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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.

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verwandeln wird; er aber bleibet, wie er ist, und
seine Jahre nehmen kein Ende. Siehe Gott
ist groß und unbekannt. Seine Jahrzahl
kann niemand forschen.

Jch muß Gott als das einzige selbstständige
und unabhängige, als das einzige nothwendige,
als das einzige höchste und vollkommenste Wesen
denken; also muß ich mir auch sein unendliches
Daseyn ohne allen möglichen Anfang, und ohne
alles mögliche Ende vorstellen.

Was entstanden ist, das ist nicht von sich
selbst; das hat so wenig den Grund seines Da-
seyns, als seines Wesens in sich selbst. Wenn
es von sich selbst, und nicht durch eine frühere
Ursache anfangen sollte, so müßte es eher da seyn
und wirken können, als es ist. Jst dieß wider-
sprechend, so kann das selbstständige Wesen, das
in seinem Daseyn von keinem andern abhängt,
und den Grund, warum es ist, in sich selbst ha-
ben muß, keinen Anfang, auch nicht von sich
selbst gehabt haben; es muß allezeit gewesen seyn,
nicht allein ohne einen wirklichen Anfang, son-
dern auch ohne einen möglichen Anfang; es muß
im höchsten Verstande ohne Anfang ewig seyn.

Eben

verwandeln wird; er aber bleibet, wie er iſt, und
ſeine Jahre nehmen kein Ende. Siehe Gott
iſt groß und unbekannt. Seine Jahrzahl
kann niemand forſchen.

Jch muß Gott als das einzige ſelbſtſtändige
und unabhängige, als das einzige nothwendige,
als das einzige höchſte und vollkommenſte Weſen
denken; alſo muß ich mir auch ſein unendliches
Daſeyn ohne allen möglichen Anfang, und ohne
alles mögliche Ende vorſtellen.

Was entſtanden iſt, das iſt nicht von ſich
ſelbſt; das hat ſo wenig den Grund ſeines Da-
ſeyns, als ſeines Weſens in ſich ſelbſt. Wenn
es von ſich ſelbſt, und nicht durch eine frühere
Urſache anfangen ſollte, ſo müßte es eher da ſeyn
und wirken können, als es iſt. Jſt dieß wider-
ſprechend, ſo kann das ſelbſtſtändige Weſen, das
in ſeinem Daſeyn von keinem andern abhängt,
und den Grund, warum es iſt, in ſich ſelbſt ha-
ben muß, keinen Anfang, auch nicht von ſich
ſelbſt gehabt haben; es muß allezeit geweſen ſeyn,
nicht allein ohne einen wirklichen Anfang, ſon-
dern auch ohne einen möglichen Anfang; es muß
im höchſten Verſtande ohne Anfang ewig ſeyn.

Eben
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[395/0409] verwandeln wird; er aber bleibet, wie er iſt, und ſeine Jahre nehmen kein Ende. Siehe Gott iſt groß und unbekannt. Seine Jahrzahl kann niemand forſchen. Jch muß Gott als das einzige ſelbſtſtändige und unabhängige, als das einzige nothwendige, als das einzige höchſte und vollkommenſte Weſen denken; alſo muß ich mir auch ſein unendliches Daſeyn ohne allen möglichen Anfang, und ohne alles mögliche Ende vorſtellen. Was entſtanden iſt, das iſt nicht von ſich ſelbſt; das hat ſo wenig den Grund ſeines Da- ſeyns, als ſeines Weſens in ſich ſelbſt. Wenn es von ſich ſelbſt, und nicht durch eine frühere Urſache anfangen ſollte, ſo müßte es eher da ſeyn und wirken können, als es iſt. Jſt dieß wider- ſprechend, ſo kann das ſelbſtſtändige Weſen, das in ſeinem Daſeyn von keinem andern abhängt, und den Grund, warum es iſt, in ſich ſelbſt ha- ben muß, keinen Anfang, auch nicht von ſich ſelbſt gehabt haben; es muß allezeit geweſen ſeyn, nicht allein ohne einen wirklichen Anfang, ſon- dern auch ohne einen möglichen Anfang; es muß im höchſten Verſtande ohne Anfang ewig ſeyn. Eben

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/409>, abgerufen am 24.11.2024.