genden der Väter nicht mit ihnen in das Grab gesunken seien, so feiern wir das Gedächtniß der theuern Männer, die uns angehört haben, durch den Eifer ihre Tugenden fortzupflanzen, ihr Andenken lebendig zu erhalten und in ihre Arbeit rüstig einzutreten. Die Jugend aber -- wie könnte sie aus so vielen Städten und Gauen des Vaterlandes hier zusammenströmen, ohne daß dadurch die in den Einzelnen schlummernden Kräfte zu gemeinsamem Streben geweckt, zum freudigen Wetteifer begeistert werden sollten!
An Eifer und Wetteifer fehlt es freilich nirgends unter den Menschen und von Jahr zu Jahr rennen sie mit steigender Ungeduld durch einander, damit Einer dem Andern den Preis abjage. Aber da handelt es sich um Gewinn und Besitz, um Ehre und Einfluß oder eitlen Sinnengenuß; unser gemeinsamer Beruf fordert einen Wetteifer, wie ihn die Hellenen geübt haben, den Wetteifer, welcher in der freien Entfaltung aller Kräfte, im selbstverläugnenden Streben nach dem höchsten Ziele seine volle Befriedigung findet.
Daß ich am heutigen Tage gerade diese Richtung meinen Gedanken gegeben habe, kann Sie nicht befremden. Denn ich darf ja im Namen einer Universität reden, deren Gründung von dem hochherzigen Gedanken ausgegangen ist, daß ein deutscher Staat durch Zuwachs an Macht und Ehre zugleich die Verpflichtung empfange, in der Förderung deutscher Wissen¬ schaft mit allen Nachbarstaaten zu wetteifern, einer Universität, welche den Gedanken ihres königlichen Gründers unter Gottes sichtlichem Segen verwirklicht, die, seit sie in die Schranken eingetreten ist, viel unverwelkliche Ehrenkränze gewonnen hat und mit den auserwähltesten Namen deutscher Nation ver¬ wachsen ist.
Ich brauche um so weniger zu besorgen, daß ich Fern¬ liegendes zum Gegenstande dieser Rede gewählt habe, wenn ich bedenke, wie der König, welcher dem Gründer der Georgia- Augusta auch in der Liebe zu ihr nachgefolgt ist, seinen Ge¬ burtstag uns für alle Zeiten zum Festtage gemacht hat. Denn indem er diesen Tag zur Austheilung der erworbenen Preise
Der Wettkampf.
genden der Väter nicht mit ihnen in das Grab geſunken ſeien, ſo feiern wir das Gedächtniß der theuern Männer, die uns angehört haben, durch den Eifer ihre Tugenden fortzupflanzen, ihr Andenken lebendig zu erhalten und in ihre Arbeit rüſtig einzutreten. Die Jugend aber — wie könnte ſie aus ſo vielen Städten und Gauen des Vaterlandes hier zuſammenſtrömen, ohne daß dadurch die in den Einzelnen ſchlummernden Kräfte zu gemeinſamem Streben geweckt, zum freudigen Wetteifer begeiſtert werden ſollten!
An Eifer und Wetteifer fehlt es freilich nirgends unter den Menſchen und von Jahr zu Jahr rennen ſie mit ſteigender Ungeduld durch einander, damit Einer dem Andern den Preis abjage. Aber da handelt es ſich um Gewinn und Beſitz, um Ehre und Einfluß oder eitlen Sinnengenuß; unſer gemeinſamer Beruf fordert einen Wetteifer, wie ihn die Hellenen geübt haben, den Wetteifer, welcher in der freien Entfaltung aller Kräfte, im ſelbſtverläugnenden Streben nach dem höchſten Ziele ſeine volle Befriedigung findet.
Daß ich am heutigen Tage gerade dieſe Richtung meinen Gedanken gegeben habe, kann Sie nicht befremden. Denn ich darf ja im Namen einer Univerſität reden, deren Gründung von dem hochherzigen Gedanken ausgegangen iſt, daß ein deutſcher Staat durch Zuwachs an Macht und Ehre zugleich die Verpflichtung empfange, in der Förderung deutſcher Wiſſen¬ ſchaft mit allen Nachbarſtaaten zu wetteifern, einer Univerſität, welche den Gedanken ihres königlichen Gründers unter Gottes ſichtlichem Segen verwirklicht, die, ſeit ſie in die Schranken eingetreten iſt, viel unverwelkliche Ehrenkränze gewonnen hat und mit den auserwählteſten Namen deutſcher Nation ver¬ wachſen iſt.
Ich brauche um ſo weniger zu beſorgen, daß ich Fern¬ liegendes zum Gegenſtande dieſer Rede gewählt habe, wenn ich bedenke, wie der König, welcher dem Gründer der Georgia- Auguſta auch in der Liebe zu ihr nachgefolgt iſt, ſeinen Ge¬ burtstag uns für alle Zeiten zum Feſttage gemacht hat. Denn indem er dieſen Tag zur Austheilung der erworbenen Preiſe
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Der Wettkampf.
genden der Väter nicht mit ihnen in das Grab geſunken ſeien,
ſo feiern wir das Gedächtniß der theuern Männer, die uns
angehört haben, durch den Eifer ihre Tugenden fortzupflanzen,
ihr Andenken lebendig zu erhalten und in ihre Arbeit rüſtig
einzutreten. Die Jugend aber — wie könnte ſie aus ſo vielen
Städten und Gauen des Vaterlandes hier zuſammenſtrömen,
ohne daß dadurch die in den Einzelnen ſchlummernden Kräfte
zu gemeinſamem Streben geweckt, zum freudigen Wetteifer
begeiſtert werden ſollten!
An Eifer und Wetteifer fehlt es freilich nirgends unter
den Menſchen und von Jahr zu Jahr rennen ſie mit ſteigender
Ungeduld durch einander, damit Einer dem Andern den Preis
abjage. Aber da handelt es ſich um Gewinn und Beſitz, um
Ehre und Einfluß oder eitlen Sinnengenuß; unſer gemeinſamer
Beruf fordert einen Wetteifer, wie ihn die Hellenen geübt
haben, den Wetteifer, welcher in der freien Entfaltung aller
Kräfte, im ſelbſtverläugnenden Streben nach dem höchſten Ziele
ſeine volle Befriedigung findet.
Daß ich am heutigen Tage gerade dieſe Richtung meinen
Gedanken gegeben habe, kann Sie nicht befremden. Denn ich
darf ja im Namen einer Univerſität reden, deren Gründung
von dem hochherzigen Gedanken ausgegangen iſt, daß ein
deutſcher Staat durch Zuwachs an Macht und Ehre zugleich
die Verpflichtung empfange, in der Förderung deutſcher Wiſſen¬
ſchaft mit allen Nachbarſtaaten zu wetteifern, einer Univerſität,
welche den Gedanken ihres königlichen Gründers unter Gottes
ſichtlichem Segen verwirklicht, die, ſeit ſie in die Schranken
eingetreten iſt, viel unverwelkliche Ehrenkränze gewonnen hat
und mit den auserwählteſten Namen deutſcher Nation ver¬
wachſen iſt.
Ich brauche um ſo weniger zu beſorgen, daß ich Fern¬
liegendes zum Gegenſtande dieſer Rede gewählt habe, wenn
ich bedenke, wie der König, welcher dem Gründer der Georgia-
Auguſta auch in der Liebe zu ihr nachgefolgt iſt, ſeinen Ge¬
burtstag uns für alle Zeiten zum Feſttage gemacht hat. Denn
indem er dieſen Tag zur Austheilung der erworbenen Preiſe
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Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/162>, abgerufen am 22.07.2024.
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