Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.Die Idee des Königthums. Heilmittel für das unglückliche Italien verzweifelnd, nur nochdurch Anwendung der schärfsten Gifte eine günstige Krisis zu erzielen hoffen konnte. Für die Entwickelung seines Vaterlan¬ des war sein Buch ohne Erfolg, aber außerhalb desselben und weit über die Zeit hinaus, in die es eingreifen sollte, hat es durch Jahrhunderte lebendig fortgewirkt, bei Fürsten, Staats¬ männern und Historikern das Nachdenken anregend, Zustim¬ mung oder Widerspruch hervorrufend. Freilich hat es auch bei den romanischen Völkern nie an Aber etwas ganz Anderes als diese wohlmeinenden An¬ Denn Keiner war freier als Friedrich von der unklaren Die Idee des Königthums. Heilmittel für das unglückliche Italien verzweifelnd, nur nochdurch Anwendung der ſchärfſten Gifte eine günſtige Kriſis zu erzielen hoffen konnte. Für die Entwickelung ſeines Vaterlan¬ des war ſein Buch ohne Erfolg, aber außerhalb deſſelben und weit über die Zeit hinaus, in die es eingreifen ſollte, hat es durch Jahrhunderte lebendig fortgewirkt, bei Fürſten, Staats¬ männern und Hiſtorikern das Nachdenken anregend, Zuſtim¬ mung oder Widerſpruch hervorrufend. Freilich hat es auch bei den romaniſchen Völkern nie an Aber etwas ganz Anderes als dieſe wohlmeinenden An¬ Denn Keiner war freier als Friedrich von der unklaren <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0381" n="365"/><fw place="top" type="header">Die Idee des Königthums.<lb/></fw>Heilmittel für das unglückliche Italien verzweifelnd, nur noch<lb/> durch Anwendung der ſchärfſten Gifte eine günſtige Kriſis zu<lb/> erzielen hoffen konnte. Für die Entwickelung ſeines Vaterlan¬<lb/> des war ſein Buch ohne Erfolg, aber außerhalb deſſelben und<lb/> weit über die Zeit hinaus, in die es eingreifen ſollte, hat es<lb/> durch Jahrhunderte lebendig fortgewirkt, bei Fürſten, Staats¬<lb/> männern und Hiſtorikern das Nachdenken anregend, Zuſtim¬<lb/> mung oder Widerſpruch hervorrufend.</p><lb/> <p>Freilich hat es auch bei den romaniſchen Völkern nie an<lb/> Stimmen gefehlt, welche dem unbedingten Herrſcherthum, ohne<lb/> ſeine Nothwendigkeit in Abrede zu ſtellen, edlere Ziele vor¬<lb/> ſchrieben als das der klugen, macchiavelliſtiſchen Conſequenz.<lb/> Petrarca ſchrieb an den Herrn von Padua, er müſſe nicht<lb/> Herr ſeiner Bürger ſein, ſondern Vater des Vaterlandes, er<lb/> müſſe ſie lieben wie Kinder, ja wie Glieder ſeines Leibes, und<lb/> F<hi rendition="#aq">é</hi>n<hi rendition="#aq">é</hi>lon rief ſeinem Zögling, als er Dauphin wurde, ins<lb/> Gewiſſen, daß nicht Alle um des Einen, ſondern Einer um<lb/> Aller willen da ſei.</p><lb/> <p>Aber etwas ganz Anderes als dieſe wohlmeinenden An¬<lb/> ſprachen, eine wirkliche Epoche in der Geſchichte des König¬<lb/> thums war es doch, als ein deutſcher Kronprinz einen Anti¬<lb/> macchiavell ſchrieb und darin nicht etwa bloß die Schärfen<lb/> milderte, die äußerſten Mittel ablehnte und einige Lichtſeiten<lb/> des Fürſtenthums geltend machte, ſondern ein ganz anderes<lb/> Princip aufſtellte, mit dem er ſich unbewußt den edelſten Ideen<lb/> anſchloß, welche jemals im Königthum vertreten geweſen ſind,<lb/> und ſich von allen Irrwegen am entſchiedenſten fern hielt.</p><lb/> <p>Denn Keiner war freier als Friedrich von der unklaren<lb/> Ueberſchwänglichkeit orientaliſcher Vorſtellungen, welche dem<lb/> Glanze des Königthums wie ein Schatten gefolgt ſind, Keiner<lb/> entfernter von den Anſprüchen auf eine von der Gottheit pri¬<lb/> vilegirte Ausnahmeſtellung, welche aller menſchlichen Verpflich¬<lb/> tungen enthöbe. Ihm war das Königthum, wie in Rom und<lb/> Athen, ein Amt zum gemeinen Nutzen aller Angehörigen, und<lb/> während er von Höfen umgeben war, in welchen Treibjagden<lb/> und Prunkfeſte die wichtigſten Staatsangelegenheiten waren, und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [365/0381]
Die Idee des Königthums.
Heilmittel für das unglückliche Italien verzweifelnd, nur noch
durch Anwendung der ſchärfſten Gifte eine günſtige Kriſis zu
erzielen hoffen konnte. Für die Entwickelung ſeines Vaterlan¬
des war ſein Buch ohne Erfolg, aber außerhalb deſſelben und
weit über die Zeit hinaus, in die es eingreifen ſollte, hat es
durch Jahrhunderte lebendig fortgewirkt, bei Fürſten, Staats¬
männern und Hiſtorikern das Nachdenken anregend, Zuſtim¬
mung oder Widerſpruch hervorrufend.
Freilich hat es auch bei den romaniſchen Völkern nie an
Stimmen gefehlt, welche dem unbedingten Herrſcherthum, ohne
ſeine Nothwendigkeit in Abrede zu ſtellen, edlere Ziele vor¬
ſchrieben als das der klugen, macchiavelliſtiſchen Conſequenz.
Petrarca ſchrieb an den Herrn von Padua, er müſſe nicht
Herr ſeiner Bürger ſein, ſondern Vater des Vaterlandes, er
müſſe ſie lieben wie Kinder, ja wie Glieder ſeines Leibes, und
Fénélon rief ſeinem Zögling, als er Dauphin wurde, ins
Gewiſſen, daß nicht Alle um des Einen, ſondern Einer um
Aller willen da ſei.
Aber etwas ganz Anderes als dieſe wohlmeinenden An¬
ſprachen, eine wirkliche Epoche in der Geſchichte des König¬
thums war es doch, als ein deutſcher Kronprinz einen Anti¬
macchiavell ſchrieb und darin nicht etwa bloß die Schärfen
milderte, die äußerſten Mittel ablehnte und einige Lichtſeiten
des Fürſtenthums geltend machte, ſondern ein ganz anderes
Princip aufſtellte, mit dem er ſich unbewußt den edelſten Ideen
anſchloß, welche jemals im Königthum vertreten geweſen ſind,
und ſich von allen Irrwegen am entſchiedenſten fern hielt.
Denn Keiner war freier als Friedrich von der unklaren
Ueberſchwänglichkeit orientaliſcher Vorſtellungen, welche dem
Glanze des Königthums wie ein Schatten gefolgt ſind, Keiner
entfernter von den Anſprüchen auf eine von der Gottheit pri¬
vilegirte Ausnahmeſtellung, welche aller menſchlichen Verpflich¬
tungen enthöbe. Ihm war das Königthum, wie in Rom und
Athen, ein Amt zum gemeinen Nutzen aller Angehörigen, und
während er von Höfen umgeben war, in welchen Treibjagden
und Prunkfeſte die wichtigſten Staatsangelegenheiten waren, und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |