wechselnder Modelaune und ein Gegenstand sophistischer Spie¬ lerei. Lucian hat eine eigene Schrift verfaßt, um sich darüber zu rechtfertigen, daß er einmal am Morgen anstatt des üblichen Chaire "gute Gesundheit" gewünscht hatte.
Der Römergruß war von Anfang an ernster und prak¬ tischer. Er ging nicht, wie der griechische, auf die Blüthe des Daseins, der Freude Glanz, sondern auf die Grundbedin¬ gung alles Lebens und Wirkens, auf männliche Kraft und Gesundheit.
Wie bei den Griechen, so waren auch die Römergrüße, das Salve und Vale, ursprünglich nicht an bestimmte Anlässe gebunden; auch sie wurden sowohl an Götter gerichtet als an Abgeschiedene; auch sie verbanden, so lange die alte Sitte bestand, alle Stände des Volks gleichmäßig unter einander.
Die Römer waren förmlicher als die Griechen, umständ¬ licher und mehr Freunde des Amtlichen und Feierlichen.
Die Unterschiede wurden schärfer hervorgehoben. Ihr Ave ist schon ein Gruß, in welchem ein Gunstsuchen enthalten ist, und der deshalb dem Verhältniß des Clienten zum Patrone besonders entsprechend gefunden wurde.
Schon die republikanischen Staatsmänner legten hohen Werth darauf, feierlich gegrüßt zu werden; sie erkannten darin einen Maßstab ihrer Popularität und betrachteten das Wech¬ seln der Grüße auf Straßen und Plätzen als eine Sache von öffentlicher Wichtigkeit.
Es war aber eine häßliche Nachäffung bürgerlicher Gleich¬ heit und Leutseligkeit, wenn die vornehmen Herren, von ihrem Nomenclator begleitet, die Begegnenden mit ihren Namen begrüßten, ihnen bieder die Hand schüttelten und zarte Verbindlichkeiten zuriefen, während ihnen die Leute im Grunde vollkommen gleichgültig oder verächtlich waren.
Wenn hier schon in republikanischer Zeit viel Gemachtes und Unwahres vorkam, so nahm dies in rascher Steigerung zu, als alle üblichen Begrüßungen auszeichnender Art, Zuruf von Ehrennamen, Empfang mit Tücherschwenken und Glück¬ wünsche, in solenner Wiederholung taktmäßig eingeübt, auf
Der Gruß.
wechſelnder Modelaune und ein Gegenſtand ſophiſtiſcher Spie¬ lerei. Lucian hat eine eigene Schrift verfaßt, um ſich darüber zu rechtfertigen, daß er einmal am Morgen anſtatt des üblichen Chaire »gute Geſundheit« gewünſcht hatte.
Der Römergruß war von Anfang an ernſter und prak¬ tiſcher. Er ging nicht, wie der griechiſche, auf die Blüthe des Daſeins, der Freude Glanz, ſondern auf die Grundbedin¬ gung alles Lebens und Wirkens, auf männliche Kraft und Geſundheit.
Wie bei den Griechen, ſo waren auch die Römergrüße, das Salve und Vale, urſprünglich nicht an beſtimmte Anläſſe gebunden; auch ſie wurden ſowohl an Götter gerichtet als an Abgeſchiedene; auch ſie verbanden, ſo lange die alte Sitte beſtand, alle Stände des Volks gleichmäßig unter einander.
Die Römer waren förmlicher als die Griechen, umſtänd¬ licher und mehr Freunde des Amtlichen und Feierlichen.
Die Unterſchiede wurden ſchärfer hervorgehoben. Ihr Ave iſt ſchon ein Gruß, in welchem ein Gunſtſuchen enthalten iſt, und der deshalb dem Verhältniß des Clienten zum Patrone beſonders entſprechend gefunden wurde.
Schon die republikaniſchen Staatsmänner legten hohen Werth darauf, feierlich gegrüßt zu werden; ſie erkannten darin einen Maßſtab ihrer Popularität und betrachteten das Wech¬ ſeln der Grüße auf Straßen und Plätzen als eine Sache von öffentlicher Wichtigkeit.
Es war aber eine häßliche Nachäffung bürgerlicher Gleich¬ heit und Leutſeligkeit, wenn die vornehmen Herren, von ihrem Nomenclator begleitet, die Begegnenden mit ihren Namen begrüßten, ihnen bieder die Hand ſchüttelten und zarte Verbindlichkeiten zuriefen, während ihnen die Leute im Grunde vollkommen gleichgültig oder verächtlich waren.
Wenn hier ſchon in republikaniſcher Zeit viel Gemachtes und Unwahres vorkam, ſo nahm dies in raſcher Steigerung zu, als alle üblichen Begrüßungen auszeichnender Art, Zuruf von Ehrennamen, Empfang mit Tücherſchwenken und Glück¬ wünſche, in ſolenner Wiederholung taktmäßig eingeübt, auf
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Der Gruß.
wechſelnder Modelaune und ein Gegenſtand ſophiſtiſcher Spie¬
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zu rechtfertigen, daß er einmal am Morgen anſtatt des üblichen
Chaire »gute Geſundheit« gewünſcht hatte.
Der Römergruß war von Anfang an ernſter und prak¬
tiſcher. Er ging nicht, wie der griechiſche, auf die Blüthe
des Daſeins, der Freude Glanz, ſondern auf die Grundbedin¬
gung alles Lebens und Wirkens, auf männliche Kraft und
Geſundheit.
Wie bei den Griechen, ſo waren auch die Römergrüße,
das Salve und Vale, urſprünglich nicht an beſtimmte Anläſſe
gebunden; auch ſie wurden ſowohl an Götter gerichtet als
an Abgeſchiedene; auch ſie verbanden, ſo lange die alte Sitte
beſtand, alle Stände des Volks gleichmäßig unter einander.
Die Römer waren förmlicher als die Griechen, umſtänd¬
licher und mehr Freunde des Amtlichen und Feierlichen.
Die Unterſchiede wurden ſchärfer hervorgehoben. Ihr
Ave iſt ſchon ein Gruß, in welchem ein Gunſtſuchen enthalten
iſt, und der deshalb dem Verhältniß des Clienten zum Patrone
beſonders entſprechend gefunden wurde.
Schon die republikaniſchen Staatsmänner legten hohen
Werth darauf, feierlich gegrüßt zu werden; ſie erkannten darin
einen Maßſtab ihrer Popularität und betrachteten das Wech¬
ſeln der Grüße auf Straßen und Plätzen als eine Sache von
öffentlicher Wichtigkeit.
Es war aber eine häßliche Nachäffung bürgerlicher Gleich¬
heit und Leutſeligkeit, wenn die vornehmen Herren, von
ihrem Nomenclator begleitet, die Begegnenden mit ihren
Namen begrüßten, ihnen bieder die Hand ſchüttelten und zarte
Verbindlichkeiten zuriefen, während ihnen die Leute im Grunde
vollkommen gleichgültig oder verächtlich waren.
Wenn hier ſchon in republikaniſcher Zeit viel Gemachtes
und Unwahres vorkam, ſo nahm dies in raſcher Steigerung
zu, als alle üblichen Begrüßungen auszeichnender Art, Zuruf
von Ehrennamen, Empfang mit Tücherſchwenken und Glück¬
wünſche, in ſolenner Wiederholung taktmäßig eingeübt, auf
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Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/258>, abgerufen am 18.06.2024.
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