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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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Hedwig war wieder in den Sessel zurückgetaumelt,
ihre Finger waren ineinandergekrampft, sie schluchzte
leise. Emmy stand neben ihr, sie hielt den Kopf
ein Wenig gebeugt, ihr Gesicht war ungleich ge-
röthet, sie sah aus, als wäre sie in tiefe, starre Ge-
danken versunken, ihre Augen lagen in Thränen.

Adam sah sich noch einmal nach den Beiden um,
es schien, als wollte er Etwas zu ihnen sagen, aber
er zuckte wieder nur in willkommener Resignation
die Achseln, knurrte verächtlich "-- hysterische
Weiber --" vor sich hin und ging auffallend lang-
sam ins Nebenzimmer.

Plötzlich fuhr Hedwig wieder auf. "-- ich muß
fort -- ich ersticke hier -- fort zu meinem Vater --
der wartet auf mich -- der will mich mitnehmen -- --"
heiserte sie zischelnd vor sich hin, jetzt stand sie, sie
schwankte haltlos hin und her, Emmy wollte sie
umfassen. "Bleiben Sie noch, liebes Fräulein --"
bat sie leise, da fuhr Hedwig herum, sie starrte
Emmy mit großen, verglasten Augen an, nun
lachte sie gellend auf, warf ihre mageren Arme
mit krampfiger Wuth um Emmys Hals, riß die
an sich heran, stürzte rücklings mit ihr in den Sessel
und lallte ihr mit erstickter, gebrochen gellender
Stimme zu: "-- Du --! Du --! Weißt Du: ich
bin nämlich auch so Eine, wie Du -- auch so Eine,
weißt Du -- Dein Liebster hat's mir gezeigt --
ei! -- ei! -- hat's mir gezeigt, wie man's macht --
siehst Du: nun mußt Du mich mitnehmen -- ja?
willst Du --? Nun bringst Du mir schöne Herren --

Hedwig war wieder in den Seſſel zurückgetaumelt,
ihre Finger waren ineinandergekrampft, ſie ſchluchzte
leiſe. Emmy ſtand neben ihr, ſie hielt den Kopf
ein Wenig gebeugt, ihr Geſicht war ungleich ge-
röthet, ſie ſah aus, als wäre ſie in tiefe, ſtarre Ge-
danken verſunken, ihre Augen lagen in Thränen.

Adam ſah ſich noch einmal nach den Beiden um,
es ſchien, als wollte er Etwas zu ihnen ſagen, aber
er zuckte wieder nur in willkommener Reſignation
die Achſeln, knurrte verächtlich „— hyſteriſche
Weiber —“ vor ſich hin und ging auffallend lang-
ſam ins Nebenzimmer.

Plötzlich fuhr Hedwig wieder auf. „— ich muß
fort — ich erſticke hier — fort zu meinem Vater —
der wartet auf mich — der will mich mitnehmen — —“
heiſerte ſie ziſchelnd vor ſich hin, jetzt ſtand ſie, ſie
ſchwankte haltlos hin und her, Emmy wollte ſie
umfaſſen. „Bleiben Sie noch, liebes Fräulein —“
bat ſie leiſe, da fuhr Hedwig herum, ſie ſtarrte
Emmy mit großen, verglaſten Augen an, nun
lachte ſie gellend auf, warf ihre mageren Arme
mit krampfiger Wuth um Emmys Hals, riß die
an ſich heran, ſtürzte rücklings mit ihr in den Seſſel
und lallte ihr mit erſtickter, gebrochen gellender
Stimme zu: „— Du —! Du —! Weißt Du: ich
bin nämlich auch ſo Eine, wie Du — auch ſo Eine,
weißt Du — Dein Liebſter hat's mir gezeigt —
ei! — ei! — hat's mir gezeigt, wie man's macht —
ſiehſt Du: nun mußt Du mich mitnehmen — ja?
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[440/0448] Hedwig war wieder in den Seſſel zurückgetaumelt, ihre Finger waren ineinandergekrampft, ſie ſchluchzte leiſe. Emmy ſtand neben ihr, ſie hielt den Kopf ein Wenig gebeugt, ihr Geſicht war ungleich ge- röthet, ſie ſah aus, als wäre ſie in tiefe, ſtarre Ge- danken verſunken, ihre Augen lagen in Thränen. Adam ſah ſich noch einmal nach den Beiden um, es ſchien, als wollte er Etwas zu ihnen ſagen, aber er zuckte wieder nur in willkommener Reſignation die Achſeln, knurrte verächtlich „— hyſteriſche Weiber —“ vor ſich hin und ging auffallend lang- ſam ins Nebenzimmer. Plötzlich fuhr Hedwig wieder auf. „— ich muß fort — ich erſticke hier — fort zu meinem Vater — der wartet auf mich — der will mich mitnehmen — —“ heiſerte ſie ziſchelnd vor ſich hin, jetzt ſtand ſie, ſie ſchwankte haltlos hin und her, Emmy wollte ſie umfaſſen. „Bleiben Sie noch, liebes Fräulein —“ bat ſie leiſe, da fuhr Hedwig herum, ſie ſtarrte Emmy mit großen, verglaſten Augen an, nun lachte ſie gellend auf, warf ihre mageren Arme mit krampfiger Wuth um Emmys Hals, riß die an ſich heran, ſtürzte rücklings mit ihr in den Seſſel und lallte ihr mit erſtickter, gebrochen gellender Stimme zu: „— Du —! Du —! Weißt Du: ich bin nämlich auch ſo Eine, wie Du — auch ſo Eine, weißt Du — Dein Liebſter hat's mir gezeigt — ei! — ei! — hat's mir gezeigt, wie man's macht — ſiehſt Du: nun mußt Du mich mitnehmen — ja? willſt Du —? Nun bringſt Du mir ſchöne Herren —

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/448>, abgerufen am 12.05.2024.