abgerufen am 24.11.2024.