Zweyundsechszigste Betrachtung. Jesu eigne Vorbereitung zu künftigen Leiden.
1 Cor. 15, 31. Jch sterbe täglich.
Die meisten Menschen scheuen zur Zeit des Wohl- standes den Gedanken an künftige unangeneh- me Veränderungen, die sie etwa im Laufe des Lebens treffen könnten; weil sie befürchten, dieser Gedanke möchte sie im Genusse ihres gegenwärtigen Glückes stören und beunruhigen. Allein so dachte Jesus nicht; der sprach vielmehr oft und recht umständlich von seinem bevorstehenden Leiden und Tode. Er wußte sehr genau alle seine Leiden vorher, und daß er sich dadurch im Gehorsam üben sollte; er wußte, daß er durch Leiden und Sterben der Versöhner, das Muster und der Trost aller Leidenden und Sterben- den werden, daß er dadurch den Willen seines himm- lischen Vaters erfüllen, das Heil seiner Brüder be- fördern, und so auf diesem Wege zur größten Herr- lichkeit eingehen sollte. Ganz natürlich mußte ihm also sein Leiden sehr wichtig seyn; es mußte oft sein Nachdenken beschäftigen, und einen mannigfaltigen Einfluß in alle seine Urtheile und in sein ganzes Ver- halten haben. Durch das öftere Andenken an dassel- be machte er sich mit diesem Gedanken recht vertraut,
schick-
Zweyundſechszigſte Betrachtung. Jeſu eigne Vorbereitung zu künftigen Leiden.
1 Cor. 15, 31. Jch ſterbe täglich.
Die meiſten Menſchen ſcheuen zur Zeit des Wohl- ſtandes den Gedanken an künftige unangeneh- me Veränderungen, die ſie etwa im Laufe des Lebens treffen könnten; weil ſie befürchten, dieſer Gedanke möchte ſie im Genuſſe ihres gegenwärtigen Glückes ſtören und beunruhigen. Allein ſo dachte Jeſus nicht; der ſprach vielmehr oft und recht umſtändlich von ſeinem bevorſtehenden Leiden und Tode. Er wußte ſehr genau alle ſeine Leiden vorher, und daß er ſich dadurch im Gehorſam üben ſollte; er wußte, daß er durch Leiden und Sterben der Verſöhner, das Muſter und der Troſt aller Leidenden und Sterben- den werden, daß er dadurch den Willen ſeines himm- liſchen Vaters erfüllen, das Heil ſeiner Brüder be- fördern, und ſo auf dieſem Wege zur größten Herr- lichkeit eingehen ſollte. Ganz natürlich mußte ihm alſo ſein Leiden ſehr wichtig ſeyn; es mußte oft ſein Nachdenken beſchäftigen, und einen mannigfaltigen Einfluß in alle ſeine Urtheile und in ſein ganzes Ver- halten haben. Durch das öftere Andenken an daſſel- be machte er ſich mit dieſem Gedanken recht vertraut,
ſchick-
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Zweyundſechszigſte Betrachtung.
Jeſu eigne Vorbereitung zu künftigen Leiden.
1 Cor. 15, 31. Jch ſterbe täglich.
Die meiſten Menſchen ſcheuen zur Zeit des Wohl-
ſtandes den Gedanken an künftige unangeneh-
me Veränderungen, die ſie etwa im Laufe des Lebens
treffen könnten; weil ſie befürchten, dieſer Gedanke
möchte ſie im Genuſſe ihres gegenwärtigen Glückes
ſtören und beunruhigen. Allein ſo dachte Jeſus
nicht; der ſprach vielmehr oft und recht umſtändlich
von ſeinem bevorſtehenden Leiden und Tode. Er
wußte ſehr genau alle ſeine Leiden vorher, und daß
er ſich dadurch im Gehorſam üben ſollte; er wußte,
daß er durch Leiden und Sterben der Verſöhner, das
Muſter und der Troſt aller Leidenden und Sterben-
den werden, daß er dadurch den Willen ſeines himm-
liſchen Vaters erfüllen, das Heil ſeiner Brüder be-
fördern, und ſo auf dieſem Wege zur größten Herr-
lichkeit eingehen ſollte. Ganz natürlich mußte ihm
alſo ſein Leiden ſehr wichtig ſeyn; es mußte oft ſein
Nachdenken beſchäftigen, und einen mannigfaltigen
Einfluß in alle ſeine Urtheile und in ſein ganzes Ver-
halten haben. Durch das öftere Andenken an daſſel-
be machte er ſich mit dieſem Gedanken recht vertraut,
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Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/436>, abgerufen am 24.11.2024.
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