-- nun, so thue ich das eben und eigne mir damit eine ganze Reihe von Vortheilen zu -- aber warum ich es thue, siehst Du -- das weiß ich eigentlich trotz aller kritischen Analysen im Grunde doch nicht ... ich bin mir ja schon viel zu gleichgültig. Das Leben reizt mich nicht mehr. Es ist mir ganz klar: schließlich bin ich dasselbe, was Du bist, nur ins Männliche übersetzt, seelisch ganz dasselbe ... Ich bin psychisch ebenso vielseitig und ebenso .. einseitig, wie Du, eben so wenig bornirt, wie Du -- nur bin ich verhältnißmäßig freier, als Du, uneinge- schränkter in meinen Gedanken und Handlungen. Mich respectirt die Gesellschaft, mich erkennt sie an -- Dich nicht. Ich darf mir Alles oder doch sehr Vieles gestatten, Du nicht. Mir erlaubt sie, eines Tages ihr selber gegenüber womöglich eine Herrscherrolle zu spielen .. Aber -- und das ist die sehr ernste und traurige Kehrseite der Medaille -- aber ich bin, eben weil ich so wenig Schranken zu respectiren hatte, tausend Mal ärger zerfetzt und zerfasert als Du ... Du bist noch wärmerer, beständigerer Gefühle fähig -- ich kaum ... Bei mir flackerts, flammts wohl noch jäh, leidenschaftlich, auf -- aber es ver- fliegt auch wieder -- und es verfliegt halt ebenso schnell, wie es gekommen war. Ich weiß, daß Du mich liebgehabt hast, Emmy -- vielleicht hast Du mich auch noch 'n Bissel lieb, trotzdem mir Hedwig so schwere und harte Anklagen in's Gesicht ge- schleudert hat ... Du hast für die Arme unwill- kürlich Partei genommen -- ich begreife das Alles
29*
— nun, ſo thue ich das eben und eigne mir damit eine ganze Reihe von Vortheilen zu — aber warum ich es thue, ſiehſt Du — das weiß ich eigentlich trotz aller kritiſchen Analyſen im Grunde doch nicht ... ich bin mir ja ſchon viel zu gleichgültig. Das Leben reizt mich nicht mehr. Es iſt mir ganz klar: ſchließlich bin ich daſſelbe, was Du biſt, nur ins Männliche überſetzt, ſeeliſch ganz daſſelbe ... Ich bin pſychiſch ebenſo vielſeitig und ebenſo .. einſeitig, wie Du, eben ſo wenig bornirt, wie Du — nur bin ich verhältnißmäßig freier, als Du, uneinge- ſchränkter in meinen Gedanken und Handlungen. Mich reſpectirt die Geſellſchaft, mich erkennt ſie an — Dich nicht. Ich darf mir Alles oder doch ſehr Vieles geſtatten, Du nicht. Mir erlaubt ſie, eines Tages ihr ſelber gegenüber womöglich eine Herrſcherrolle zu ſpielen .. Aber — und das iſt die ſehr ernſte und traurige Kehrſeite der Medaille — aber ich bin, eben weil ich ſo wenig Schranken zu reſpectiren hatte, tauſend Mal ärger zerfetzt und zerfaſert als Du ... Du biſt noch wärmerer, beſtändigerer Gefühle fähig — ich kaum ... Bei mir flackerts, flammts wohl noch jäh, leidenſchaftlich, auf — aber es ver- fliegt auch wieder — und es verfliegt halt ebenſo ſchnell, wie es gekommen war. Ich weiß, daß Du mich liebgehabt haſt, Emmy — vielleicht haſt Du mich auch noch 'n Biſſel lieb, trotzdem mir Hedwig ſo ſchwere und harte Anklagen in's Geſicht ge- ſchleudert hat ... Du haſt für die Arme unwill- kürlich Partei genommen — ich begreife das Alles
29*
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0459"n="451"/>— nun, ſo <hirendition="#g">thue</hi> ich das eben und eigne mir damit<lb/>
eine ganze Reihe von Vortheilen zu — aber <hirendition="#g">warum</hi><lb/>
ich es thue, ſiehſt Du —<hirendition="#g">das</hi> weiß ich eigentlich trotz<lb/>
aller kritiſchen Analyſen im Grunde <hirendition="#g">doch</hi> nicht ...<lb/>
ich bin mir ja ſchon viel zu gleichgültig. Das<lb/>
Leben reizt mich nicht mehr. Es iſt mir ganz klar:<lb/>ſchließlich bin ich daſſelbe, was Du biſt, nur ins<lb/>
Männliche überſetzt, ſeeliſch ganz daſſelbe ... Ich<lb/>
bin pſychiſch ebenſo vielſeitig und ebenſo .. einſeitig,<lb/>
wie Du, eben ſo wenig bornirt, wie Du — nur<lb/>
bin ich verhältnißmäßig freier, als Du, uneinge-<lb/>ſchränkter in meinen Gedanken und Handlungen.<lb/><hirendition="#g">Mich</hi> reſpectirt die Geſellſchaft, mich erkennt ſie an —<lb/><hirendition="#g">Dich</hi> nicht. <hirendition="#g">Ich</hi> darf mir <hirendition="#g">Alles</hi> oder doch ſehr<lb/>
Vieles geſtatten, Du nicht. Mir erlaubt ſie, eines<lb/>
Tages ihr ſelber gegenüber womöglich eine Herrſcherrolle<lb/>
zu ſpielen .. Aber — und das iſt die ſehr ernſte und<lb/>
traurige Kehrſeite der Medaille — aber ich bin,<lb/>
eben weil ich ſo wenig Schranken zu reſpectiren<lb/>
hatte, tauſend Mal ärger zerfetzt und zerfaſert als<lb/>
Du ... Du biſt noch wärmerer, beſtändigerer Gefühle<lb/>
fähig — ich kaum ... Bei mir flackerts, flammts<lb/>
wohl noch jäh, leidenſchaftlich, auf — aber es ver-<lb/>
fliegt auch wieder — und es verfliegt halt ebenſo<lb/>ſchnell, wie es gekommen war. Ich weiß, daß Du<lb/>
mich liebgehabt haſt, Emmy — vielleicht haſt Du<lb/>
mich auch noch 'n Biſſel lieb, trotzdem mir Hedwig<lb/>ſo ſchwere und harte Anklagen in's Geſicht ge-<lb/>ſchleudert hat ... Du haſt für die Arme unwill-<lb/>
kürlich Partei genommen — ich begreife das Alles<lb/><fwplace="bottom"type="sig">29*</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[451/0459]
— nun, ſo thue ich das eben und eigne mir damit
eine ganze Reihe von Vortheilen zu — aber warum
ich es thue, ſiehſt Du — das weiß ich eigentlich trotz
aller kritiſchen Analyſen im Grunde doch nicht ...
ich bin mir ja ſchon viel zu gleichgültig. Das
Leben reizt mich nicht mehr. Es iſt mir ganz klar:
ſchließlich bin ich daſſelbe, was Du biſt, nur ins
Männliche überſetzt, ſeeliſch ganz daſſelbe ... Ich
bin pſychiſch ebenſo vielſeitig und ebenſo .. einſeitig,
wie Du, eben ſo wenig bornirt, wie Du — nur
bin ich verhältnißmäßig freier, als Du, uneinge-
ſchränkter in meinen Gedanken und Handlungen.
Mich reſpectirt die Geſellſchaft, mich erkennt ſie an —
Dich nicht. Ich darf mir Alles oder doch ſehr
Vieles geſtatten, Du nicht. Mir erlaubt ſie, eines
Tages ihr ſelber gegenüber womöglich eine Herrſcherrolle
zu ſpielen .. Aber — und das iſt die ſehr ernſte und
traurige Kehrſeite der Medaille — aber ich bin,
eben weil ich ſo wenig Schranken zu reſpectiren
hatte, tauſend Mal ärger zerfetzt und zerfaſert als
Du ... Du biſt noch wärmerer, beſtändigerer Gefühle
fähig — ich kaum ... Bei mir flackerts, flammts
wohl noch jäh, leidenſchaftlich, auf — aber es ver-
fliegt auch wieder — und es verfliegt halt ebenſo
ſchnell, wie es gekommen war. Ich weiß, daß Du
mich liebgehabt haſt, Emmy — vielleicht haſt Du
mich auch noch 'n Biſſel lieb, trotzdem mir Hedwig
ſo ſchwere und harte Anklagen in's Geſicht ge-
ſchleudert hat ... Du haſt für die Arme unwill-
kürlich Partei genommen — ich begreife das Alles
29*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/459>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.