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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.

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aller Theile des Körpers errichtet werden und be-
stehen sollte!

Wie viele Absichten werden nicht durch diese
Gemeinschaft der Theile erhalten, die außer ihrer
Vereinigung unmöglich erfüllt werden konnten.
Wie viele Begriffe, die wir empfangen, hängen
von den gemeinschaftlichen Wirkungen verschied-
ner Sinne ab! Wir würden zum Exempel keine
Vorstellung von Ausdehnung, Raum und Figur
haben, wenn sich nicht Gesicht und Gefühl mit
einander vereinigten; eben so würden wir nicht
hören, wenn wir nicht reden könnten, und nicht
reden, wenn wir nicht hören könnten!

Die Mannichfaltigkeit der Endzwecke, wel-
che gemeiniglich durch einen jeden Theil unsers
Körpers vermöge seiner kunstvollen Einrichtung
erhalten werden, ist eben ein so bewundernswür-
diger Beweis einer unendlichen Weisheit, als die
Mannichfaltigkeit der Theile und ihre freund-
schaftliche Harmonie mit einander. Dieses ist
ein Beweis, der auch dem gemeinsten Verstande
begreiflich ist, wenn er nur einige Aufmerksam-
keit auf den Bau seines Körpers richten will! Zu
wie vielen Absichten dienet nicht die Zunge, die-
ser kleine Theil unsers Leibes! Sie trägt das

ihrige

aller Theile des Körpers errichtet werden und be-
ſtehen ſollte!

Wie viele Abſichten werden nicht durch dieſe
Gemeinſchaft der Theile erhalten, die außer ihrer
Vereinigung unmöglich erfüllt werden konnten.
Wie viele Begriffe, die wir empfangen, hängen
von den gemeinſchaftlichen Wirkungen verſchied-
ner Sinne ab! Wir würden zum Exempel keine
Vorſtellung von Ausdehnung, Raum und Figur
haben, wenn ſich nicht Geſicht und Gefühl mit
einander vereinigten; eben ſo würden wir nicht
hören, wenn wir nicht reden könnten, und nicht
reden, wenn wir nicht hören könnten!

Die Mannichfaltigkeit der Endzwecke, wel-
che gemeiniglich durch einen jeden Theil unſers
Körpers vermöge ſeiner kunſtvollen Einrichtung
erhalten werden, iſt eben ein ſo bewundernswür-
diger Beweis einer unendlichen Weisheit, als die
Mannichfaltigkeit der Theile und ihre freund-
ſchaftliche Harmonie mit einander. Dieſes iſt
ein Beweis, der auch dem gemeinſten Verſtande
begreiflich iſt, wenn er nur einige Aufmerkſam-
keit auf den Bau ſeines Körpers richten will! Zu
wie vielen Abſichten dienet nicht die Zunge, die-
ſer kleine Theil unſers Leibes! Sie trägt das

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[276/0290] aller Theile des Körpers errichtet werden und be- ſtehen ſollte! Wie viele Abſichten werden nicht durch dieſe Gemeinſchaft der Theile erhalten, die außer ihrer Vereinigung unmöglich erfüllt werden konnten. Wie viele Begriffe, die wir empfangen, hängen von den gemeinſchaftlichen Wirkungen verſchied- ner Sinne ab! Wir würden zum Exempel keine Vorſtellung von Ausdehnung, Raum und Figur haben, wenn ſich nicht Geſicht und Gefühl mit einander vereinigten; eben ſo würden wir nicht hören, wenn wir nicht reden könnten, und nicht reden, wenn wir nicht hören könnten! Die Mannichfaltigkeit der Endzwecke, wel- che gemeiniglich durch einen jeden Theil unſers Körpers vermöge ſeiner kunſtvollen Einrichtung erhalten werden, iſt eben ein ſo bewundernswür- diger Beweis einer unendlichen Weisheit, als die Mannichfaltigkeit der Theile und ihre freund- ſchaftliche Harmonie mit einander. Dieſes iſt ein Beweis, der auch dem gemeinſten Verſtande begreiflich iſt, wenn er nur einige Aufmerkſam- keit auf den Bau ſeines Körpers richten will! Zu wie vielen Abſichten dienet nicht die Zunge, die- ſer kleine Theil unſers Leibes! Sie trägt das ihrige

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/290>, abgerufen am 22.11.2024.