uns Freude habe. In den Mittagsstunden oder am Abende machte er uns mit großer Geschicklichkeit allerlei Spielsachen. Bald verfertigte er uns einen kleinen Karren oder Wagen und Geschirr, um den kräftigen Hund davor spannen zu können; bald zog er uns Saiten über einen Holzschuh, um darauf Violine spielen zu können. Meinen Schwestern machte er Nähkistchen, Nadelköcher und Wiegen für ihre Puppen. Während der Arbeit hielten wir uns dann zu ihm und hielten die Bretter zum Sägen oder Bohren fest, oder wir gaben auch unser Votum (Gut- achten) über die zweckmäßige Einrichtung der Spiel- sachen ab. Dabei gab er uns mit der größten Freund- lichkeit und Bereitwilligkeit auf unsere unzähligen Fragen Antwort.
Hatten wir alle drei seine Aufmerksamkeit verdient, so durften wir auch alle drei bei der Anfertigung der Spielsachen und Geräthschaften zugegen sein. Wer aber seine Unzufriedenheit sich zugezogen hatte, der erhielt den Befehl, zurück zu bleiben und anderswo eine Arbeit zu verrichten. Wenn wir uns aber alle drei irgendwie verfehlt hatten, so ruhete gleich die zu unserm Vergnügen angefangene Arbeit; er that dann sehr kalt gegen uns, würdigte uns kaum eines Blickes und er schien dann sich um uns gar nicht zu be- kümmern. Es schwebt mir jetzt nach dreißig Jahren noch sehr lebhaft vor der Seele, wie glücklich wir uns fühlten, wenn wir seiner Zufriedenheit uns er- freueten, wie wehe es uns aber that, wenn er uns wegen eines Fehlers aus dem Herzen gestoßen zu haben schien.
Von unsern Leistungen in der Schule mußten wir jeden Sonntag Nachmittag durch Vorzeigen unserer
uns Freude habe. In den Mittagsstunden oder am Abende machte er uns mit großer Geschicklichkeit allerlei Spielsachen. Bald verfertigte er uns einen kleinen Karren oder Wagen und Geschirr, um den kräftigen Hund davor spannen zu können; bald zog er uns Saiten über einen Holzschuh, um darauf Violine spielen zu können. Meinen Schwestern machte er Nähkistchen, Nadelköcher und Wiegen für ihre Puppen. Während der Arbeit hielten wir uns dann zu ihm und hielten die Bretter zum Sägen oder Bohren fest, oder wir gaben auch unser Votum (Gut- achten) über die zweckmäßige Einrichtung der Spiel- sachen ab. Dabei gab er uns mit der größten Freund- lichkeit und Bereitwilligkeit auf unsere unzähligen Fragen Antwort.
Hatten wir alle drei seine Aufmerksamkeit verdient, so durften wir auch alle drei bei der Anfertigung der Spielsachen und Geräthschaften zugegen sein. Wer aber seine Unzufriedenheit sich zugezogen hatte, der erhielt den Befehl, zurück zu bleiben und anderswo eine Arbeit zu verrichten. Wenn wir uns aber alle drei irgendwie verfehlt hatten, so ruhete gleich die zu unserm Vergnügen angefangene Arbeit; er that dann sehr kalt gegen uns, würdigte uns kaum eines Blickes und er schien dann sich um uns gar nicht zu be- kümmern. Es schwebt mir jetzt nach dreißig Jahren noch sehr lebhaft vor der Seele, wie glücklich wir uns fühlten, wenn wir seiner Zufriedenheit uns er- freueten, wie wehe es uns aber that, wenn er uns wegen eines Fehlers aus dem Herzen gestoßen zu haben schien.
Von unsern Leistungen in der Schule mußten wir jeden Sonntag Nachmittag durch Vorzeigen unserer
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uns Freude habe. In den Mittagsstunden oder am
Abende machte er uns mit großer Geschicklichkeit
allerlei Spielsachen. Bald verfertigte er uns einen
kleinen Karren oder Wagen und Geschirr, um den
kräftigen Hund davor spannen zu können; bald zog
er uns Saiten über einen Holzschuh, um darauf
Violine spielen zu können. Meinen Schwestern machte
er Nähkistchen, Nadelköcher und Wiegen für ihre
Puppen. Während der Arbeit hielten wir uns dann
zu ihm und hielten die Bretter zum Sägen oder
Bohren fest, oder wir gaben auch unser Votum (Gut-
achten) über die zweckmäßige Einrichtung der Spiel-
sachen ab. Dabei gab er uns mit der größten Freund-
lichkeit und Bereitwilligkeit auf unsere unzähligen
Fragen Antwort.
Hatten wir alle drei seine Aufmerksamkeit verdient,
so durften wir auch alle drei bei der Anfertigung
der Spielsachen und Geräthschaften zugegen sein.
Wer aber seine Unzufriedenheit sich zugezogen hatte,
der erhielt den Befehl, zurück zu bleiben und anderswo
eine Arbeit zu verrichten. Wenn wir uns aber alle
drei irgendwie verfehlt hatten, so ruhete gleich die zu
unserm Vergnügen angefangene Arbeit; er that dann
sehr kalt gegen uns, würdigte uns kaum eines Blickes
und er schien dann sich um uns gar nicht zu be-
kümmern. Es schwebt mir jetzt nach dreißig Jahren
noch sehr lebhaft vor der Seele, wie glücklich wir
uns fühlten, wenn wir seiner Zufriedenheit uns er-
freueten, wie wehe es uns aber that, wenn er uns
wegen eines Fehlers aus dem Herzen gestoßen zu
haben schien.
Von unsern Leistungen in der Schule mußten wir
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Cramer, Wilhelm: Der christliche Vater wie er sein und was er thun soll. Nebst einem Anhange von Gebeten für denselben. Dülmen, 1874, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_mutter_1874/156>, abgerufen am 23.11.2024.
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