einander verabredet, eins um des andern wil- len, so zu seyn, als jedes ist, und zwar nicht um ihres eignen Vortheiles und Nutzens willen, weil sie keiner Empfindung von Vergnügen, Lust und Glückseeligkeit fähig sind, sondern bloß zum Besten ihrer lebendigen Bewohner. Man müßte glauben, sie hätten beschlossen, hätten sich mit einander verstanden, so zu seyn, als sie sind, oh- ne zu wissen, daß es iemals Lebendige geben wür- de; diejenigen, deren Anfang wir kennen, hät- ten, ehe sie waren, den Verstand und Vorsatz ge- habt, wenn sie nun entstünden, eben so beschaf- fen zu seyn, als die ihnen ähnlichen Dinge vor ihnen waren, und eben so wie sie, mit dem Be- sten der Lebendigen zu harmoniren, und die allge- meine Uebereinstimmung zu erhalten. Tausend solche Ungereimtheiten und Widersprüche müßte der Unglückliche glauben, der so unsinnig seyn und keine erste, nothwendige, ewige und ver- ständige Ursache aller Dinge verehren und anbe- ten wollte. Er müßte annehmen, daß alles was wir kennen, einen Anfang, keinen innern noth- wendigen Grund seines Daseyns und seiner Be- schaffenheit habe, leblos, ohne Bewußtseyn und Empfindung, blind, unverständig und unfähig zu einer Wahl und Ueberlegung sey, und dennoch auch in seinen Eigenschaften und Kräften und ih-
ren
Erster Theil. N
einander verabredet, eins um des andern wil- len, ſo zu ſeyn, als jedes iſt, und zwar nicht um ihres eignen Vortheiles und Nutzens willen, weil ſie keiner Empfindung von Vergnügen, Luſt und Glückſeeligkeit fähig ſind, ſondern bloß zum Beſten ihrer lebendigen Bewohner. Man müßte glauben, ſie hätten beſchloſſen, hätten ſich mit einander verſtanden, ſo zu ſeyn, als ſie ſind, oh- ne zu wiſſen, daß es iemals Lebendige geben wür- de; diejenigen, deren Anfang wir kennen, hät- ten, ehe ſie waren, den Verſtand und Vorſatz ge- habt, wenn ſie nun entſtünden, eben ſo beſchaf- fen zu ſeyn, als die ihnen ähnlichen Dinge vor ihnen waren, und eben ſo wie ſie, mit dem Be- ſten der Lebendigen zu harmoniren, und die allge- meine Uebereinſtimmung zu erhalten. Tauſend ſolche Ungereimtheiten und Widerſprüche müßte der Unglückliche glauben, der ſo unſinnig ſeyn und keine erſte, nothwendige, ewige und ver- ſtändige Urſache aller Dinge verehren und anbe- ten wollte. Er müßte annehmen, daß alles was wir kennen, einen Anfang, keinen innern noth- wendigen Grund ſeines Daſeyns und ſeiner Be- ſchaffenheit habe, leblos, ohne Bewußtſeyn und Empfindung, blind, unverſtändig und unfähig zu einer Wahl und Ueberlegung ſey, und dennoch auch in ſeinen Eigenſchaften und Kräften und ih-
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Erſter Theil. N
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einander verabredet, eins um des andern wil-
len, ſo zu ſeyn, als jedes iſt, und zwar nicht
um ihres eignen Vortheiles und Nutzens willen,
weil ſie keiner Empfindung von Vergnügen, Luſt
und Glückſeeligkeit fähig ſind, ſondern bloß zum
Beſten ihrer lebendigen Bewohner. Man müßte
glauben, ſie hätten beſchloſſen, hätten ſich mit
einander verſtanden, ſo zu ſeyn, als ſie ſind, oh-
ne zu wiſſen, daß es iemals Lebendige geben wür-
de; diejenigen, deren Anfang wir kennen, hät-
ten, ehe ſie waren, den Verſtand und Vorſatz ge-
habt, wenn ſie nun entſtünden, eben ſo beſchaf-
fen zu ſeyn, als die ihnen ähnlichen Dinge vor
ihnen waren, und eben ſo wie ſie, mit dem Be-
ſten der Lebendigen zu harmoniren, und die allge-
meine Uebereinſtimmung zu erhalten. Tauſend
ſolche Ungereimtheiten und Widerſprüche müßte
der Unglückliche glauben, der ſo unſinnig ſeyn
und keine erſte, nothwendige, ewige und ver-
ſtändige Urſache aller Dinge verehren und anbe-
ten wollte. Er müßte annehmen, daß alles was
wir kennen, einen Anfang, keinen innern noth-
wendigen Grund ſeines Daſeyns und ſeiner Be-
ſchaffenheit habe, leblos, ohne Bewußtſeyn und
Empfindung, blind, unverſtändig und unfähig
zu einer Wahl und Ueberlegung ſey, und dennoch
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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/207>, abgerufen am 24.11.2024.
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