Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

Amerikaner war sie ohnehin überdrüssig. Wenn sie dann,
von dem Anblick des neuerfundenen Luftballons oder einer
Vorstellung der Hochzeit des Figaro begeistert, in die
Staatsgeschäfte hineinflatterte, ein Staatsamt für einen
Beschützten wie eine leichte Gunst erbat: es that nicht gut,
aber gar selten daß sie ihren Busenfreunden den Polignacs
nicht am Ende freudestrahlend die Nachricht bringen konnte,
es sey ihr doch geglückt. Dafür rächte sich das Publicum
mit eisiger Kälte, sobald sie sich allein ohne den König
blicken ließ; einmal verstimmt, hieß man sie eine Ver-
schwenderin, und insofern mit Recht, als sie ein Beispiel
zu geben hatte; man nannte sie auch die Österreicherin
und that ihr Unrecht, weil sie, ohne ihrer Heimat zu ver-
gessen, wirklich Französin geworden war. Mit einem
Wort, man wünschte ihr etwas anhaben zu können, und
die Gelegenheit ließ nicht auf sich warten.

Mariä Himmelfahrt, der 15. August 1785, bot den
Versaillern einen merkwürdigen Anblick dar. Man war-
tete auf den feierlichen Kirchgang der höchsten Herrschaf-
ten, statt dessen fuhr über den Schloßhof ein vornehmer
Gefangener unter Bedeckung. Es war der Cardinal Louis
de Rohan, Bischof von Straßburg, Großalmosenier von
Frankreich; Gerüchte flogen von einem entwendeten kost-
baren Halsbande, von der Beleidigung einer erhabenen
Frau. Bald vernimmt man, die Sache komme vor das
Parlament, denn es sey dem Cardinal abgeschlagen von
seinen Standesgenossen gerichtet zu werden. Der Cardinal

Amerikaner war ſie ohnehin überdrüſſig. Wenn ſie dann,
von dem Anblick des neuerfundenen Luftballons oder einer
Vorſtellung der Hochzeit des Figaro begeiſtert, in die
Staatsgeſchäfte hineinflatterte, ein Staatsamt für einen
Beſchützten wie eine leichte Gunſt erbat: es that nicht gut,
aber gar ſelten daß ſie ihren Buſenfreunden den Polignacs
nicht am Ende freudeſtrahlend die Nachricht bringen konnte,
es ſey ihr doch geglückt. Dafür rächte ſich das Publicum
mit eiſiger Kälte, ſobald ſie ſich allein ohne den König
blicken ließ; einmal verſtimmt, hieß man ſie eine Ver-
ſchwenderin, und inſofern mit Recht, als ſie ein Beiſpiel
zu geben hatte; man nannte ſie auch die Öſterreicherin
und that ihr Unrecht, weil ſie, ohne ihrer Heimat zu ver-
geſſen, wirklich Franzöſin geworden war. Mit einem
Wort, man wünſchte ihr etwas anhaben zu können, und
die Gelegenheit ließ nicht auf ſich warten.

Mariä Himmelfahrt, der 15. Auguſt 1785, bot den
Verſaillern einen merkwürdigen Anblick dar. Man war-
tete auf den feierlichen Kirchgang der höchſten Herrſchaf-
ten, ſtatt deſſen fuhr über den Schloßhof ein vornehmer
Gefangener unter Bedeckung. Es war der Cardinal Louis
de Rohan, Biſchof von Straßburg, Großalmoſenier von
Frankreich; Gerüchte flogen von einem entwendeten koſt-
baren Halsbande, von der Beleidigung einer erhabenen
Frau. Bald vernimmt man, die Sache komme vor das
Parlament, denn es ſey dem Cardinal abgeſchlagen von
ſeinen Standesgenoſſen gerichtet zu werden. Der Cardinal

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0106" n="96"/>
Amerikaner war &#x017F;ie ohnehin überdrü&#x017F;&#x017F;ig. Wenn &#x017F;ie dann,<lb/>
von dem Anblick des neuerfundenen Luftballons oder einer<lb/>
Vor&#x017F;tellung der Hochzeit des Figaro begei&#x017F;tert, in die<lb/>
Staatsge&#x017F;chäfte hineinflatterte, ein Staatsamt für einen<lb/>
Be&#x017F;chützten wie eine leichte Gun&#x017F;t erbat: es that nicht gut,<lb/>
aber gar &#x017F;elten daß &#x017F;ie ihren Bu&#x017F;enfreunden den Polignacs<lb/>
nicht am Ende freude&#x017F;trahlend die Nachricht bringen konnte,<lb/>
es &#x017F;ey ihr doch geglückt. Dafür rächte &#x017F;ich das Publicum<lb/>
mit ei&#x017F;iger Kälte, &#x017F;obald &#x017F;ie &#x017F;ich allein ohne den König<lb/>
blicken ließ; einmal ver&#x017F;timmt, hieß man &#x017F;ie eine Ver-<lb/>
&#x017F;chwenderin, und in&#x017F;ofern mit Recht, als &#x017F;ie ein Bei&#x017F;piel<lb/>
zu geben hatte; man nannte &#x017F;ie auch die Ö&#x017F;terreicherin<lb/>
und that ihr Unrecht, weil &#x017F;ie, ohne ihrer Heimat zu ver-<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;en, wirklich Franzö&#x017F;in geworden war. Mit einem<lb/>
Wort, man wün&#x017F;chte ihr etwas anhaben zu können, und<lb/>
die Gelegenheit ließ nicht auf &#x017F;ich warten.</p><lb/>
          <p>Mariä Himmelfahrt, der 15. Augu&#x017F;t 1785, bot den<lb/>
Ver&#x017F;aillern einen merkwürdigen Anblick dar. Man war-<lb/>
tete auf den feierlichen Kirchgang der höch&#x017F;ten Herr&#x017F;chaf-<lb/>
ten, &#x017F;tatt de&#x017F;&#x017F;en fuhr über den Schloßhof ein vornehmer<lb/>
Gefangener unter Bedeckung. Es war der Cardinal Louis<lb/>
de Rohan, Bi&#x017F;chof von Straßburg, Großalmo&#x017F;enier von<lb/>
Frankreich; Gerüchte flogen von einem entwendeten ko&#x017F;t-<lb/>
baren Halsbande, von der Beleidigung einer erhabenen<lb/>
Frau. Bald vernimmt man, die Sache komme vor das<lb/>
Parlament, denn es &#x017F;ey dem Cardinal abge&#x017F;chlagen von<lb/>
&#x017F;einen Standesgeno&#x017F;&#x017F;en gerichtet zu werden. Der Cardinal<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0106] Amerikaner war ſie ohnehin überdrüſſig. Wenn ſie dann, von dem Anblick des neuerfundenen Luftballons oder einer Vorſtellung der Hochzeit des Figaro begeiſtert, in die Staatsgeſchäfte hineinflatterte, ein Staatsamt für einen Beſchützten wie eine leichte Gunſt erbat: es that nicht gut, aber gar ſelten daß ſie ihren Buſenfreunden den Polignacs nicht am Ende freudeſtrahlend die Nachricht bringen konnte, es ſey ihr doch geglückt. Dafür rächte ſich das Publicum mit eiſiger Kälte, ſobald ſie ſich allein ohne den König blicken ließ; einmal verſtimmt, hieß man ſie eine Ver- ſchwenderin, und inſofern mit Recht, als ſie ein Beiſpiel zu geben hatte; man nannte ſie auch die Öſterreicherin und that ihr Unrecht, weil ſie, ohne ihrer Heimat zu ver- geſſen, wirklich Franzöſin geworden war. Mit einem Wort, man wünſchte ihr etwas anhaben zu können, und die Gelegenheit ließ nicht auf ſich warten. Mariä Himmelfahrt, der 15. Auguſt 1785, bot den Verſaillern einen merkwürdigen Anblick dar. Man war- tete auf den feierlichen Kirchgang der höchſten Herrſchaf- ten, ſtatt deſſen fuhr über den Schloßhof ein vornehmer Gefangener unter Bedeckung. Es war der Cardinal Louis de Rohan, Biſchof von Straßburg, Großalmoſenier von Frankreich; Gerüchte flogen von einem entwendeten koſt- baren Halsbande, von der Beleidigung einer erhabenen Frau. Bald vernimmt man, die Sache komme vor das Parlament, denn es ſey dem Cardinal abgeſchlagen von ſeinen Standesgenoſſen gerichtet zu werden. Der Cardinal

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/106
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/106>, abgerufen am 23.11.2024.