Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.Der Wettkampf. Völkergruppen weit hinter sich zurück und beginnen, in Stämmeund Zungen mannigfach gegliedert, unter einander den großen Wettkampf, indem sie über die gegen Abend gelegenen Hoch- und Tiefländer der Erde rastlos sich ausbreiten und an ihre Schritte den Gang der Weltgeschichte fesseln. Diese Stämme haben alle den männlichen Trieb der Thaten¬ Um so reiner tritt er uns wieder entgegen, wenn wir aus Der Wettkampf. Völkergruppen weit hinter ſich zurück und beginnen, in Stämmeund Zungen mannigfach gegliedert, unter einander den großen Wettkampf, indem ſie über die gegen Abend gelegenen Hoch- und Tiefländer der Erde raſtlos ſich ausbreiten und an ihre Schritte den Gang der Weltgeſchichte feſſeln. Dieſe Stämme haben alle den männlichen Trieb der Thaten¬ Um ſo reiner tritt er uns wieder entgegen, wenn wir aus <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0149" n="133"/><fw place="top" type="header">Der Wettkampf.<lb/></fw> Völkergruppen weit hinter ſich zurück und beginnen, in Stämme<lb/> und Zungen mannigfach gegliedert, unter einander den großen<lb/> Wettkampf, indem ſie über die gegen Abend gelegenen Hoch-<lb/> und Tiefländer der Erde raſtlos ſich ausbreiten und an ihre<lb/> Schritte den Gang der Weltgeſchichte feſſeln.</p><lb/> <p>Dieſe Stämme haben alle den männlichen Trieb der Thaten¬<lb/> luſt als Erbtheil empfangen; ſie ſind alle zu ſtaatgründenden<lb/> Völkern geworden; ſie haben ſich in Heldenliedern bezeugt, ſie<lb/> haben in Bild- und Bauwerken bleibende Denkmäler auf Erden<lb/> hinterlaſſen. Je weiter ſie aber im Oſten zurückgeblieben ſind,<lb/> um ſo früher erſcheinen ſie uns in ihrer lebendigen Entwickelung<lb/> gehemmt, in unbeweglichen Lebensformen erſtarrt, oder auch mit<lb/> fremdartigen Beſtandtheilen dergeſtalt verwachſen, daß jener<lb/> Grundzug der ariſchen Völker verhüllt oder verwiſcht worden iſt.</p><lb/> <p>Um ſo reiner tritt er uns wieder entgegen, wenn wir aus<lb/> Iran und Meſopotamien zu jenen Stämmen kommen, die<lb/> früher und weiter gegen Abend gewandert ſind, die im klein¬<lb/> aſiatiſchen Halbinſellande Wohnung gemacht und mit Vorliebe<lb/> ſolche Gegenden aufgeſucht haben, wo Meer und Gebirge ſich<lb/> durchdringen. Wie nahe liegen die Wohnſitze der Lycier den<lb/> Gränzen aſſyriſcher Machtbildung und welch' ein Gegenſatz<lb/> zwiſchen den entnervten und in äußerlicher Pracht verkomme¬<lb/> nen Geſtalten, die uns in den Paläſten von Ninive entgegen¬<lb/> treten, und jenem apolliniſchen Volke, das ſein enges Land<lb/> zwiſchen Fels und Meer ſo heldenmüthig allen Barbaren gegen¬<lb/> über vertheidigt hat, deſſen Kunſt, wie unzählige Denkmäler<lb/> bezeugen, das Gepräge jenes höheren Lebens trägt, welches<lb/> das untrügliche Kennzeichen des helleniſchen Völkergeſchlechts<lb/> dieſſeit und jenſeit des ägäiſchen Inſelmeeres iſt! Wenn Sie<lb/> daher, hochverehrte Anweſende, dem raſchen Gedankenzuge von<lb/> Babel bis Ionien gefolgt ſind, ſo werden Sie jetzt dem Ver¬<lb/> treter des klaſſiſchen Alterthums, welchem Sie die Ehre gönnen<lb/> an dieſem Tage Ihr Redner zu ſein, wie ich hoffe, um ſo<lb/> lieber geſtatten, auf dem Gebiete zu verweilen, an deſſen Gränze<lb/> er Sie geführt hat, und den Gedanken näher zu entwickeln,<lb/> daß jener Grundzug des ariſchen Volkscharakters — wett¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [133/0149]
Der Wettkampf.
Völkergruppen weit hinter ſich zurück und beginnen, in Stämme
und Zungen mannigfach gegliedert, unter einander den großen
Wettkampf, indem ſie über die gegen Abend gelegenen Hoch-
und Tiefländer der Erde raſtlos ſich ausbreiten und an ihre
Schritte den Gang der Weltgeſchichte feſſeln.
Dieſe Stämme haben alle den männlichen Trieb der Thaten¬
luſt als Erbtheil empfangen; ſie ſind alle zu ſtaatgründenden
Völkern geworden; ſie haben ſich in Heldenliedern bezeugt, ſie
haben in Bild- und Bauwerken bleibende Denkmäler auf Erden
hinterlaſſen. Je weiter ſie aber im Oſten zurückgeblieben ſind,
um ſo früher erſcheinen ſie uns in ihrer lebendigen Entwickelung
gehemmt, in unbeweglichen Lebensformen erſtarrt, oder auch mit
fremdartigen Beſtandtheilen dergeſtalt verwachſen, daß jener
Grundzug der ariſchen Völker verhüllt oder verwiſcht worden iſt.
Um ſo reiner tritt er uns wieder entgegen, wenn wir aus
Iran und Meſopotamien zu jenen Stämmen kommen, die
früher und weiter gegen Abend gewandert ſind, die im klein¬
aſiatiſchen Halbinſellande Wohnung gemacht und mit Vorliebe
ſolche Gegenden aufgeſucht haben, wo Meer und Gebirge ſich
durchdringen. Wie nahe liegen die Wohnſitze der Lycier den
Gränzen aſſyriſcher Machtbildung und welch' ein Gegenſatz
zwiſchen den entnervten und in äußerlicher Pracht verkomme¬
nen Geſtalten, die uns in den Paläſten von Ninive entgegen¬
treten, und jenem apolliniſchen Volke, das ſein enges Land
zwiſchen Fels und Meer ſo heldenmüthig allen Barbaren gegen¬
über vertheidigt hat, deſſen Kunſt, wie unzählige Denkmäler
bezeugen, das Gepräge jenes höheren Lebens trägt, welches
das untrügliche Kennzeichen des helleniſchen Völkergeſchlechts
dieſſeit und jenſeit des ägäiſchen Inſelmeeres iſt! Wenn Sie
daher, hochverehrte Anweſende, dem raſchen Gedankenzuge von
Babel bis Ionien gefolgt ſind, ſo werden Sie jetzt dem Ver¬
treter des klaſſiſchen Alterthums, welchem Sie die Ehre gönnen
an dieſem Tage Ihr Redner zu ſein, wie ich hoffe, um ſo
lieber geſtatten, auf dem Gebiete zu verweilen, an deſſen Gränze
er Sie geführt hat, und den Gedanken näher zu entwickeln,
daß jener Grundzug des ariſchen Volkscharakters — wett¬
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