je zweydeutiger die Worte sind, mit denen sie ihre Gedanken davon ausdrücken, desto sorgfältiger und lebhafter will ich in der Betrachtung dieser Wahrheiten der engen Grenzen meines Verstan- des eingedenk bleiben. Jch will mich selbst in meinen Begriffen nicht für unbetrieglich halten; ich will aber, nach einer redlichen und genauen Untersuchung nur das glauben, was nach meiner gewissenhaftesten Einsicht dem Sinne der Offen- barung, und eben deswegen meiner Vernunft am gemäßesten ist, weil Offenbarung und Vernunft nicht wider einander streiten können. Entdecke ich Unbegreiflichkeiten, die ich nicht aufklären kann; komme ich auf Fragen, auf die ich weder in der Offenbarung, noch in gewissen und unstrei- tigen Wahrheiten der Vernunft zureichende Ant- worten finde: So will nicht mehr zu wissen ver- langen, als ich wissen soll; ich will meine Hand auf den Mund legen und mit einem ehrerbietigen Stillschweigen das majestätische Wesen anbeten, welches, wie viel ich auch von ihm aus dem Lich- te der Vernunft und Offenbarung erkenne, doch immer nicht nur mir, sondern auch dem erhaben- sten endlichen Geiste unerforschlich bleibt.
Die Wahrheit, daß nur Ein Gott sey, ist in der Offenbarung, dem Jrrthume der Heiden
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je zweydeutiger die Worte ſind, mit denen ſie ihre Gedanken davon ausdrücken, deſto ſorgfältiger und lebhafter will ich in der Betrachtung dieſer Wahrheiten der engen Grenzen meines Verſtan- des eingedenk bleiben. Jch will mich ſelbſt in meinen Begriffen nicht für unbetrieglich halten; ich will aber, nach einer redlichen und genauen Unterſuchung nur das glauben, was nach meiner gewiſſenhafteſten Einſicht dem Sinne der Offen- barung, und eben deswegen meiner Vernunft am gemäßeſten iſt, weil Offenbarung und Vernunft nicht wider einander ſtreiten können. Entdecke ich Unbegreiflichkeiten, die ich nicht aufklären kann; komme ich auf Fragen, auf die ich weder in der Offenbarung, noch in gewiſſen und unſtrei- tigen Wahrheiten der Vernunft zureichende Ant- worten finde: So will nicht mehr zu wiſſen ver- langen, als ich wiſſen ſoll; ich will meine Hand auf den Mund legen und mit einem ehrerbietigen Stillſchweigen das majeſtätiſche Weſen anbeten, welches, wie viel ich auch von ihm aus dem Lich- te der Vernunft und Offenbarung erkenne, doch immer nicht nur mir, ſondern auch dem erhaben- ſten endlichen Geiſte unerforſchlich bleibt.
Die Wahrheit, daß nur Ein Gott ſey, iſt in der Offenbarung, dem Jrrthume der Heiden
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je zweydeutiger die Worte ſind, mit denen ſie ihre
Gedanken davon ausdrücken, deſto ſorgfältiger
und lebhafter will ich in der Betrachtung dieſer
Wahrheiten der engen Grenzen meines Verſtan-
des eingedenk bleiben. Jch will mich ſelbſt in
meinen Begriffen nicht für unbetrieglich halten;
ich will aber, nach einer redlichen und genauen
Unterſuchung nur das glauben, was nach meiner
gewiſſenhafteſten Einſicht dem Sinne der Offen-
barung, und eben deswegen meiner Vernunft am
gemäßeſten iſt, weil Offenbarung und Vernunft
nicht wider einander ſtreiten können. Entdecke
ich Unbegreiflichkeiten, die ich nicht aufklären
kann; komme ich auf Fragen, auf die ich weder
in der Offenbarung, noch in gewiſſen und unſtrei-
tigen Wahrheiten der Vernunft zureichende Ant-
worten finde: So will nicht mehr zu wiſſen ver-
langen, als ich wiſſen ſoll; ich will meine Hand
auf den Mund legen und mit einem ehrerbietigen
Stillſchweigen das majeſtätiſche Weſen anbeten,
welches, wie viel ich auch von ihm aus dem Lich-
te der Vernunft und Offenbarung erkenne, doch
immer nicht nur mir, ſondern auch dem erhaben-
ſten endlichen Geiſte unerforſchlich bleibt.
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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/361>, abgerufen am 22.11.2024.
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