Himmels gegen die Erde, und der Erde gegen den Himmel, aus der schönen Uebereinstimmung und Harmonie in der ganzen Natur einzusehen, daß sie sowohl ihrem Ursprunge als ihrer Fort- dauer nach das Werk nur Einer unendlichen Weisheit, Güte, Macht und Herrschaft wäre. Sie erkannten ein einziges höchstes Wesen, wel- ches sie die Ursache aller Ursachen, den Grund aller Gründe, den Gott aller Götter nann- ten. Weil sie sich aber entweder von dem Aber- glauben, worinnen sie erzogen waren, nicht ganz losreißen konnten, oder sich aus Furcht vor der Verfolgung des großen Haufens nicht wagten, dieses schimpfliche Joch ganz abzuwerfen, oder weil sie aus eigennützigen Absichten die Jrr- thümer ihres Landes schmücken und vertheidi- gen wollten, wie nicht lange nach der Ausbrei- tung des christlichen Glaubens geschah: So ver- mischten sie Licht und Finsterniß mit einander. Sie behaupteten einen einzigen höchsten Gott und neben ihm unzählbare geringere Götter, die von ihm entsprungen seyn, diese Welt hervorgebracht haben und beherrschen, auch dieser Herrschaft we- gen von uns verehrt und angebetet werden sollten. Dieß sind die verschiednen gröbern und feinern Jrrthümer und Ungereimtheiten der Vielgötterey, welche das menschliche Geschlecht so lange verfin-
stert
Himmels gegen die Erde, und der Erde gegen den Himmel, aus der ſchönen Uebereinſtimmung und Harmonie in der ganzen Natur einzuſehen, daß ſie ſowohl ihrem Urſprunge als ihrer Fort- dauer nach das Werk nur Einer unendlichen Weisheit, Güte, Macht und Herrſchaft wäre. Sie erkannten ein einziges höchſtes Weſen, wel- ches ſie die Urſache aller Urſachen, den Grund aller Gründe, den Gott aller Götter nann- ten. Weil ſie ſich aber entweder von dem Aber- glauben, worinnen ſie erzogen waren, nicht ganz losreißen konnten, oder ſich aus Furcht vor der Verfolgung des großen Haufens nicht wagten, dieſes ſchimpfliche Joch ganz abzuwerfen, oder weil ſie aus eigennützigen Abſichten die Jrr- thümer ihres Landes ſchmücken und vertheidi- gen wollten, wie nicht lange nach der Ausbrei- tung des chriſtlichen Glaubens geſchah: So ver- miſchten ſie Licht und Finſterniß mit einander. Sie behaupteten einen einzigen höchſten Gott und neben ihm unzählbare geringere Götter, die von ihm entſprungen ſeyn, dieſe Welt hervorgebracht haben und beherrſchen, auch dieſer Herrſchaft we- gen von uns verehrt und angebetet werden ſollten. Dieß ſind die verſchiednen gröbern und feinern Jrrthümer und Ungereimtheiten der Vielgötterey, welche das menſchliche Geſchlecht ſo lange verfin-
ſtert
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Himmels gegen die Erde, und der Erde gegen
den Himmel, aus der ſchönen Uebereinſtimmung
und Harmonie in der ganzen Natur einzuſehen,
daß ſie ſowohl ihrem Urſprunge als ihrer Fort-
dauer nach das Werk nur Einer unendlichen
Weisheit, Güte, Macht und Herrſchaft wäre.
Sie erkannten ein einziges höchſtes Weſen, wel-
ches ſie die Urſache aller Urſachen, den Grund
aller Gründe, den Gott aller Götter nann-
ten. Weil ſie ſich aber entweder von dem Aber-
glauben, worinnen ſie erzogen waren, nicht ganz
losreißen konnten, oder ſich aus Furcht vor der
Verfolgung des großen Haufens nicht wagten,
dieſes ſchimpfliche Joch ganz abzuwerfen, oder
weil ſie aus eigennützigen Abſichten die Jrr-
thümer ihres Landes ſchmücken und vertheidi-
gen wollten, wie nicht lange nach der Ausbrei-
tung des chriſtlichen Glaubens geſchah: So ver-
miſchten ſie Licht und Finſterniß mit einander.
Sie behaupteten einen einzigen höchſten Gott und
neben ihm unzählbare geringere Götter, die von
ihm entſprungen ſeyn, dieſe Welt hervorgebracht
haben und beherrſchen, auch dieſer Herrſchaft we-
gen von uns verehrt und angebetet werden ſollten.
Dieß ſind die verſchiednen gröbern und feinern
Jrrthümer und Ungereimtheiten der Vielgötterey,
welche das menſchliche Geſchlecht ſo lange verfin-
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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/365>, abgerufen am 22.11.2024.
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