hat; was anders seyn kann, als es ist, muß sei- nen Grund in einer Ursache außer sich haben. Sollte ich das Gegentheil glauben, so müßte ich Widersprüche denken; ich müßte mich überreden können, ein und dasselbe Ding könne zugleich seyn, und auch nicht seyn; es sey eine unendlich lange Kette möglich, ohne daß es ein erstes Glied derselben gebe.
Es ist also eine erste Ursache aller der We- sen, von denen ich weiß, daß sie einen Anfang ihres Daseyns haben. Diese Ursache muß ewig; ihr Daseyn ohne Anfang und unveränderlich seyn, eben deswegen, weil sie die erste Ursache ist. Jch kann ohne Ungereimtheit und Widerspruch nach keinem Grunde von ihr fragen. Der Begriff des Ersten schließt die Vorstellung alles Vorhergehen- den aus; das Daseyn des ersten ist ein nothwen- diges Daseyn. Verursachen, daß etwas, das nicht war, zur Wirklichkeit kömmt, heißt erschaf- fen. Folglich muß ich, wenn ich nicht meine eigne Vernunft verläugnen und mich wider die gewissesten Erkenntnisse derselben empören will, einen ewigen und nothwendigen Schöpfer aller Dinge erkennen. Es ist ein Gott: Dieß ist eine Wahrheit, deren Stimme mir aus der gan- zen Schöpfung entgegen schallt.
Das
hat; was anders ſeyn kann, als es iſt, muß ſei- nen Grund in einer Urſache außer ſich haben. Sollte ich das Gegentheil glauben, ſo müßte ich Widerſprüche denken; ich müßte mich überreden können, ein und daſſelbe Ding könne zugleich ſeyn, und auch nicht ſeyn; es ſey eine unendlich lange Kette möglich, ohne daß es ein erſtes Glied derſelben gebe.
Es iſt alſo eine erſte Urſache aller der We- ſen, von denen ich weiß, daß ſie einen Anfang ihres Daſeyns haben. Dieſe Urſache muß ewig; ihr Daſeyn ohne Anfang und unveränderlich ſeyn, eben deswegen, weil ſie die erſte Urſache iſt. Jch kann ohne Ungereimtheit und Widerſpruch nach keinem Grunde von ihr fragen. Der Begriff des Erſten ſchließt die Vorſtellung alles Vorhergehen- den aus; das Daſeyn des erſten iſt ein nothwen- diges Daſeyn. Verurſachen, daß etwas, das nicht war, zur Wirklichkeit kömmt, heißt erſchaf- fen. Folglich muß ich, wenn ich nicht meine eigne Vernunft verläugnen und mich wider die gewiſſeſten Erkenntniſſe derſelben empören will, einen ewigen und nothwendigen Schöpfer aller Dinge erkennen. Es iſt ein Gott: Dieß iſt eine Wahrheit, deren Stimme mir aus der gan- zen Schöpfung entgegen ſchallt.
Das
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hat; was anders ſeyn kann, als es iſt, muß ſei-
nen Grund in einer Urſache außer ſich haben.
Sollte ich das Gegentheil glauben, ſo müßte ich
Widerſprüche denken; ich müßte mich überreden
können, ein und daſſelbe Ding könne zugleich
ſeyn, und auch nicht ſeyn; es ſey eine unendlich
lange Kette möglich, ohne daß es ein erſtes
Glied derſelben gebe.
Es iſt alſo eine erſte Urſache aller der We-
ſen, von denen ich weiß, daß ſie einen Anfang
ihres Daſeyns haben. Dieſe Urſache muß ewig;
ihr Daſeyn ohne Anfang und unveränderlich ſeyn,
eben deswegen, weil ſie die erſte Urſache iſt. Jch
kann ohne Ungereimtheit und Widerſpruch nach
keinem Grunde von ihr fragen. Der Begriff des
Erſten ſchließt die Vorſtellung alles Vorhergehen-
den aus; das Daſeyn des erſten iſt ein nothwen-
diges Daſeyn. Verurſachen, daß etwas, das
nicht war, zur Wirklichkeit kömmt, heißt erſchaf-
fen. Folglich muß ich, wenn ich nicht meine
eigne Vernunft verläugnen und mich wider die
gewiſſeſten Erkenntniſſe derſelben empören will,
einen ewigen und nothwendigen Schöpfer aller
Dinge erkennen. Es iſt ein Gott: Dieß iſt
eine Wahrheit, deren Stimme mir aus der gan-
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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/350>, abgerufen am 22.11.2024.
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