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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.

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durch die Ueberlegung und Vernunft hervorbrin-
gen und genießen.

Jch bin aber nicht nur äußerlicher, sondern
auch innerlicher Empfindungen fähig. Diese
sind alle diejenigen Vorstellungen, welche in mei-
ner Seele entstehen, wenn sie sich ihrer selbst,
und des Mannichfaltigen in ihr bewußt wird.
Durch die innre Empfindung weiß ich, daß ich
bin; daß ich denke; daß ich will; daß ich verab-
scheue und begehre. Von tausend Vorstellungen
und Wahrheiten habe ich keine andre Gewißheit,
als diejenige, die aus einer sich immer gleichen in-
nerlichen Empfindung entspringt.

Jch bin also ein Wesen, welches durch äus-
sere und innere Empfindungen mannichfaltige Ge-
danken erhalten kann. Alle diese kann ich, auch
in Abwesenheit aller äußerlichen Gegenstände,
welche damit übereinstimmen, wiewohl gemei-
niglich mit einer geringern Lebhaftigkeit fortsetzen,
und bey gewissen Umständen und nach gewissen
Regeln wieder erneuern und zurückrufen; meine
Seele hat Errinnerung und Gedächtniß. Bey
einem Begriffe kann ich andre denken oder er-
neuern, die ich entweder sonst neben denen em-
pfand, die ich nun wieder denke, oder die mit

den
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durch die Ueberlegung und Vernunft hervorbrin-
gen und genießen.

Jch bin aber nicht nur äußerlicher, ſondern
auch innerlicher Empfindungen fähig. Dieſe
ſind alle diejenigen Vorſtellungen, welche in mei-
ner Seele entſtehen, wenn ſie ſich ihrer ſelbſt,
und des Mannichfaltigen in ihr bewußt wird.
Durch die innre Empfindung weiß ich, daß ich
bin; daß ich denke; daß ich will; daß ich verab-
ſcheue und begehre. Von tauſend Vorſtellungen
und Wahrheiten habe ich keine andre Gewißheit,
als diejenige, die aus einer ſich immer gleichen in-
nerlichen Empfindung entſpringt.

Jch bin alſo ein Weſen, welches durch äuſ-
ſere und innere Empfindungen mannichfaltige Ge-
danken erhalten kann. Alle dieſe kann ich, auch
in Abweſenheit aller äußerlichen Gegenſtände,
welche damit übereinſtimmen, wiewohl gemei-
niglich mit einer geringern Lebhaftigkeit fortſetzen,
und bey gewiſſen Umſtänden und nach gewiſſen
Regeln wieder erneuern und zurückrufen; meine
Seele hat Errinnerung und Gedächtniß. Bey
einem Begriffe kann ich andre denken oder er-
neuern, die ich entweder ſonſt neben denen em-
pfand, die ich nun wieder denke, oder die mit

den
T 2
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[291/0305] durch die Ueberlegung und Vernunft hervorbrin- gen und genießen. Jch bin aber nicht nur äußerlicher, ſondern auch innerlicher Empfindungen fähig. Dieſe ſind alle diejenigen Vorſtellungen, welche in mei- ner Seele entſtehen, wenn ſie ſich ihrer ſelbſt, und des Mannichfaltigen in ihr bewußt wird. Durch die innre Empfindung weiß ich, daß ich bin; daß ich denke; daß ich will; daß ich verab- ſcheue und begehre. Von tauſend Vorſtellungen und Wahrheiten habe ich keine andre Gewißheit, als diejenige, die aus einer ſich immer gleichen in- nerlichen Empfindung entſpringt. Jch bin alſo ein Weſen, welches durch äuſ- ſere und innere Empfindungen mannichfaltige Ge- danken erhalten kann. Alle dieſe kann ich, auch in Abweſenheit aller äußerlichen Gegenſtände, welche damit übereinſtimmen, wiewohl gemei- niglich mit einer geringern Lebhaftigkeit fortſetzen, und bey gewiſſen Umſtänden und nach gewiſſen Regeln wieder erneuern und zurückrufen; meine Seele hat Errinnerung und Gedächtniß. Bey einem Begriffe kann ich andre denken oder er- neuern, die ich entweder ſonſt neben denen em- pfand, die ich nun wieder denke, oder die mit den T 2

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/305>, abgerufen am 26.06.2024.