Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.Der Gruß. eine Familie übertragen wurden, welche sich, wie das make¬donische Haus unter der griechisch redenden Menschheit, über dem Römervolk in einsamer Größe erhob. Eine Zeitlang offenbarte sich der schwankende, unklare In ausländischen Purpur wurden die neuen Götter ge¬ So sind die beiden Brudervölker, die Völker des Gesetzes Innerhalb des Orients hatte sich aber ein Volk von dem 16 *
Der Gruß. eine Familie übertragen wurden, welche ſich, wie das make¬doniſche Haus unter der griechiſch redenden Menſchheit, über dem Römervolk in einſamer Größe erhob. Eine Zeitlang offenbarte ſich der ſchwankende, unklare In ausländiſchen Purpur wurden die neuen Götter ge¬ So ſind die beiden Brudervölker, die Völker des Geſetzes Innerhalb des Orients hatte ſich aber ein Volk von dem 16 *
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Der Gruß.
eine Familie übertragen wurden, welche ſich, wie das make¬
doniſche Haus unter der griechiſch redenden Menſchheit, über
dem Römervolk in einſamer Größe erhob.
Eine Zeitlang offenbarte ſich der ſchwankende, unklare
Zuſtand des öffentlichen Rechts im Gruße. Rangklaſſen bildeten
ſich, je nachdem man in der erſten oder in der zweiten Gruppe
von Vertrauten zur Begrüßung des Staatsoberhaupts zuge¬
laſſen wurde. Die Begrüßung ſelbſt verlor ihre Einfachheit
und Würde. Clienten ſah man vor ihren Herren, Bürger
vor dem Fürſten auf den Knieen. Bilder lebender Menſchen
wurden angebetet. Alles Maßloſe des orientaliſchen Unweſens
brach herein, da die geſunde Kraft ausging, welche nöthig iſt
Maß zu halten und vergiftende Anſteckung abzuwehren.
In ausländiſchen Purpur wurden die neuen Götter ge¬
kleidet; immer geſchmackloſere und pomphaftere Grußformeln
wurden erſonnen, um ſich ſelbſt zu erniedrigen und den Macht¬
haber zu erhöhen. Gedankenloſe Acclamationen wurden in
langen Reihen wiederholt und die Zahl der Wiederholungen
in amtlichen Protocollen römiſcher Senatsverhandlungen ſorg¬
fältig verzeichnet.
So ſind die beiden Brudervölker, die Völker des Geſetzes
und der Freiheit, nach Erſchöpfung ihrer ſittlichen Kraft der
Unfreiheit des Orients wieder anheim gefallen und die Ge¬
ſchichte zeigt uns, wie ich denke, deutlich genug, wie dieſe
innere Umwandlung bei Griechen und Römern in der Sitte
des Grußes ſich zu erkennen giebt.
Innerhalb des Orients hatte ſich aber ein Volk von dem
Verderben frei gehalten, welches darin ſeine Wurzel hatte, daß
man ſterbliche Menſchen wie Götter grüßte, das Volk, welches
den lebendigen Gott als ſeinen Gott verehrte, und dies ihm
eigenthümliche Verhältniß mußte auch auf die Art, wie es
ſeine Grüße und Glückwünſche ausdrückte, beſtimmend einwirken.
Bei dem Volke der Theokratie mußte alles Heil von oben
kommen. Hier können wir auch die Form des Zuſpruchs, in
welchem die klaſſiſchen Völker ihr keckes Selbſtgefühl aus¬
ſprachen, die imperativiſche Form: »Sei froh, ſei geſund!«
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