Feld vor sich, das sie mit ihren schärfsten Bli- cken nicht übersehen können! Je länger sie for- schen, je mehr sich der Umfang ihrer Einsichten er- weitert, desto mehr Endzwecke sehen sie, und alle durch die vollkommensten Mittel erreicht. Wenn kann ich mich selbst; wenn kann ich nur den klein- sten Theil meiner selbst genug kennen lernen? Welch ein absichtvolles Wesen bin ich nicht! Wenn ich nur meinen Leib und seine äußerlichen Theile anschaue, wie mannichfaltige Ursachen in ihrer Lage, Ordnung, und Zusammenfügung, in ih- ren Verhältnissen, in ihrem Ebenmaße, in ihrer Uebereinstimmung mit einander über die Weisheit des Baumeisters dieser bequemen und herrlichen Wohnung meiner unsterblichen Seele!
Unter den äußerlichen, dem ersten Anblicke sichtbaren Theilen meines Körpers, ist das Haupt, das sichre Behältniß des Gehirns, die Quelle al- ler Empfindung und Bewegung. Das Vorder- theil desselben zeigt das Antlitz, des Menschen schönsten Theil und den Schauplatz aller Empfin- dungen und Leidenschaften der Seele, wo alle die wundervollen Oeffnungen sind, durch welche wir den Eindruck und Begriff der äußerlichen Gegen- stände empfangen, die vornehmsten Sinne, an den Seiten die Ohren, welche durch die Hülfe
des
Q 3
Feld vor ſich, das ſie mit ihren ſchärfſten Bli- cken nicht überſehen können! Je länger ſie for- ſchen, je mehr ſich der Umfang ihrer Einſichten er- weitert, deſto mehr Endzwecke ſehen ſie, und alle durch die vollkommenſten Mittel erreicht. Wenn kann ich mich ſelbſt; wenn kann ich nur den klein- ſten Theil meiner ſelbſt genug kennen lernen? Welch ein abſichtvolles Weſen bin ich nicht! Wenn ich nur meinen Leib und ſeine äußerlichen Theile anſchaue, wie mannichfaltige Urſachen in ihrer Lage, Ordnung, und Zuſammenfügung, in ih- ren Verhältniſſen, in ihrem Ebenmaße, in ihrer Uebereinſtimmung mit einander über die Weisheit des Baumeiſters dieſer bequemen und herrlichen Wohnung meiner unſterblichen Seele!
Unter den äußerlichen, dem erſten Anblicke ſichtbaren Theilen meines Körpers, iſt das Haupt, das ſichre Behältniß des Gehirns, die Quelle al- ler Empfindung und Bewegung. Das Vorder- theil deſſelben zeigt das Antlitz, des Menſchen ſchönſten Theil und den Schauplatz aller Empfin- dungen und Leidenſchaften der Seele, wo alle die wundervollen Oeffnungen ſind, durch welche wir den Eindruck und Begriff der äußerlichen Gegen- ſtände empfangen, die vornehmſten Sinne, an den Seiten die Ohren, welche durch die Hülfe
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Feld vor ſich, das ſie mit ihren ſchärfſten Bli-
cken nicht überſehen können! Je länger ſie for-
ſchen, je mehr ſich der Umfang ihrer Einſichten er-
weitert, deſto mehr Endzwecke ſehen ſie, und alle
durch die vollkommenſten Mittel erreicht. Wenn
kann ich mich ſelbſt; wenn kann ich nur den klein-
ſten Theil meiner ſelbſt genug kennen lernen?
Welch ein abſichtvolles Weſen bin ich nicht! Wenn
ich nur meinen Leib und ſeine äußerlichen Theile
anſchaue, wie mannichfaltige Urſachen in ihrer
Lage, Ordnung, und Zuſammenfügung, in ih-
ren Verhältniſſen, in ihrem Ebenmaße, in ihrer
Uebereinſtimmung mit einander über die Weisheit
des Baumeiſters dieſer bequemen und herrlichen
Wohnung meiner unſterblichen Seele!
Unter den äußerlichen, dem erſten Anblicke
ſichtbaren Theilen meines Körpers, iſt das Haupt,
das ſichre Behältniß des Gehirns, die Quelle al-
ler Empfindung und Bewegung. Das Vorder-
theil deſſelben zeigt das Antlitz, des Menſchen
ſchönſten Theil und den Schauplatz aller Empfin-
dungen und Leidenſchaften der Seele, wo alle die
wundervollen Oeffnungen ſind, durch welche wir
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ſtände empfangen, die vornehmſten Sinne, an
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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/259>, abgerufen am 22.11.2024.
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