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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.

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Mit einer andern als dieser geraden und aufge-
richteten Gestalt hätte ich keine Herrschaft über
so viele andre Geschöpfe erhalten, nicht so viele
nützliche Dinge erfinden, mich nicht mit so vie-
lerley vortrefflichen Künsten beschäfftigen, mich
nicht so fertig drehen und wenden können. Hän-
de und Füße hätten nicht die Geschicklichkeit ge-
habt, die sie nun haben, dem Willen meiner
Seele zu gehorchen. Eine andre, als diese Ge-
stalt hätte mir eine freye Aussicht und den An-
blick des Himmels verweigert. Wie bequem
sind alle Theile geordnet, um den Leib im
Gleichgewichte zu erhalten! Keine Seite ist
der andern zu schwer; theils halten die Schul-
tern, Arme und Seiten eine Gleichheit, die
zu diesem Endzwecke dient; theils befördern
ihn die Eingeweide mit ihrer Schwere und
das Gewicht des Hintertheiles von unserm
Körper.

Wie offenbar ist nicht mein Leib bloß
nach seinen äußerlichen und sichtbaren Thei-
len, wegen ihrer Gestalt, Bildung, Ordnung,
Lage, Wirkung und Uebereinstimmung, ein
Werk der besten und weisesten Absichten!
Wie viel Recht habe ich, auszurufen: Jch

danke

Mit einer andern als dieſer geraden und aufge-
richteten Geſtalt hätte ich keine Herrſchaft über
ſo viele andre Geſchöpfe erhalten, nicht ſo viele
nützliche Dinge erfinden, mich nicht mit ſo vie-
lerley vortrefflichen Künſten beſchäfftigen, mich
nicht ſo fertig drehen und wenden können. Hän-
de und Füße hätten nicht die Geſchicklichkeit ge-
habt, die ſie nun haben, dem Willen meiner
Seele zu gehorchen. Eine andre, als dieſe Ge-
ſtalt hätte mir eine freye Ausſicht und den An-
blick des Himmels verweigert. Wie bequem
ſind alle Theile geordnet, um den Leib im
Gleichgewichte zu erhalten! Keine Seite iſt
der andern zu ſchwer; theils halten die Schul-
tern, Arme und Seiten eine Gleichheit, die
zu dieſem Endzwecke dient; theils befördern
ihn die Eingeweide mit ihrer Schwere und
das Gewicht des Hintertheiles von unſerm
Körper.

Wie offenbar iſt nicht mein Leib bloß
nach ſeinen äußerlichen und ſichtbaren Thei-
len, wegen ihrer Geſtalt, Bildung, Ordnung,
Lage, Wirkung und Uebereinſtimmung, ein
Werk der beſten und weiſeſten Abſichten!
Wie viel Recht habe ich, auszurufen: Jch

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[252/0266] Mit einer andern als dieſer geraden und aufge- richteten Geſtalt hätte ich keine Herrſchaft über ſo viele andre Geſchöpfe erhalten, nicht ſo viele nützliche Dinge erfinden, mich nicht mit ſo vie- lerley vortrefflichen Künſten beſchäfftigen, mich nicht ſo fertig drehen und wenden können. Hän- de und Füße hätten nicht die Geſchicklichkeit ge- habt, die ſie nun haben, dem Willen meiner Seele zu gehorchen. Eine andre, als dieſe Ge- ſtalt hätte mir eine freye Ausſicht und den An- blick des Himmels verweigert. Wie bequem ſind alle Theile geordnet, um den Leib im Gleichgewichte zu erhalten! Keine Seite iſt der andern zu ſchwer; theils halten die Schul- tern, Arme und Seiten eine Gleichheit, die zu dieſem Endzwecke dient; theils befördern ihn die Eingeweide mit ihrer Schwere und das Gewicht des Hintertheiles von unſerm Körper. Wie offenbar iſt nicht mein Leib bloß nach ſeinen äußerlichen und ſichtbaren Thei- len, wegen ihrer Geſtalt, Bildung, Ordnung, Lage, Wirkung und Uebereinſtimmung, ein Werk der beſten und weiſeſten Abſichten! Wie viel Recht habe ich, auszurufen: Jch danke

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/266>, abgerufen am 26.06.2024.