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Cramer, Wilhelm: Der christliche Vater wie er sein und was er thun soll. Nebst einem Anhange von Gebeten für denselben. Dülmen, 1874.

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ter dahin vermögen, daß sie ihr Kind so viel als
möglich durch mildere Mittel zur Besserung zu
bringen suche; aber führen diese nicht zum Ziele,
so scheuet sie auch die strengern Mittel, die Strafe,
nicht. Ist das nicht in Wahrheit Grausamkeit
gegen das Kind, wenn eine Mutter aus weichlicher
Scheu, dem Kinde vorübergebend wehe zu thun,
dasselbe mit seinen Fehlern hinläßt und auf solche
Art Schuld wird, daß es mit seinen Fehlern heran-
wachse und dadurch sein wahres Glück behindert
und ihm viel Uebels bereitet wird. Wer hat
größere Liebe zu den Menschen, als Gott selbst?
Und dennoch, wie scharf züchtigt Er sie nicht selten!
"Die ich liebe", sagt Er selbst, "die züchtige ich
scharf."

Je hartnäckiger ein Fehler am Kinde hervortritt,
desto nachdrücklichere Mittel sind oft anzuwenden,
desto beharrlicher müssen diese Mittel verwandt
werden. Was will es sagen, wenn die Mutter
hier und dort das Kind auf seine Fehler aufmerk-
sam macht, oder es dafür bestraft, dann aber die
Sache wieder gehen lässet; oder wenn sie diesmal
und ein anderes Mal straft, dagegen wieder andere
Male, vielleicht viel öfter den Fehler ungerügt und un-
gestraft hinlässet. Freilich ist das folgerichtige und
beharrliche Vorgehen gegen die Fehler der Kinder
nicht selten eine Aufgabe, welche große Selbstver-
läugnung und schwere Opfer in Anspruch nimmt.
Es ist meist viel bequemer, die Kinder mit ihren
Fehlern gehen zu lassen. Aber die Mutter bedenke,
daß ohne Mühe und Opfer ein christliches Leben
überhaupt nicht möglich ist, und daß es hier, wo

ter dahin vermögen, daß sie ihr Kind so viel als
möglich durch mildere Mittel zur Besserung zu
bringen suche; aber führen diese nicht zum Ziele,
so scheuet sie auch die strengern Mittel, die Strafe,
nicht. Ist das nicht in Wahrheit Grausamkeit
gegen das Kind, wenn eine Mutter aus weichlicher
Scheu, dem Kinde vorübergebend wehe zu thun,
dasselbe mit seinen Fehlern hinläßt und auf solche
Art Schuld wird, daß es mit seinen Fehlern heran-
wachse und dadurch sein wahres Glück behindert
und ihm viel Uebels bereitet wird. Wer hat
größere Liebe zu den Menschen, als Gott selbst?
Und dennoch, wie scharf züchtigt Er sie nicht selten!
„Die ich liebe“, sagt Er selbst, „die züchtige ich
scharf.“

Je hartnäckiger ein Fehler am Kinde hervortritt,
desto nachdrücklichere Mittel sind oft anzuwenden,
desto beharrlicher müssen diese Mittel verwandt
werden. Was will es sagen, wenn die Mutter
hier und dort das Kind auf seine Fehler aufmerk-
sam macht, oder es dafür bestraft, dann aber die
Sache wieder gehen lässet; oder wenn sie diesmal
und ein anderes Mal straft, dagegen wieder andere
Male, vielleicht viel öfter den Fehler ungerügt und un-
gestraft hinlässet. Freilich ist das folgerichtige und
beharrliche Vorgehen gegen die Fehler der Kinder
nicht selten eine Aufgabe, welche große Selbstver-
läugnung und schwere Opfer in Anspruch nimmt.
Es ist meist viel bequemer, die Kinder mit ihren
Fehlern gehen zu lassen. Aber die Mutter bedenke,
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[75/0286] ter dahin vermögen, daß sie ihr Kind so viel als möglich durch mildere Mittel zur Besserung zu bringen suche; aber führen diese nicht zum Ziele, so scheuet sie auch die strengern Mittel, die Strafe, nicht. Ist das nicht in Wahrheit Grausamkeit gegen das Kind, wenn eine Mutter aus weichlicher Scheu, dem Kinde vorübergebend wehe zu thun, dasselbe mit seinen Fehlern hinläßt und auf solche Art Schuld wird, daß es mit seinen Fehlern heran- wachse und dadurch sein wahres Glück behindert und ihm viel Uebels bereitet wird. Wer hat größere Liebe zu den Menschen, als Gott selbst? Und dennoch, wie scharf züchtigt Er sie nicht selten! „Die ich liebe“, sagt Er selbst, „die züchtige ich scharf.“ Je hartnäckiger ein Fehler am Kinde hervortritt, desto nachdrücklichere Mittel sind oft anzuwenden, desto beharrlicher müssen diese Mittel verwandt werden. Was will es sagen, wenn die Mutter hier und dort das Kind auf seine Fehler aufmerk- sam macht, oder es dafür bestraft, dann aber die Sache wieder gehen lässet; oder wenn sie diesmal und ein anderes Mal straft, dagegen wieder andere Male, vielleicht viel öfter den Fehler ungerügt und un- gestraft hinlässet. Freilich ist das folgerichtige und beharrliche Vorgehen gegen die Fehler der Kinder nicht selten eine Aufgabe, welche große Selbstver- läugnung und schwere Opfer in Anspruch nimmt. Es ist meist viel bequemer, die Kinder mit ihren Fehlern gehen zu lassen. Aber die Mutter bedenke, daß ohne Mühe und Opfer ein christliches Leben überhaupt nicht möglich ist, und daß es hier, wo

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Zitationshilfe: Cramer, Wilhelm: Der christliche Vater wie er sein und was er thun soll. Nebst einem Anhange von Gebeten für denselben. Dülmen, 1874, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_mutter_1874/286>, abgerufen am 24.04.2024.