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Cramer, Wilhelm: Der christliche Vater wie er sein und was er thun soll. Nebst einem Anhange von Gebeten für denselben. Dülmen, 1874.

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wenig oder gar keine Nahrung findet, mehr und mehr
verkümmert, um schließlich zu ersterben. Niemand,
der anders die Sache zu beurtheilen versteht, zweifelt
daran, daß in dem Mangel an rechter und würdiger
Sonntagsfeier bei einer namhaften Zahl von Men-
schen ein Hauptgrund ihrer religiösen und sittlichen
Verkommenheit liegt und daß die würdige Sonntags-
feier und ihr Segen durch nichts mehr zu Schanden
gemacht wird, als durch jenes unselige Wirthshaus-
leben.*)

*) Da wir hier den Vater im Auge haben, wie sehr
behelligt derselbe durch ein solches ungeordnetes Wirths-
hausleben auch den Segen des Sonntags für die Seinigen,
für die Kinder! Unmöglich kann denselben der Sonntag
auf die Dauer recht heilig erscheinen und geweiht sein,
wenn die Erfahrung ihnen denselben mehr und mehr als
einen Tag herausstellt, an dem der Vater großen- oder
größtentheils im Wirthshaus sich findet, an dem der Va-
ter am Wenigsten zu Hause zu finden ist, an dem der
Vater des Mittags und Abends in einer gewissen Aufre-
gung geistiger Getränke, gar im angetrunkenen oder betrun-
kenen zustande heimkehrt, an dem der Vater erst so spät
am Abende, erst in der Nacht zurückkommt. Das greift
dann unmittelbar und als böses Beispiel nachtheilig in
ihr kindliches Herz ein; aber es behindert und störet auch
die volle Erbauung, die innige Erquicklichkeit und den
rechten Segen des Sonntags für sie. - Wie sehr könnte
und sollte z. B. grad am Sonntage die Mittags- und
Abendtafel zu einer erquicklichen Scene des christlichen
Familienlebens und zu einem Sammelplatze christlicher
Sonntagsfreude sich gestalten, wenn Vater und Mutter
und Kinder, nun den Arbeiten und Armseligkeiten des
Alltagslebens enthoben, geweihet durch die Eindrücke der
kirchlichen Feier und der Andacht und durch die Ruhe und
das Außergewöhnliche des Tages gehoben bei einem -
diesmal bessern - gemeinschaftlichen Mahle sich zusam-
menfindend in trauter Unterhaltung und in gegenseitigem
Austausche ihrer Gedanken und Gefühle sich ersprächen?
Und wie wohlthuend und heilsam würde das sein! Nun
aber ist leicht grad die Sonntagstafel am meisten gestört,
am wenigsten erquicklich, da der Vater so lange im Wirths-
haus verharret oder die Spuren einer gewissen Unmäßig-
keit an sich finden lässet. Nun sind die Abende der Sonn-
tage die langweiligsten und unangenehmsten, da der Vater
fehlt, da der Vater erst so spät heimkehrt und die Mutter
in dem Leid darüber auch nicht recht froh sein kann. In
der That - traurig!

wenig oder gar keine Nahrung findet, mehr und mehr
verkümmert, um schließlich zu ersterben. Niemand,
der anders die Sache zu beurtheilen versteht, zweifelt
daran, daß in dem Mangel an rechter und würdiger
Sonntagsfeier bei einer namhaften Zahl von Men-
schen ein Hauptgrund ihrer religiösen und sittlichen
Verkommenheit liegt und daß die würdige Sonntags-
feier und ihr Segen durch nichts mehr zu Schanden
gemacht wird, als durch jenes unselige Wirthshaus-
leben.*)

*) Da wir hier den Vater im Auge haben, wie sehr
behelligt derselbe durch ein solches ungeordnetes Wirths-
hausleben auch den Segen des Sonntags für die Seinigen,
für die Kinder! Unmöglich kann denselben der Sonntag
auf die Dauer recht heilig erscheinen und geweiht sein,
wenn die Erfahrung ihnen denselben mehr und mehr als
einen Tag herausstellt, an dem der Vater großen- oder
größtentheils im Wirthshaus sich findet, an dem der Va-
ter am Wenigsten zu Hause zu finden ist, an dem der
Vater des Mittags und Abends in einer gewissen Aufre-
gung geistiger Getränke, gar im angetrunkenen oder betrun-
kenen zustande heimkehrt, an dem der Vater erst so spät
am Abende, erst in der Nacht zurückkommt. Das greift
dann unmittelbar und als böses Beispiel nachtheilig in
ihr kindliches Herz ein; aber es behindert und störet auch
die volle Erbauung, die innige Erquicklichkeit und den
rechten Segen des Sonntags für sie. – Wie sehr könnte
und sollte z. B. grad am Sonntage die Mittags- und
Abendtafel zu einer erquicklichen Scene des christlichen
Familienlebens und zu einem Sammelplatze christlicher
Sonntagsfreude sich gestalten, wenn Vater und Mutter
und Kinder, nun den Arbeiten und Armseligkeiten des
Alltagslebens enthoben, geweihet durch die Eindrücke der
kirchlichen Feier und der Andacht und durch die Ruhe und
das Außergewöhnliche des Tages gehoben bei einem -
diesmal bessern – gemeinschaftlichen Mahle sich zusam-
menfindend in trauter Unterhaltung und in gegenseitigem
Austausche ihrer Gedanken und Gefühle sich ersprächen?
Und wie wohlthuend und heilsam würde das sein! Nun
aber ist leicht grad die Sonntagstafel am meisten gestört,
am wenigsten erquicklich, da der Vater so lange im Wirths-
haus verharret oder die Spuren einer gewissen Unmäßig-
keit an sich finden lässet. Nun sind die Abende der Sonn-
tage die langweiligsten und unangenehmsten, da der Vater
fehlt, da der Vater erst so spät heimkehrt und die Mutter
in dem Leid darüber auch nicht recht froh sein kann. In
der That – traurig!
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[66/0069] wenig oder gar keine Nahrung findet, mehr und mehr verkümmert, um schließlich zu ersterben. Niemand, der anders die Sache zu beurtheilen versteht, zweifelt daran, daß in dem Mangel an rechter und würdiger Sonntagsfeier bei einer namhaften Zahl von Men- schen ein Hauptgrund ihrer religiösen und sittlichen Verkommenheit liegt und daß die würdige Sonntags- feier und ihr Segen durch nichts mehr zu Schanden gemacht wird, als durch jenes unselige Wirthshaus- leben. *) *) Da wir hier den Vater im Auge haben, wie sehr behelligt derselbe durch ein solches ungeordnetes Wirths- hausleben auch den Segen des Sonntags für die Seinigen, für die Kinder! Unmöglich kann denselben der Sonntag auf die Dauer recht heilig erscheinen und geweiht sein, wenn die Erfahrung ihnen denselben mehr und mehr als einen Tag herausstellt, an dem der Vater großen- oder größtentheils im Wirthshaus sich findet, an dem der Va- ter am Wenigsten zu Hause zu finden ist, an dem der Vater des Mittags und Abends in einer gewissen Aufre- gung geistiger Getränke, gar im angetrunkenen oder betrun- kenen zustande heimkehrt, an dem der Vater erst so spät am Abende, erst in der Nacht zurückkommt. Das greift dann unmittelbar und als böses Beispiel nachtheilig in ihr kindliches Herz ein; aber es behindert und störet auch die volle Erbauung, die innige Erquicklichkeit und den rechten Segen des Sonntags für sie. – Wie sehr könnte und sollte z. B. grad am Sonntage die Mittags- und Abendtafel zu einer erquicklichen Scene des christlichen Familienlebens und zu einem Sammelplatze christlicher Sonntagsfreude sich gestalten, wenn Vater und Mutter und Kinder, nun den Arbeiten und Armseligkeiten des Alltagslebens enthoben, geweihet durch die Eindrücke der kirchlichen Feier und der Andacht und durch die Ruhe und das Außergewöhnliche des Tages gehoben bei einem - diesmal bessern – gemeinschaftlichen Mahle sich zusam- menfindend in trauter Unterhaltung und in gegenseitigem Austausche ihrer Gedanken und Gefühle sich ersprächen? Und wie wohlthuend und heilsam würde das sein! Nun aber ist leicht grad die Sonntagstafel am meisten gestört, am wenigsten erquicklich, da der Vater so lange im Wirths- haus verharret oder die Spuren einer gewissen Unmäßig- keit an sich finden lässet. Nun sind die Abende der Sonn- tage die langweiligsten und unangenehmsten, da der Vater fehlt, da der Vater erst so spät heimkehrt und die Mutter in dem Leid darüber auch nicht recht froh sein kann. In der That – traurig!

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Zitationshilfe: Cramer, Wilhelm: Der christliche Vater wie er sein und was er thun soll. Nebst einem Anhange von Gebeten für denselben. Dülmen, 1874, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_mutter_1874/69>, abgerufen am 26.04.2024.