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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.

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Ehrerbietung und Anbetung desselben! Jhre Be-
lehrungen haben die wunderbare Eigenschaft, daß
sie mit gleicher Macht auf den Verstand und das
Herz wirken; daß sie für Seelen von gemeiner
Fähigkeit nicht schwer und dunkel sind, und doch
auch die größten und scharfsinnigsten Geister zu
einer Höhe führen, über welche sie nichts Höhers
denken können! Welcher noch so tiefdenkende
Weltweise kann uns von der innern verborgnen
Herrlichkeit der göttlichen Natur eine vollkomm-
nere Beschreibung geben, als der einzige Aus-
spruch: Er wohnt in einem Lichte, zu dem
niemand kommen kann, oder die Frage Got-
tes: Wem wollt ihr mich nachbilden? Wer
kann die Unveränderlichkeit seines Wesens deutli-
cher, bestimmter und zugleich erhabner ausdrü-
cken, als in den Worten geschieht: Er ist, der da
war, und der da seyn wird? Man mag eine
Vollkommenheit des Höchsten betrachten, welche
man will, so findet man nirgends richtigere, genaue-
re, hellere und größre Begriffe davon, als in der
Offenbarung. Ungeachtet sie keinen solchen zusam-
menhangenden Vortrag der Wahrheiten von ihm
enthält, worinnen in einer strengen Ordnung
und Folge Satz aus Satz hergeleitet, und an ein-
ander gekettet; worinnen jedes Wortes Bedeu-
tung mit der pünktlichsten Sorgfalt abgemessen

und



Ehrerbietung und Anbetung deſſelben! Jhre Be-
lehrungen haben die wunderbare Eigenſchaft, daß
ſie mit gleicher Macht auf den Verſtand und das
Herz wirken; daß ſie für Seelen von gemeiner
Fähigkeit nicht ſchwer und dunkel ſind, und doch
auch die größten und ſcharfſinnigſten Geiſter zu
einer Höhe führen, über welche ſie nichts Höhers
denken können! Welcher noch ſo tiefdenkende
Weltweiſe kann uns von der innern verborgnen
Herrlichkeit der göttlichen Natur eine vollkomm-
nere Beſchreibung geben, als der einzige Aus-
ſpruch: Er wohnt in einem Lichte, zu dem
niemand kommen kann, oder die Frage Got-
tes: Wem wollt ihr mich nachbilden? Wer
kann die Unveränderlichkeit ſeines Weſens deutli-
cher, beſtimmter und zugleich erhabner ausdrü-
cken, als in den Worten geſchieht: Er iſt, der da
war, und der da ſeyn wird? Man mag eine
Vollkommenheit des Höchſten betrachten, welche
man will, ſo findet man nirgends richtigere, genaue-
re, hellere und größre Begriffe davon, als in der
Offenbarung. Ungeachtet ſie keinen ſolchen zuſam-
menhangenden Vortrag der Wahrheiten von ihm
enthält, worinnen in einer ſtrengen Ordnung
und Folge Satz aus Satz hergeleitet, und an ein-
ander gekettet; worinnen jedes Wortes Bedeu-
tung mit der pünktlichſten Sorgfalt abgemeſſen

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[111/0125] Ehrerbietung und Anbetung deſſelben! Jhre Be- lehrungen haben die wunderbare Eigenſchaft, daß ſie mit gleicher Macht auf den Verſtand und das Herz wirken; daß ſie für Seelen von gemeiner Fähigkeit nicht ſchwer und dunkel ſind, und doch auch die größten und ſcharfſinnigſten Geiſter zu einer Höhe führen, über welche ſie nichts Höhers denken können! Welcher noch ſo tiefdenkende Weltweiſe kann uns von der innern verborgnen Herrlichkeit der göttlichen Natur eine vollkomm- nere Beſchreibung geben, als der einzige Aus- ſpruch: Er wohnt in einem Lichte, zu dem niemand kommen kann, oder die Frage Got- tes: Wem wollt ihr mich nachbilden? Wer kann die Unveränderlichkeit ſeines Weſens deutli- cher, beſtimmter und zugleich erhabner ausdrü- cken, als in den Worten geſchieht: Er iſt, der da war, und der da ſeyn wird? Man mag eine Vollkommenheit des Höchſten betrachten, welche man will, ſo findet man nirgends richtigere, genaue- re, hellere und größre Begriffe davon, als in der Offenbarung. Ungeachtet ſie keinen ſolchen zuſam- menhangenden Vortrag der Wahrheiten von ihm enthält, worinnen in einer ſtrengen Ordnung und Folge Satz aus Satz hergeleitet, und an ein- ander gekettet; worinnen jedes Wortes Bedeu- tung mit der pünktlichſten Sorgfalt abgemeſſen und

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/125>, abgerufen am 28.09.2024.