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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.

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alle Handlungen meines Willens haben nichts,
das den Theilen eines Körpers, seinen Figuren
und Bewegungen ähnlich wäre, und nur einiger-
maßen damit verglichen werden könnte. Kann
die Ursache unedler, als die Wirkung seyn?
Muß ich nicht glauben, auch die Natur Gottes
sey unzusammengesetzt, aller Theilbarkeit unfähig
und einfach; er sey ein Geist oder ein Wesen,
welches Verstand und Willen hat? Jch habe
mancherley Erkenntnisse: Kann ich nicht daraus
schließen, weil der Mangel einiger Einsichten, ih-
re Unvollkommenheit und Dunkelheit bloß ein
Beweis von der Einschränkung meiner Seele ist,
daß mein Schöpfer alle mögliche Erkenntnisse in
allen möglichen Vollkommenheiten besitze? Jch
bin, weil ich Verstand und Willen habe, mancher
Arten von Vergnügen und Glückseeligkeit fähig;
Kann ich nicht daraus schließen, daß ein Geist
ohne Mangel und Einschränkung in seinem Ver-
stande und Willen auch eine unendliche ganz voll-
kommne Glückseeligkeit genießen müsse?

Freue dich denn, meine Seele, daß du ge-
würdigt worden bist, ein Bild deines Schöpfers,
und seiner herrlichen und großen Eigenschaften zu
werden! Vergiß nicht der Vorzüge, mit welchen
du von ihm vor allen andern Geschöpfen begna-

digt

alle Handlungen meines Willens haben nichts,
das den Theilen eines Körpers, ſeinen Figuren
und Bewegungen ähnlich wäre, und nur einiger-
maßen damit verglichen werden könnte. Kann
die Urſache unedler, als die Wirkung ſeyn?
Muß ich nicht glauben, auch die Natur Gottes
ſey unzuſammengeſetzt, aller Theilbarkeit unfähig
und einfach; er ſey ein Geiſt oder ein Weſen,
welches Verſtand und Willen hat? Jch habe
mancherley Erkenntniſſe: Kann ich nicht daraus
ſchließen, weil der Mangel einiger Einſichten, ih-
re Unvollkommenheit und Dunkelheit bloß ein
Beweis von der Einſchränkung meiner Seele iſt,
daß mein Schöpfer alle mögliche Erkenntniſſe in
allen möglichen Vollkommenheiten beſitze? Jch
bin, weil ich Verſtand und Willen habe, mancher
Arten von Vergnügen und Glückſeeligkeit fähig;
Kann ich nicht daraus ſchließen, daß ein Geiſt
ohne Mangel und Einſchränkung in ſeinem Ver-
ſtande und Willen auch eine unendliche ganz voll-
kommne Glückſeeligkeit genießen müſſe?

Freue dich denn, meine Seele, daß du ge-
würdigt worden biſt, ein Bild deines Schöpfers,
und ſeiner herrlichen und großen Eigenſchaften zu
werden! Vergiß nicht der Vorzüge, mit welchen
du von ihm vor allen andern Geſchöpfen begna-

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[302/0316] alle Handlungen meines Willens haben nichts, das den Theilen eines Körpers, ſeinen Figuren und Bewegungen ähnlich wäre, und nur einiger- maßen damit verglichen werden könnte. Kann die Urſache unedler, als die Wirkung ſeyn? Muß ich nicht glauben, auch die Natur Gottes ſey unzuſammengeſetzt, aller Theilbarkeit unfähig und einfach; er ſey ein Geiſt oder ein Weſen, welches Verſtand und Willen hat? Jch habe mancherley Erkenntniſſe: Kann ich nicht daraus ſchließen, weil der Mangel einiger Einſichten, ih- re Unvollkommenheit und Dunkelheit bloß ein Beweis von der Einſchränkung meiner Seele iſt, daß mein Schöpfer alle mögliche Erkenntniſſe in allen möglichen Vollkommenheiten beſitze? Jch bin, weil ich Verſtand und Willen habe, mancher Arten von Vergnügen und Glückſeeligkeit fähig; Kann ich nicht daraus ſchließen, daß ein Geiſt ohne Mangel und Einſchränkung in ſeinem Ver- ſtande und Willen auch eine unendliche ganz voll- kommne Glückſeeligkeit genießen müſſe? Freue dich denn, meine Seele, daß du ge- würdigt worden biſt, ein Bild deines Schöpfers, und ſeiner herrlichen und großen Eigenſchaften zu werden! Vergiß nicht der Vorzüge, mit welchen du von ihm vor allen andern Geſchöpfen begna- digt

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/316>, abgerufen am 22.11.2024.