Herrschaften!" Die Gläser klangen wieder einmal zusammen. Und wieder ließ Lydia das ihrige zuerst an das Adams tönen.
Dieser hatte plötzlich die ganze Situation, zumal sein Verhältniß zu Frau Lange, klar erfaßt und wandte sich jetzt mit einer auffälligen Wendung zu Hedwig hin ... und zwar so beklemmend nahe, als wollte er dieser Dame Etwas ins Ohr flüstern. Hedwig sah verwundert auf. Ihre Brauen zogen sich zusammen. Verstand sie das Manöver --?
"Ich muß doch bitten, Herr Doctor --" nahm Oettinger das Gespräch wieder auf.
"Um was --?" flegelte Adam.
"Ja! . Aber ... Gewiß bin ich religiös ... wenn auch -- -- wie ich mir schon einmal zu bemerken erlaubte --: in erster Linie bin ich con- servativ -- und dieser Standpunkt schließt ja ein mehr oder weniger intimes Verhältniß zu den Satzungen der Landeskirche ganz von selber ein -- -- ich klebe durchaus nicht am Dogma -- gehe sogar so weit, in gewissem Sinne -- verzeihen Sie! -- nun! wie soll ich sagen? -- ja! -- frei -- vielleicht ,modern' zu sein -- es ist wahr: ich besuche selten die Kirche -- vertrete aber als Jurist, als Gesetzeshüter, ganz entschieden die Ansicht, daß die Masse der Religion bedarf -- und sollte das -- Sie sehen, ich bin ganz aufrichtig -- und sollte das auch nur nothwendig sein, damit sie, die Plebs, der Mob, kurz: das Volk -- damit dieses also stets in der Gewalt, in den Händen der ,oberen Zehntausend'
Herrſchaften!“ Die Gläſer klangen wieder einmal zuſammen. Und wieder ließ Lydia das ihrige zuerſt an das Adams tönen.
Dieſer hatte plötzlich die ganze Situation, zumal ſein Verhältniß zu Frau Lange, klar erfaßt und wandte ſich jetzt mit einer auffälligen Wendung zu Hedwig hin ... und zwar ſo beklemmend nahe, als wollte er dieſer Dame Etwas ins Ohr flüſtern. Hedwig ſah verwundert auf. Ihre Brauen zogen ſich zuſammen. Verſtand ſie das Manöver —?
„Ich muß doch bitten, Herr Doctor —“ nahm Oettinger das Geſpräch wieder auf.
„Um was —?“ flegelte Adam.
„Ja! . Aber ... Gewiß bin ich religiös ... wenn auch — — wie ich mir ſchon einmal zu bemerken erlaubte —: in erſter Linie bin ich con- ſervativ — und dieſer Standpunkt ſchließt ja ein mehr oder weniger intimes Verhältniß zu den Satzungen der Landeskirche ganz von ſelber ein — — ich klebe durchaus nicht am Dogma — gehe ſogar ſo weit, in gewiſſem Sinne — verzeihen Sie! — nun! wie ſoll ich ſagen? — ja! — frei — vielleicht ‚modern‘ zu ſein — es iſt wahr: ich beſuche ſelten die Kirche — vertrete aber als Juriſt, als Geſetzeshüter, ganz entſchieden die Anſicht, daß die Maſſe der Religion bedarf — und ſollte das — Sie ſehen, ich bin ganz aufrichtig — und ſollte das auch nur nothwendig ſein, damit ſie, die Plebs, der Mob, kurz: das Volk — damit dieſes alſo ſtets in der Gewalt, in den Händen der ‚oberen Zehntauſend‘
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0072"n="64"/>
Herrſchaften!“ Die Gläſer klangen wieder einmal<lb/>
zuſammen. Und wieder ließ Lydia das ihrige<lb/>
zuerſt an das Adams tönen.</p><lb/><p>Dieſer hatte plötzlich die ganze Situation, zumal<lb/>ſein Verhältniß zu Frau Lange, klar erfaßt und<lb/>
wandte ſich jetzt mit einer auffälligen Wendung zu<lb/>
Hedwig hin ... und zwar ſo beklemmend nahe, als<lb/>
wollte er dieſer Dame Etwas ins Ohr flüſtern.<lb/>
Hedwig ſah verwundert auf. Ihre Brauen zogen<lb/>ſich zuſammen. Verſtand ſie das Manöver —?</p><lb/><p>„Ich muß doch bitten, Herr Doctor —“ nahm<lb/>
Oettinger das Geſpräch wieder auf.</p><lb/><p>„Um was —?“ flegelte Adam.</p><lb/><p>„Ja! . Aber ... Gewiß bin ich religiös ...<lb/>
wenn auch —— wie ich mir ſchon einmal zu<lb/>
bemerken erlaubte —: in erſter Linie bin ich con-<lb/>ſervativ — und dieſer Standpunkt ſchließt ja ein<lb/>
mehr oder weniger intimes Verhältniß zu den<lb/>
Satzungen der Landeskirche ganz von ſelber ein ——<lb/>
ich klebe durchaus nicht am Dogma — gehe ſogar<lb/>ſo weit, in gewiſſem Sinne — verzeihen Sie!<lb/>— nun! wie ſoll ich ſagen? — ja! — frei —<lb/>
vielleicht ‚modern‘ zu ſein — es iſt wahr: ich beſuche<lb/>ſelten die Kirche — vertrete aber als Juriſt, als<lb/>
Geſetzeshüter, ganz entſchieden die Anſicht, daß<lb/>
die Maſſe der Religion bedarf — und ſollte das —<lb/>
Sie ſehen, ich bin ganz aufrichtig — und ſollte<lb/>
das auch nur nothwendig ſein, damit ſie, die Plebs,<lb/>
der Mob, kurz: das Volk — damit dieſes alſo ſtets in<lb/>
der Gewalt, in den Händen der ‚oberen Zehntauſend‘<lb/></p></div></body></text></TEI>
[64/0072]
Herrſchaften!“ Die Gläſer klangen wieder einmal
zuſammen. Und wieder ließ Lydia das ihrige
zuerſt an das Adams tönen.
Dieſer hatte plötzlich die ganze Situation, zumal
ſein Verhältniß zu Frau Lange, klar erfaßt und
wandte ſich jetzt mit einer auffälligen Wendung zu
Hedwig hin ... und zwar ſo beklemmend nahe, als
wollte er dieſer Dame Etwas ins Ohr flüſtern.
Hedwig ſah verwundert auf. Ihre Brauen zogen
ſich zuſammen. Verſtand ſie das Manöver —?
„Ich muß doch bitten, Herr Doctor —“ nahm
Oettinger das Geſpräch wieder auf.
„Um was —?“ flegelte Adam.
„Ja! . Aber ... Gewiß bin ich religiös ...
wenn auch — — wie ich mir ſchon einmal zu
bemerken erlaubte —: in erſter Linie bin ich con-
ſervativ — und dieſer Standpunkt ſchließt ja ein
mehr oder weniger intimes Verhältniß zu den
Satzungen der Landeskirche ganz von ſelber ein — —
ich klebe durchaus nicht am Dogma — gehe ſogar
ſo weit, in gewiſſem Sinne — verzeihen Sie!
— nun! wie ſoll ich ſagen? — ja! — frei —
vielleicht ‚modern‘ zu ſein — es iſt wahr: ich beſuche
ſelten die Kirche — vertrete aber als Juriſt, als
Geſetzeshüter, ganz entſchieden die Anſicht, daß
die Maſſe der Religion bedarf — und ſollte das —
Sie ſehen, ich bin ganz aufrichtig — und ſollte
das auch nur nothwendig ſein, damit ſie, die Plebs,
der Mob, kurz: das Volk — damit dieſes alſo ſtets in
der Gewalt, in den Händen der ‚oberen Zehntauſend‘
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/72>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.