den damaligen Generalcontroleur Lambert trafen herb die Worte: "Seit acht Monaten sind Sie der vierte General- controleur, und Sie machen einen Plan, der fünf Jahre braucht, um in Erfüllung zu gehen?" D'Espremenil sprach wohl zwei Stunden lang mit jener inneren Bewe- gung, die den Redner macht, bat in sonst bescheidenen Ausdrücken um die Berufung der Reichsstände auf 1789. Die Sitzung wollte nicht enden; jede halbe Stunde gin- gen Boten an die Königin nach Versailles, die wegen des Gelingens ihres Werkes doch in großen Sorgen stand. Die Abstimmung hatte sieben Stunden gedauert, der erste Präsident hatte die Stimmen gesammelt und erwartete nun den Befehl des Königs sie zu zählen, um demnächst die Anleihe als Ergebniß der Stimmenmehrheit zur Ein- zeichnung zu bringen. Zu allgemeiner Überraschung aber näherte der Siegelbewahrer sich dem Throne und empfing den Befehl des Königs, die Einzeichnung zu verkündigen. Da erwachte alle Reizbarkeit der Magistrate, deren Mehr- zahl ihren guten Willen so schlimm gelohnt sah, und ein Prinz vom Geblüt, der Herzog von Orleans erhub sich nach einiger Zögerung. Dieser Herr, der seit zwei Jah- ren in Rang und Reichthum seines verstorbenen Vaters eingetreten war, stand bis dahin bei den Parisern in übelm Ansehn. Man vergab ihm nicht daß er im Garten seines Palais-Royal die schönen schattigen Baumgänge hatte umhauen lassen und ihn mit Gallerien umzogen, für deren Benutzung zu Kaufgeschäften und manchem nicht ge-
den damaligen Generalcontroleur Lambert trafen herb die Worte: „Seit acht Monaten ſind Sie der vierte General- controleur, und Sie machen einen Plan, der fünf Jahre braucht, um in Erfüllung zu gehen?“ D’Espréménil ſprach wohl zwei Stunden lang mit jener inneren Bewe- gung, die den Redner macht, bat in ſonſt beſcheidenen Ausdrücken um die Berufung der Reichsſtände auf 1789. Die Sitzung wollte nicht enden; jede halbe Stunde gin- gen Boten an die Königin nach Verſailles, die wegen des Gelingens ihres Werkes doch in großen Sorgen ſtand. Die Abſtimmung hatte ſieben Stunden gedauert, der erſte Präſident hatte die Stimmen geſammelt und erwartete nun den Befehl des Königs ſie zu zählen, um demnächſt die Anleihe als Ergebniß der Stimmenmehrheit zur Ein- zeichnung zu bringen. Zu allgemeiner Überraſchung aber näherte der Siegelbewahrer ſich dem Throne und empfing den Befehl des Königs, die Einzeichnung zu verkündigen. Da erwachte alle Reizbarkeit der Magiſtrate, deren Mehr- zahl ihren guten Willen ſo ſchlimm gelohnt ſah, und ein Prinz vom Geblüt, der Herzog von Orleans erhub ſich nach einiger Zögerung. Dieſer Herr, der ſeit zwei Jah- ren in Rang und Reichthum ſeines verſtorbenen Vaters eingetreten war, ſtand bis dahin bei den Pariſern in übelm Anſehn. Man vergab ihm nicht daß er im Garten ſeines Palais-Royal die ſchönen ſchattigen Baumgänge hatte umhauen laſſen und ihn mit Gallerien umzogen, für deren Benutzung zu Kaufgeſchäften und manchem nicht ge-
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den damaligen Generalcontroleur Lambert trafen herb die
Worte: „Seit acht Monaten ſind Sie der vierte General-
controleur, und Sie machen einen Plan, der fünf Jahre
braucht, um in Erfüllung zu gehen?“ D’Espréménil
ſprach wohl zwei Stunden lang mit jener inneren Bewe-
gung, die den Redner macht, bat in ſonſt beſcheidenen
Ausdrücken um die Berufung der Reichsſtände auf 1789.
Die Sitzung wollte nicht enden; jede halbe Stunde gin-
gen Boten an die Königin nach Verſailles, die wegen
des Gelingens ihres Werkes doch in großen Sorgen ſtand.
Die Abſtimmung hatte ſieben Stunden gedauert, der erſte
Präſident hatte die Stimmen geſammelt und erwartete
nun den Befehl des Königs ſie zu zählen, um demnächſt
die Anleihe als Ergebniß der Stimmenmehrheit zur Ein-
zeichnung zu bringen. Zu allgemeiner Überraſchung aber
näherte der Siegelbewahrer ſich dem Throne und empfing
den Befehl des Königs, die Einzeichnung zu verkündigen.
Da erwachte alle Reizbarkeit der Magiſtrate, deren Mehr-
zahl ihren guten Willen ſo ſchlimm gelohnt ſah, und ein
Prinz vom Geblüt, der Herzog von Orleans erhub ſich
nach einiger Zögerung. Dieſer Herr, der ſeit zwei Jah-
ren in Rang und Reichthum ſeines verſtorbenen Vaters
eingetreten war, ſtand bis dahin bei den Pariſern in
übelm Anſehn. Man vergab ihm nicht daß er im Garten
ſeines Palais-Royal die ſchönen ſchattigen Baumgänge
hatte umhauen laſſen und ihn mit Gallerien umzogen, für
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/134>, abgerufen am 23.11.2024.
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