Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

gewordene Sophie. Sie war aus adlichem Hause, wo
der Töchter Schicksal damals insgemein der männlichen
Nachkommenschaft geopfert ward. Ihre ältere Schwester
kam in ein Kloster. Sophie sollte zwölfjährig zuerst den
63jährigen berühmten Büffon heirathen, doch der noch
ältere Monnier erhielt den Vorzug. Sie war nicht glück-
lich, aber ertrug das Leben, als ihr auf einmal Mira-
beau's Umgang zeigte, wie reich ein Menschenleben wer-
den kann. Man darf nicht sagen daß er wie ein gemeiner
Verführer sich seiner Beute bemächtigt habe, er wider-
stand, suchte stärker zu werden, indem er seine Frau in
den dringendsten Ausdrücken einlud seine Gefangenschaft
zu theilen. Als eine Erwiderung von eisiger Kälte kam,
da freilich schlugen alle Wellen der Leidenschaft über ihm
zusammen. Die Eifersucht des Gemahls erwachte oder
ward durch fremde Anzeigen wider Willen geweckt. Ent-
führung und Flucht waren der Ausgang. Da das Paar
sich in der nahen Schweiz nicht sicher wußte, ging es wei-
ter nach Holland.

Am 10ten Mai 1777 ward Mirabeau als Verführer
und Entführer einer Ehefrau vom Amtsgerichte von Pon-
tarlier zur Enthauptung im Bilde und 40,000 Livres Ent-
schädigung verurtheilt. Der Vater verwandte 20,000
Livres darauf der Schuldigen habhaft zu werden, und es
gelang. Hören wir wie der Ami des hommes in einem
Briefe an den Bruder sich Glück dazu wünscht. "Da es
keine Familiengerichtsbarkeit mehr giebt, so muß man zu

Französische Revolution. 12

gewordene Sophie. Sie war aus adlichem Hauſe, wo
der Töchter Schickſal damals insgemein der männlichen
Nachkommenſchaft geopfert ward. Ihre ältere Schweſter
kam in ein Kloſter. Sophie ſollte zwölfjährig zuerſt den
63jährigen berühmten Büffon heirathen, doch der noch
ältere Monnier erhielt den Vorzug. Sie war nicht glück-
lich, aber ertrug das Leben, als ihr auf einmal Mira-
beau’s Umgang zeigte, wie reich ein Menſchenleben wer-
den kann. Man darf nicht ſagen daß er wie ein gemeiner
Verführer ſich ſeiner Beute bemächtigt habe, er wider-
ſtand, ſuchte ſtärker zu werden, indem er ſeine Frau in
den dringendſten Ausdrücken einlud ſeine Gefangenſchaft
zu theilen. Als eine Erwiderung von eiſiger Kälte kam,
da freilich ſchlugen alle Wellen der Leidenſchaft über ihm
zuſammen. Die Eiferſucht des Gemahls erwachte oder
ward durch fremde Anzeigen wider Willen geweckt. Ent-
führung und Flucht waren der Ausgang. Da das Paar
ſich in der nahen Schweiz nicht ſicher wußte, ging es wei-
ter nach Holland.

Am 10ten Mai 1777 ward Mirabeau als Verführer
und Entführer einer Ehefrau vom Amtsgerichte von Pon-
tarlier zur Enthauptung im Bilde und 40,000 Livres Ent-
ſchädigung verurtheilt. Der Vater verwandte 20,000
Livres darauf der Schuldigen habhaft zu werden, und es
gelang. Hören wir wie der Ami des hommes in einem
Briefe an den Bruder ſich Glück dazu wünſcht. „Da es
keine Familiengerichtsbarkeit mehr giebt, ſo muß man zu

Franzöſiſche Revolution. 12
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0187" n="177"/>
gewordene Sophie. Sie war aus adlichem Hau&#x017F;e, wo<lb/>
der Töchter Schick&#x017F;al damals insgemein der männlichen<lb/>
Nachkommen&#x017F;chaft geopfert ward. Ihre ältere Schwe&#x017F;ter<lb/>
kam in ein Klo&#x017F;ter. Sophie &#x017F;ollte zwölfjährig zuer&#x017F;t den<lb/>
63jährigen berühmten Büffon heirathen, doch der noch<lb/>
ältere Monnier erhielt den Vorzug. Sie war nicht glück-<lb/>
lich, aber ertrug das Leben, als ihr auf einmal Mira-<lb/>
beau&#x2019;s Umgang zeigte, wie reich ein Men&#x017F;chenleben wer-<lb/>
den kann. Man darf nicht &#x017F;agen daß er wie ein gemeiner<lb/>
Verführer &#x017F;ich &#x017F;einer Beute bemächtigt habe, er wider-<lb/>
&#x017F;tand, &#x017F;uchte &#x017F;tärker zu werden, indem er &#x017F;eine Frau in<lb/>
den dringend&#x017F;ten Ausdrücken einlud &#x017F;eine Gefangen&#x017F;chaft<lb/>
zu theilen. Als eine Erwiderung von ei&#x017F;iger Kälte kam,<lb/>
da freilich &#x017F;chlugen alle Wellen der Leiden&#x017F;chaft über ihm<lb/>
zu&#x017F;ammen. Die Eifer&#x017F;ucht des Gemahls erwachte oder<lb/>
ward durch fremde Anzeigen wider Willen geweckt. Ent-<lb/>
führung und Flucht waren der Ausgang. Da das Paar<lb/>
&#x017F;ich in der nahen Schweiz nicht &#x017F;icher wußte, ging es wei-<lb/>
ter nach Holland.</p><lb/>
          <p>Am 10ten Mai 1777 ward Mirabeau als Verführer<lb/>
und Entführer einer Ehefrau vom Amtsgerichte von Pon-<lb/>
tarlier zur Enthauptung im Bilde und 40,000 Livres Ent-<lb/>
&#x017F;chädigung verurtheilt. Der Vater verwandte 20,000<lb/>
Livres darauf der Schuldigen habhaft zu werden, und es<lb/>
gelang. Hören wir wie der <hi rendition="#aq">Ami des hommes</hi> in einem<lb/>
Briefe an den Bruder &#x017F;ich Glück dazu wün&#x017F;cht. &#x201E;Da es<lb/>
keine Familiengerichtsbarkeit mehr giebt, &#x017F;o muß man zu<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Franzö&#x017F;i&#x017F;che Revolution. 12</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[177/0187] gewordene Sophie. Sie war aus adlichem Hauſe, wo der Töchter Schickſal damals insgemein der männlichen Nachkommenſchaft geopfert ward. Ihre ältere Schweſter kam in ein Kloſter. Sophie ſollte zwölfjährig zuerſt den 63jährigen berühmten Büffon heirathen, doch der noch ältere Monnier erhielt den Vorzug. Sie war nicht glück- lich, aber ertrug das Leben, als ihr auf einmal Mira- beau’s Umgang zeigte, wie reich ein Menſchenleben wer- den kann. Man darf nicht ſagen daß er wie ein gemeiner Verführer ſich ſeiner Beute bemächtigt habe, er wider- ſtand, ſuchte ſtärker zu werden, indem er ſeine Frau in den dringendſten Ausdrücken einlud ſeine Gefangenſchaft zu theilen. Als eine Erwiderung von eiſiger Kälte kam, da freilich ſchlugen alle Wellen der Leidenſchaft über ihm zuſammen. Die Eiferſucht des Gemahls erwachte oder ward durch fremde Anzeigen wider Willen geweckt. Ent- führung und Flucht waren der Ausgang. Da das Paar ſich in der nahen Schweiz nicht ſicher wußte, ging es wei- ter nach Holland. Am 10ten Mai 1777 ward Mirabeau als Verführer und Entführer einer Ehefrau vom Amtsgerichte von Pon- tarlier zur Enthauptung im Bilde und 40,000 Livres Ent- ſchädigung verurtheilt. Der Vater verwandte 20,000 Livres darauf der Schuldigen habhaft zu werden, und es gelang. Hören wir wie der Ami des hommes in einem Briefe an den Bruder ſich Glück dazu wünſcht. „Da es keine Familiengerichtsbarkeit mehr giebt, ſo muß man zu Franzöſiſche Revolution. 12

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/187
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/187>, abgerufen am 23.11.2024.